Siegen. . Weihnachten und Ostern sind klar – aber warum genau feiern die Christen Pfingsten? Ein Interview mit Superintendent Peter-Thomas Stuberg.
Pfingsten bedeutet – natürlich – Kultur Pur. Das allein, der ein oder andere mag es bedauern, wäre der Kirche aber keine eigenen Feiertage wert gewesen. Der Heilige Geist schon. Ein Gespräch mit Peter-Thomas Stuberg, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Siegen.
Gott ist klar, Jesus ist klar. Beim Heiligen Geist wird es komplizierter....
Peter-Thomas Stuberg: Pfingsten ist tatsächlich eines der abstraktesten Feste des Christentums. Der Heilige Geist ist die Vergegenwärtigung Gottes in der Welt – auch in der heutigen Zeit. Es geht darum, dass ich Gott durch diese Kraft, mit der er sich vergegenwärtigt, für mich persönlich erkenne; dass mir einleuchtet, dass es Gott gibt.
Erleuchtung?
Ja. Pfingsten ist Erleuchtung.
Also irgendwas irgendwo und irgendwie erkennen? Das ist in der Tat abstrakt.
Man kann den Heiligen Geist nicht beschreiben. Es ist wie mit der Sonne: Sie können nicht direkt in Sonne schauen, sie nicht sehen – es sei denn, mit irgendwelcher besonderen Technik. Aber Sie sehen ihre Strahlen und ihre Wirkung auf der Erde, etwa, wenn die Pflanzen blühen. Der Heilige Geist hat auch mit dem Schöpfungsatem zu tun. Und man merkt ihn zwischenmenschlich.
Wie im Neuen Testament beschrieben? 49 Tage nach Ostern erscheinen Aposteln und Jüngern Feuerzungen – und auf einmal können sie sich über jede Sprachbarriere hinweg verständigen?
Menschen verschiedener Sprachen kamen in Jerusalem zusammen. Und plötzlich merken sie, dass sie einander verstehen, durch eine Sprache des Herzens: Wir erkennen uns als Gleiche, als Verbundene. Es ist ein Verstehen auf höherer Ebene. Was das betrifft, ist Pfingsten gerade heute in unserer Gesellschaft sehr wichtig: Es geht darum, wo wir uns als Menschen mit anderen verbunden fühlen – nicht um das, was uns trennt.
Verstanden: Es geht, säkular ausgedrückt, um eine allgegenwärtige und Frieden stiftende Energie. Wie erklärt das Christentum denn, dass sie bei so vielen Menschen nicht wirkt? Die Welt ist voll von Gewalt.
Ja, und Jesus wurde Opfer dieser Gewalt. Gott ist darauf angewiesen, dass die Menschen sich für den Heiligen Geist öffnen. In der Taufe nehmen wir ihn an, es ist die Ausgießung des Heiligen Geistes auf den Einzelnen. Er ist da, er ist überall – aber erst mit der Öffnung haben wir teil, als würden wir vom Schatten in die Sonne treten. Und selbst da, wo Hass und Gewalt herrschen, gibt es Gesten der Versöhnung.
Wie kann die Öffnung gelingen?
Ich glaube, die Sehnsucht nach einer besseren Welt besteht in vielen Menschen – ebenso die Überzeugung, dass diese Welt der Konflikte und des knallharten Wettbewerbs nicht das letzte Wort sein kann. Daher auch die Bitte des Pfingstgebets: „Komm, Heiliger Geist“. Wir haben diese Bitte genuin in uns angelegt – die Bitte, dass ein Leben in Frieden gelingt.
Wir haben diesem Verständnis nach also Antennen dafür?
... oder eine Art innere Steckverbindung.
Bei Extremisten – welcher Art auch immer – landet man damit nicht.
Fanatismus verschließt sich, Fundamentalismus auch. Ich kann nur werben für die Erfahrung, die ich selbst gemacht habe, und versuchen, andere dafür zu gewinnen. Aber im 21. Jahrhundert kann ich mich nicht hinstellen und sagen: ,Ich habe objektiv Recht’. Als Kirche sind wir in einem Einladungsmodus.
Gibt es aktuellere Beispiele? Die Sache aus dem Neuen Testament ist ja schon länger her.
Nehmen Sie eine Figur wie Dr. Martin Luther King. Seine Rede – „I have a dream“ – hat Weltgeschichte geschrieben, sie wirkt bis heute nach. Er hatte diesen Traum, er sprach davon: Das elektrisiert. Ich glaube, selbst gröbste Grobiane waren berührt. Da stand ein Mensch, der durch seine Worte hindurch sichtbar wird, und der durch seine Glaubens-Erfahrungen geprägt ist. Für mich war das eine Sternstunde des Heiligen Geistes.
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Mit Peter-Thomas Stuberg sprach Florian Adam.
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