Allenbach. . Vor 25 Jahren haben Schüler und Lehrer des Gymnasiums Stift Keppel eine Viehweide in einen Schulgarten verwandelt. Nächste Woche wird gefeiert.

Zwei Umweltkoffer, vier Flaschen destilliertes Wasser, Gummistiefel. Dritte Stunde, Differenzierungskurs Biologie/Chemie in der Jahrgangsstufe 9, Gymnasium Stift Keppel. Es geht in den Schulgarten. Am ehemaligen Forellenteich vorbei, den der frühere Hausmeister des Stifts angelegt hat und in dem jetzt Kois schwimmen. Unter der Bahnbrücke hindurch. Und dann nach links. Bio- und Chemielehrer Horst Girod hat den Schlüssel.

1988 haben sie hier den Teich angelegt. Das Schilf, das neuerdings auch das Ufer des Oberbachs säumt, hat Girod aus dem Littfelder Grubengelände geholt. Im Teich wohnen alle vier deutschen Molcharten: Berg-, Faden-, Teich- und der seltene Kammmolch. Als der Landwirt die Fläche drumrum nicht weiter bewirtschaften wollte, verpachtete das Stift das Gelände nicht mehr. 1991, in einer Projektwoche, wurde auf 8000 Quadratmetern der Schulgarten angelegt.

Achtung! Bremse!

Die erste Schülergruppe stoppt. Horst Girod empfiehlt den Wiesenameisenhügel, um die erste Erdprobe zu nehmen. „Den bauen die hinterher wieder zu.“ Die Lösung für die Analyse verdünnen, das Ganze schütteln, filtrieren, messen. Zu ermitteln ist der Nitratgehalt des Bodens. „Achtung! Bremse!“, warnt eine Schülerin. Nicht zu letzten Mal.

Hier fliegt viel, und hier wächst viel. Margeriten in großer Zahl, der Wiesenwachtelweizen — „den kannte ich vorher nur aus dem Hauberg“. Und, unübersehbar, das gefleckte Knabenkraut, die Orchidee des Schulgartens. Honiggrasmücke und Kleiber sind hier zu Hause, „einen Neuntöter hatten wir auch schon mal gehabt.“ Und da unten am Bach, „da sitzt ein Gartenrotschwanz. Eine Seltenheit.“

Die zweite Gruppe nimmt oben an der Schlehenhecke ihre Probe. Nitrat, Nitrit, Ammonium und Phosphat stehen auch hier auf dem Untersuchungsprogramm. Die vier werden andere Werte ermitteln als ihre Mitschüler. Das Messergebnis, erklärt Girod, „zeigt im Grunde das, was uns die Pflanzen auch gesagt haben“: Unten, in den feuchten Wiesen, wachsen Brennnessel und Giersch. Oben am Hang gedeiht, was den nährstoffarmen, sauren Boden verträgt. Auch Apfelbäume. Der Kaiser-Wilhelm-Apfel zum Beispiel. „Der läuft in Grund als Stift-Keppel-Renette.“ Bei Pflaumen und Birnen ist die Ausbeute durchwachsen. „Obstbäume brauchen eben doch ein bisschen mehr Nährstoffe“, sagt Girod, „wenn wir hier gedüngt hätten, sähe das anders aus.“ Der Lohn ist der Artenreichtum des Magerrasens. Der Schulgarten ist pflegeleicht. Einmal im Jahr in den Herbstferien, wird gemäht – da helfen dann auch gern ehemalige Abiturienten mit. Das Jahr über wird sonst bloß ein Wiesenstreifen als Weg freigehalten. Das war am Anfang ander, als 80 Schüler und vier Lehrer die Sitzgruppe für den Unterricht im Garten anlegten, den Besenginster rodeten und den Zaun bauten.

„NH4 ist Ammonium, oder?“, fragt ein Schüler. Im Becher ist eine erdfarbene Lösung. Keineswegs das erwartete farblose Filtrat. „Nun ja“, sagt der Lehrer, ist aber nicht weiter böse. Eine Hummel lässt sich blicken, fliegt in einen der vier Hummelkästen hinein und bald wieder heraus. Hummelnester findet man selten. Wenn sie leer sind, kommen sie im Winter in die Sammlung der Schule. „Wespennester bringen die Schüler von zu Hause mit.“ Am Wegrand stehen Sockel für Schrifttafeln: Der Lehrpfad ist das Projekt der Q 1, statt der obligatorischen Facharbeit. Die Tafeln vermitteln, QR-Code-gestützt, Einführungen in die Fettwiese und den Teich, die Magerwiese, die Obstwiese, den Feldgehölzstreifen, wo Rotkehlchen und Mönchsgrasmücke zu Hause sind, Maiglöckchen und Buschwindröschen. Der Garten begleitet die Keppeler durch die ganze Schulzeit. „Die 8er sind fast immer hier draußen“, sagt Horst Girod. Die Schüler, so formuliert er das Lernziel, „bekommen ein Gefühl für das, was sein kann, und für das, was ist.“ Draußen in der Natur außerhalb des Schulgartens.

Der Gong ist weit weg

Das Ergebnis ist aus- und umgerechnet. 10 Gramm Nitrat pro Kubikmeter Erde. „Das ist nicht viel“, stellt Horst Girod fest. Würde hier ein Landwirt mit Gülle düngen, kämen gut 100 Gramm zusammen. Eine Bergeidechse windet sich durch einen kleinen Holzstapel. Girod macht auf die Kleine Bibernelle aufmerksam, die im Juli weiß blühen wird, und die Schlehe, die „fürchterlich sauer“ schmeckt. „Ich wette, es regnet gleich“, warnt jemand. Die Doppelstunde ist sowieso fast vorbei, Auch wenn der Schulgong unhörbar weit weg ist. Horst Girod hat den Schlüssel. Eine Weile noch wird er seine Klassen in den Garten führen, der 2013 sogar mit dem Naturschutzpreis der Bezirksregierung ausgezeichnet wurde. Im Januar 2018 geht Girod in Pension.

Dienstag ist Gartenfest 

Mit einem Gartenfest werden am Dienstag, 5. Juli, 13 bis 17 Uhr, die 25 Jahre Naturlehrgarten gefeiert. Vorgestellt wird auch der interaktive Lehrpfad, den Schüler der Q 1 erarbeitet haben. QR-Codes führen zu Texten, Bildern und Videos. Horst Girod bietet Führungen an.

Marlies Obier und Thomas Vehoff lesen um 17 Uhr Texte von Bettine Brentano und Goethe: „In freier Luft kann ich alles denken.“