Siegen. . Zweiter Prozesstag gegen einen 47-jährigen Mann, der in Achenbach seinen Mitbewohner mit einem Messer tödlich verletzt haben soll.

  • Täter und Opfer arbeiteten zusammen auf Baustellen in Siegen
  • Wohnsituation soll der Auslöser für den tödlichen Streit gewesen sein
  • Angeklagter flüchtete in Panik vom Tatort, bevor die Polizei ihn festnahm

Im schwarzen Hemd, schwarzer Jeans, grauem Dreitagebart und von zwei Justizbeamten begleitet betritt Antanas Z. Saal 165 im Landgericht Siegen. Der 47-Jährige, der am 14. Januar in einer Wohnung in Achenbach seinen Mitbewohner im Streit erstochen haben soll, sagt aus.

Die Hintergründe

Vor rund einem Jahr ist der gebürtige Lette nach Deutschland gekommen. Als Fliesenleger war er zunächst bei einer Freundin in Bremen untergekommen, später dann arbeitete er als Subunternehmer auf Baustellen rund um Siegen. Gemeinsam mit seinem Opfer, der als Maler ebenfalls Anschluss an die Baustellen gesucht hatte. „Zwischendurch ist er immer mal wieder zurück nach Lettland gefahren, um ein Haus, das er von seinen Eltern bekommen hat, zu renovieren“, erzählt der Angeklagte.

Beide ziehen in die kleine Wohnung in Achenbach. Allerdings: immer wieder bringt das Opfer Freunde oder Angestellte aus Lettland mit, die gemeinsam dort leben sollen. Den 47 Jahre alten Angeklagten stört die Wohnsituation. Er sucht das Gespräch mit seinem Mitbewohner: „Wir haben dann be­schlossen, dass wir hier allein bleiben werden.“ Doch das ändert sich: Rund eine Woche vor dem tödlichen Messerstich habe sein Opfer einen Angestellten aus Lettland mitgebracht. Beide wollten, dass der Fliesenleger auszieht. Es kommt zum Streit.

Die Attacke

Alle drei hatten zu Abend gegessen. Der Angestellte sei dann in den Nebenraum gegangen. Opfer und Täter streiten in der Küche weiter. Zunächst über die Wohnsituation, später auch um Geld, trinken dabei Whisky und Rum. „Du bist ein undankbares Schwein. Ich vernichte dich“, übersetzt die Dolmetscherin die Aussage des Angeklagten. Das Opfer sei plötzlich aufgesprungen, hätte ihn am Hals gepackt und gewürgt. „Dann sind wir gegen die Wand in der Küche gefallen, mir wurde schwarz vor Augen.“ Antanas Z. ist vollkommen ruhig. Steht nur kurz auf, um den Würgegriff zu demonstrieren, packt sich selbst mit beiden Händen am Hals. Dann setzt er sich wieder. Mit stoischer Gelassenheit. „Als ich an der Wand war, griff ich nach einer Flasche auf dem Tisch, aber ich hab’ sie nicht erwischt. Dann hab ich das Messer in der Hand gehabt – und zugestochen.“ Der Angeklagte wirkt bei seiner Aussage apathisch. Gestikuliert zwischendurch nur kurz mit den Händen.

Das Opfer habe sofort von ihm abgelassen, taumelt nach hinten, fällt auf den Küchentisch. Der kracht unter dem etwa 120 Kilo schweren Maler zusammen. Regungslos bleibt er liegen. „Ich bin auf ihn zu, um den Puls zu fühlen.“ Wo er sein Opfer treffen wollte, will Richterin Elfriede Dreisbach wissen. „An der Schulter, aber eigentlich weiß ich es nicht mehr.“ Ohnehin sei der Tattag „sehr belastend“ für ihn gewesen, schildert der 47-Jährige.

Auf dem Boden kauernd bemerkt er, dass der Angestellte mit einem Hocker auf ihn losgeht. Der mutmaßliche Täter kann die Attacke abwehren. Beide rangeln im Flur und im Bad. Bis der junge Mann vom Fliesenleger ablässt. „Ich wollte nochmal den Puls fühlen, aber meine Hände haben so gezittert, dass das nicht möglich war.“ Er ruft eine Bekannte an, die ihnen helfen soll.

Die Flucht

Antanas Z. gerät in Panik, flüchtet vom Tatort. Zunächst in einen kleinen Laden, dann in eine Tankstelle – er wirft das Messer in einen Vorgarten. „Irgendwann hab ich mich beruhigt und verstanden, was passiert ist. Dann wurde mir klar, dass im Haus der Arzt und die Polizei warten“, berichtet er und starrt mit leerem Blick auf die blaue Mappe vor sich. Auf dem Weg zurück zum Tatort greift ihn die Polizei auf. Ein Arzt nimmt ihm Blut ab – 1,45 Promille. Am nächsten Tag wird er dem Haftrichter vorgeführt.

Die Fragen

Der Mitbewohner soll die Tat anders gesehen haben, hält ihm die Richterin vor. Warum, könne sich der Fliesenleger nicht erklären. Gerhard Lunkmoss, sein Verteidiger, versteht die Mietsituation nicht. „Warum ist der Mietvertrag nicht auf Sie gelaufen?“, fragt er seinen Mandanten. Weil das Opfer in Deutschland gemeldet werden wollte und er selbst zu dem Zeitpunkt noch in Bremen eine Wohnung hatte. In zwei Wochen wird der Prozess fortgesetzt – mit der Aussage des Zeugen.