Hilchenbach. . Der Ehemaligenverein löst sich auf. Einmal will er aber noch auf die Pauke hauen. „Im Vergehen blühen“, heißt das geflügelte Wort.
Sie haben es nicht mit den symbolischen Zahlen. So gar nicht. Das Jung-Stilling-Gymnasium beendete seine Existenz am 31. Juli 2008. Elf Jahre nach der 75- und vier Jahre vor der 90-Jahrfeier. Und jetzt der Ehemaligenverein, aus dem Förderverein hervorgegangen, um in der Zukunft an die Vergangenheit zu erinnern: Acht Jahre nach der Schließung der Schule löst er sich auf, vier Jahre vor der 100-Jahr-Feier des Jung-Stilling-Gymnasiums. Ohne Schule auch keine Ehemaligen.
„Wir hätten gern bis zum 100-Jährigen durchgehalten“, sagt Regine Stephan, die Vorsitzende des Vereins. Es sollte nicht sein. Einmal wollen sie nun aber noch feiern, am Samstag, 3. September. Auf die Pauke hauen mit ehemaligen Schülern, Lehrern, Eltern und Vertretern der Stadt. „Noch einmal im Vergehen blühen“, sagt Regine Stephan. Sie zitiert den kürzlich verstorbenen Wolfgang Müller, den Generationen seiner Schüler in liebevoller Erinnerung haben, nicht nur wegen dieses Spruchs.
Zu dritt bitten sie vor das Portal des ehemaligen Jung-Stilling-Gymnasiums: Regine Stephan, Tim Lukas Debus — und Friedhelm Brüne, der das Schild vom Eingang der Schule in seiner Garage aufbewahrt. Und fein geputzt noch einmal dorthin mitbringt, wo jetzt der Fuchs, das Motto-Tier der nach dem Hilchenbacher Tierschützer Carl Kraemer benannten Realschule, zu Hause ist.
Friedhelm Brüne
Friedhelm Brüne hat hier unterrichtet, er war stellvertretender Schulleiter, als Dr. Helmut Busch und Georg Sallen das Gymnasium leiteten; die beiden ehemaligen Direktoren sind in den letzten Jahren gestorben. 2007 ist Brüne in Altersteilzeit gegangen, „mit Absicht ein Jahr vorher.“ Den Schlüssel abgeben wollte er nicht, das sollte Friedrich Carmesin allein tun, der die Schule abgewickelt hat. Brünes Schule. Denn „natürlich hier“ hat er auch Abitur gemacht. 1963. Er weiß, wo der Direktor wohnte. Wo nach dem Krieg die Lehrer hausten, nämlich in den Schlafsälen der ehemaligen Seminaristen — angehende Lehrer, die hier ihren Beruf lernten, seit hier 1877 das Lehrerseminar eingezogen war, Vorgänger der „Aufbauschule“, die später „Deutsche Oberschule“ und 1958 endlich „Gymnasium“ wurde. Brüne weiß auch, was aus der über hundert Jahre alten Seminarlinde geworden ist: umgefallen, niedergeschlagen von einem fallenden Baum, der dem letzten amtierenden Schulleiter zu viel Licht aus seinem Büro schluckte.
Das Ende? Friedhelm Brüne nennt mehrere Gründe: die Konkurrenz der neuen Gymnasien in Netphen und Kreuztal. Natürlich auch die Realschule. Vor allem aber das Ende des Aufbauzweigs, weil keine Aussiedlerschüler aus Osteuropa mehr kamen. „Heute wäre man froh über so ein Angebot.“
Regine Stephan
Von der Schulgeschichte übrig geblieben sind ein paar Akten. Und ein Buch. „Leben und Lernen in Hilchenbach“, heißt die Festschrift zum 75-Jährigen. Regine Stephan steht da auf Seite 167. Als Abiturientin der OIa. Oberprima a. Hieß später 13 und heißt heute Q 2. „Das waren sechs Parallelklassen.“ Die Absolventin von einst ist ihrer Schule dankbar. „Ich habe hier wesentliches Kapital für mein Leben empfangen.“
Regine Stephan ist selbst Lehrerin geworden, hat in Dortmund an einer Gesamtschule unterrichtet. Sie nennt die Lehrer, bei denen sie Unterricht hatte. Auch Lothar Grisebach, den Kunsterzieher mit der Verbindung zu den ganz Großen des deutschen Expressionismus. „Ich habe nicht umsonst Kunst und Deutsch studiert.“ Ja, sagt sie, wer in Hilchenbach Abi gemacht hat, habe große Anhänglichkeit an seine Schule gezeigt. Solange es sie gab. Das Ende, lässt sie durchblicken, war vielleicht nicht zu vermeiden. Wohl aber der jetzige Zuschnitt der städtischen Schullandschaft: „Man hat es versäumt, rechtzeitig eine Gesamtschule daraus zu machen.“
Tim Lukas Debus
Tim Lukas Debus ist zu jung. Er gehört zu einem der Jahrgänge, die noch vor der Schließung des Gymnasiums nach und nach an das Stift Keppel überwiesen wurden. „Eine richtige Schule war das nur noch in den ersten drei Jahren. Dabei hatte man uns versprochen, dass wir hier Abi machen könnten.“ Einsam wars am Ende auf dem leeren Schulhof. Aber auch angenehm familiär. Heute ist Tim Lukas Debus Student und für die SPD Ratsmitglied. Da liegt es auf der Hand, dass er sich um den letzten Wunsch der Ehemaligen kümmert: eine kleine Ecke im Stadtmuseum für das ehemalige Gymnasium. „Das ist uns auf jeden Fall ein Anliegen.“ Das Schild wäre das erste Exponat.
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Termin
Das letzte große Ehemaligenfest findet Samstag, 3. September, ab 18 Uhr in der Aula der jetzigen Carl-Kraemer-Realschule statt. Es gibt Musik, Speisen und Getränke, Gelegenheit zum gemeinsamen Erinnern und natürlich Führungen durchs Gebäude. Mitfeiern kann jeder. Anmeldung ist erwünscht: jsg-freunde@online.de.