Siegen. . Das Übernachtungshaus in Siegen gibt es nicht mehr. Die Stadt bringt Obdachlose jetzt dezentral unter. Das Konzept ist erfolgreich.
- Siegen hat ein neues Konzept zur Unterbringung von Wohnungslosen
- Das Übernachtungshaus hat seinen Betrieb eingestellt
- Dezentrale Unterkünfte ermöglichen mehr Privatsphäre
Seit Jahren hatte es rückläufige Zahlen im Übernachtungshaus für wohnungslose Männer am Sieghütter Hauptweg gegeben, durchschnittlich fünf bis sechs Personen pro Nacht waren für die Stadt Siegen irgendwann nicht mehr tragbar. Seit Ende Juni werden Menschen ohne festen Wohnsitz dezentral in Hotels und Pensionen untergebracht – ein erfolgreiches Konzept, sagt Diana Brixius, Sprecherin des Arbeitsteams Wohnen bei der Stadt Siegen: „Die untergebrachten Personen haben jetzt einen besseren Standard.“ Einen Schwerpunkt bildet dabei eine Pension an der Ecke Siegstraße/Auf den Hütten in Weidenau, die im ehemaligen Kaufhaus Wagener eingerichtet worden ist.
Wie funktioniert die Unterbringung wohnungsloser Personen?
Diana Brixius: Beispiel Pension Ecke Siegstraße/Auf den Hütten: Jede Person, die eines benötigt, bekommt ein eigenes Zimmer mit eigener Sanitäranlage und ordentlicher Ausstattung, in selteneren Fällen teilen sie sich auch ein Doppelzimmer. Im Unterschied zur Regelung mit dem Übernachtungshaus müssen die Menschen die Einrichtung tagsüber nicht verlassen; wo es geht, werden Männer, Frauen und Familien in getrennten Trakten untergebracht. 20 Euro kostet das die Stadt Siegen am Tag, aber „wir zahlen ja auch nicht jede Unterbringung, sondern nur im Notfall“, so Brixius. „Die Menschen haben ja etwas: Rente, Hartz IV.“ Die allermeisten Fälle sind vorübergehender Natur.
Welche Menschen betrifft das?
Akute Wohnungslosigkeit betrifft nicht nur die „Hardcore-Trinkerszene“, die mit Sozialarbeit ohnehin kaum noch erreicht werden könne, sondern auch „normale“ Menschen in Not, sagt Brixius, die alleinstehende Frau mit Kind, die nach einer Kündigung oder Räumung kurzfristig unterkommen muss zum Beispiel. Andere seien dann im Grunde hoffnungslose Fälle, für die auch längerfristige Wohnlösungen gesucht würden. „Manche schleppt man so durch, die machen mal eine Entgiftung, leben eine Zeit lang in einer Einrichtung, kommen aber immer wieder zurück“, sagt sie. Aber das seien vielleicht fünf Prozent der Personen, „unserer originärer Job ist es ja, zu verhindern, dass die Leute überhaupt wohnungslos werden.“ Es gebe kaum eine Stadt, die sich ihrer Wohnungslosen in so einem Umfang annehme wie Siegen.
Wie wird das veränderte Konzept angenommen?
„Die meisten sind begeistert, dass sie tagsüber bleiben können und zum Beispiel eine eigene Dusche haben“, sagt Brixius. Vor allem die Einzelzimmerunterbringung habe mitunter deeskalierend gewirkt – weil eben nicht bis zu 15 Männer in einem Raum nächtigen, denn „da kracht’s schnell“.
Bringt die Stadt auch Obdachlose aus anderen Städten unter?
Nein. „Es war das Los der Großstädte, dass sie sogenannte Landstreicher anziehen“, sagt Diana Brixius: Diese Zahlen seien deutlich rückläufig, „das gibt es so gut wie gar nicht mehr“.
Diese Klientel bekomme ein Bleibegeld für maximal drei Tage. Bei besonders unbelehrbaren Kandidaten mache die Stadt auch Druck, selbst zu einer Veränderung ihrer Situation beizutragen. Hervorragend sei die Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle und dem Tagesaufenthalt der Diakonie, die etwa die postalische Meldeadresse für Wohnungslose übernehme.
Wie sehen Anlieger die Situation in Weidenau?
Einige Kandidaten hätten sich bis mittags durchaus schon die dritte Flasche Alkohol in seinem Laden gekauft, sagt Stefan Haupt, Geschäftsführer des gleichnamigen Edeka-Markts Auf den Hütten. „Wir haben bis 22 Uhr geöffnet, da kommen die zwangsläufig zu uns“, sagt Haupt. Es habe auch schon öfter Diskussionen gegeben, „für meine Kunden und Mitarbeiter ist das nicht immer schön“. Wenn eine solche Gruppe von mehr als zehn Personen geschlossen in den Markt komme, habe er das natürlich nicht so gern, bisher sei aber alles mit rechten Dingen zugegangen. Er habe ja auch Verständnis für die Situation, „irgendwo müssen diese Menschen ja unterkommen.“
Was sagt die Polizei?
„Einsatztechnisch ist der Bereich um den Edeka Haupt kein Schwerpunkt für uns“, sagt Lars Detmer von der Pressestelle der Polizei. Die Kollegen vom Bezirksdienst zeigten Präsenz in der Gegend, und der generellen Problematik sei man sich auch bewusst – aber es gebe weder verstärkte Einsätze noch besondere Hotspots. „Die Trinkerszene versucht ja auch, möglichst in Ruhe gelassen zu werden“, sagt Detmer.