Siegen. . Sitzende Tätigkeiten stehen im Co-Working Space laufend auf dem Prüfstand: Wer sich hier einmietet, kann sogar während der PC-Arbeit Sport treiben.

Auf dauerhaftes Sitzen steht Michael Herbst gar nicht. Wenn der Geschäftsführer der Siegener Nevio Healthcare GmbH am Computer arbeitet, legt er dank eines Laufbands unter dem Stehtisch den ein oder anderen Spaziergang ein, so nebenbei. „Sitzen ist das neue Rauchen“, zitiert er einen in seiner Branche kursierenden Spruch.

Laufend neue Kontakte knüpfen

Im Co-Working Space in der Oberstadt kombiniert seine Firma zwei relativ neue Konzepte: Die Integration von Bewegung in den Arbeitsalltag – und die Möglichkeit, voll ausgestattete Büroarbeitsplätze für Stunden, Tage oder Monate zu mieten. Die Räume in der ersten Etage des Geschäftshauses Markt 3-5 wirken, zumindest unmittelbar im Eingangsbereich, auf den ersten Blick wie ein Fitnessstudio mit Büromöbeln. Nun gut: Auf den zweiten Blick auch. „Mit Absicht“, wie der Chef versichert. Tradierte Vorstellungen, wie Büros und die Abläufe dort auszusehen haben, laufen hier ins Leere.

Und das in mehr als einer Hinsicht. „Das Prinzip Co-Working ist Vielen noch nicht geläufig“, sagt Herbst. In Metropolen sei es bereits verbreitet, aber im Siegerland sei es der erste Co-Working Space. „Wir sind Siegener Leute“, erläutert Herbst. „Wir glauben, dass Siegen das braucht, und dass es gerade für die Oberstadt eine gute Idee ist.“

Das Angebot richtet sich an Selbstständige, Pendler, Projektgruppen, Start-ups und Home-Office-Nutzer. Letzteren ermögliche es, „das Arbeiten vom Privaten zu trennen“. Wer seinen täglichen Job in den eigenen vier Wänden erledigt, sieht sich nämlich – je nach Typ – mit zwei großen Risiken konfrontiert: Der permanenten Ablenkung durch heimische Annehmlichkeiten oder Herausforderungen einerseits; und der Gefahr des Nie-Abschaltens, weil das Büro auch am Feierabend nur zwei Meter entfernt ist, andererseits. Und besonders gesellig ist das Alleine-vor-sich-hin-schaffen natürlich auch nicht.

Der Co-Working Space bietet mehr als zehn Personen Platz. Es gibt ein Großraumbüro, einen Konferenzraum, eine Lounge und Séparées. Einzelkämpfer können sich hinter verschlossene Türen zurückziehen, insgesamt steht aber der Gedanke einer Gemeinschaft im Vordergrund. „Selbstständige sind oft darauf angewiesen, dass sie Dienstleistungen einkaufen müssen“, führt Michael Herbst aus. In den gemieteten Räumen stoßen Vertreter verschiedener Branchen ganz natürlich aufeinander, lernen einander kennen, können sich gegenseitig unterstützen. „Networking“ ist der neudeutsche Begriff.

Vernetzung stärken

„Wir haben in Siegen wirklich gute Unternehmen“, betont Herbst. „Wir wollen die Vernetzung weiter forcieren.“ Eine große Pinnwand gewährt deshalb Übersicht, wer wann in den Räumen ist, so dass Nutzer sich gezielt für Tage einmieten können, deren Belegung ihren Bedürfnissen entspricht. Sucht ein Jungunternehmer beispielsweise einen Mediengestalter oder Steuerberater, kann er ihn hier im Idealfall zwanglos kennenlernen – quasi über den Schreibtisch hinweg.

Das „Aktivmobilar“ steht allen Anwesenden zur Verfügung. Alle Tische sind höhenverstellbar bis zum Stehtisch, wer will, kann ein flexibles Laufband darunter schieben und sich während der PC-Nutzung die Beine vertreten. Als Sitzgelegenheiten stehen ergonomische Stühle und Sitzbälle bereit. Zusätzlich können Mieter gegen geringen Aufpreis die größeren Fitnessgeräte verwenden oder sogar einen Trainer kommen lassen.

„Wir bauen Bewegung in den Alltag ein“, sagt Herbst. Sport am Abend, das hätten Studien bewiesen, könnten die negativen Effekte von zu wenig Bewegung während des Tages nur zu einem sehr geringen Teil kompensieren. „Dieses Denken ,Büroarbeit heißt sitzen’ – das wird sich erledigen.“

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