Geisweid. . Im Wenscht sollten Flüchtlinge einziehen – die dann nie kamen. Die Ehrenamtlichen machten trotzdem weiter, für ihren Stadtteil, für mehr gute Nachbarschaft

Die Wände haben sie gestrichen und alles geputzt, Gardinen gewaschen; die Männer haben Möbel in den Keller geschleppt und eine Frau hat Tischdecken genäht. Alles sollte hübsch und sauber sein für die neuen Bewohner des Wenscht.

Und dann ist keiner eingezogen.

Die alte Albert-Schweitzer-Schule, oben auf dem Hügel, war fertig. Die Klassenzimmer für Familien mit den provisorischen Wänden, die Begegnungsstätte im Untergeschoss; Helfer waren rekrutiert, die Ehrenamtlichen eingeteilt.

Dann schloss die EU ihre Außengrenzen, der Flüchtlingsstrom versiegte, und die Gemeinschaftsunterkunft im Wenscht war plötzlich nicht mehr nötig. „Wir sind gut eingerichtet, uns fehlen nur noch die Leute“, sagt Pfarrer Dr. Martin Klein, Kirchengemeinde Klafeld.

Kurz vor der Neueröffnung sitzen Martin Klein, Jutta Mühlnickel und Katja Mohn vor der alten Tafel, früher haben hier Schüler Matheaufgaben gelöst und sich die Finger mit Kreide beschmiert. Heute steht da „Herzlich Willkommen“.

Bedarf an Begegnungen ist da

Was tun, wenn keine Flüchtlinge da sind, um die sich die Flüchtlingshelfer kümmern, die sie versorgen, denen sie helfen können? Die Brocken wieder hinzuschmeißen kam nicht in Frage.

Sie machten weiter. 40 Ehrenamtliche waren rekrutiert worden, von sind 40 noch da. Wie geplant hatte das Café den Betrieb aufgenommen. Statt Flüchtlinge hatten sie alle eingeladen, die im Wenscht wohnen. „Hier leben ja viele unterschiedliche Leute“, sagt Martin Klein, „Albaner, Syrer...“. Beim ersten Mal kamen sie auch, etwa 20 – und dann niemand mehr. Ein paar Wochen lang hat es das örtliche Ehrenamtsnetzwerk aus Kirchengemeinden, Siedlergemeinschaft und Privatleuten probiert, weiter Werbung gemacht – ohne Erfolg. Sie kamen zu dem Schluss: Das macht nur Sinn, wenn es ein relevantes Angebot gibt; etwas, das die Menschen hinzieht zur Alten Schule. Nur ein Treffpunkt – das reicht wohl leider nicht.

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Warum nicht, können sie sich auch nicht so richtig erklären. „Wichtig ist“, sagt Jutta Mühlnickel, „die Leute anzusprechen. Wenn ich allein in einem fremden Land wäre, würde ich ja vielleicht auch nicht einfach so losgehen.“

Einmal im Monat wird nun eine Mitarbeiterin des Vereins für soziale Arbeit und Kultur vor Ort sein und Beratung anbieten, für alle Lebenslagen, zusätzlich gibt es Kaffee und Begegnungen. Dolmetscher haben sie auch rekrutiert, es ist an alles gedacht.

Sport verbindet

Dass die alte Schule nicht von Flüchtlingen bewohnt ist, heißt ja nicht, dass nicht Bedarf besteht an einem Begegnungszentrum, einem Stadtteilzentrum, einem Ort, an dem sich Zugezogene und Alteingesessene, Siegerländer, Syrer und Albaner treffen können; wo man redet über den Stadtteil und seine Probleme oder wo man einfach nur mal Fußball spielt. Davon sind Martin Klein, Katja Mohn, Jutta Mühlnickel und all die anderen fest überzeugt. Der Turnverein hat schon angekündigt, sich einzubringen und will mit Spielgeräten kommen. Wenn keiner keinen kennt – Sport hilft immer.

„Ich glaube, dass die Menschen nicht allein in ihren Wohnungen sitzen wollen“, sagt Katja Mohn, die Lehrerin ist und in ihrer Klasse auch junge Flüchtlinge unterrichtet. „Die haben in ihrem kurzen Leben schon so viel mitgemacht, die müssen raus, unter Leute“, findet sie und sagt dass sie froh wäre, wenn sie in einem fremden Land an die Hand genommen würde und ihr alles, was sie nicht kennt und versteht, ein wenig nähergebracht würde.

Der Kollateralnutzen guter Nachbarn

Das Café, wenn es gut läuft, soll nur die Ausgangsbasis sein. Der Stadtteil hat so seine Tradition, sagt Martin Klein: Der Wenscht entstand in den 50er Jahren, viele Vertriebene siedelten sich nach dem Zweiten Weltkrieg hier an, viele Arbeitssuchende, die in den Stahlwerken in Lohn und Brot kamen.

Lauter Fremde an einem Ort, für alle gleich fremd. Man traf sich, man half sich, diese gute Nachbarschaft soll erhalten bleiben im Wenscht. „Als Pastor habe ich auch gute biblische Gründe“, sagt Martin Klein, „Du sollst den Fremden lieben wie dich selbst, nicht nur deinen Nächsten.“

Außerdem, sagt Katja Mohn und lächelt verhalten, sind sie ein bisschen stur, die Bewohner des Wenscht. „Und sie geben nicht so schnell auf“, ergänzt Jutta Mühlnickel. Für die Integration generell, wirft Martin Klein ein, brauche es halt langen Atem und viel Geduld.

Ein bisschen träumen

Wenn sie ein wenig träumen sollten, dann gehen in ein paar Jahren in der alten Albert-Schweitzer-Schule die Menschen ein und aus, die Nachbarn schwatzen, die Kinder toben draußen an den Turngeräten und im Sommer werden Feste gefeiert.

Das alles wegen eines Begegnungscafés mit Beratungsangebot. Und warum eigentlich nicht?! Außerdem nähern sich die „alten“ Wenscht-Bewohner durch das gemeinsame Engagement einander an, jetzt schon. Martin Klein hat ein schönes Wort dafür: „Kollateralnutzen“.

Das „Café International“ wird Freitag, 3. Juni, 17 Uhr, eröffnet, von da an jeden ersten Freitag im Monat.

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