Kreuztal. .
Die seit 1990 in Kreuztal bestehende Beratungsstelle „Für Mädchen in Not“ steht vor einem Trägerwechsel. Die bisherige Vorsitzende und Gründerin des Trägervereins „Ifpake“ Dr. Verena Lüttel tritt zum Jahresende von ihren bisherigen Funktionen zurück. Der Siegener Verein „Alternative Lebensräume für Frauen“(ALF) übernimmt ab 2016 die Aufgaben.
Die Anfänge
Vor 25 Jahren entstand aus der Einsicht in die Notwendigkeit einer solchen Beratungsstelle das Büro mit Unterstützung der damaligen Kreuztaler Gleichstellungsbeauftragten Ursula Sprengelmeier. Den Trägerverein Ifpake gab es da schon einige Jahre – entstanden aus einer Selbsthilfegruppe von Frauen, die sexuell missbraucht worden waren.
Kreuztal galt als idealer Standort, weil die meisten Betroffenen aus Siegen kamen und daher die in der Entfernung zum Oberzentrum begründete Diskretion zu schätzen wussten, die die zweitgrößte Stadt im Kreisgebiet zu bieten hatte. Allerdings war die Standortauswahl nicht maßgeblich für die regionale Zuständigkeit, der Einzugsbereich umfasste nach und nach den ganzen Kreis Siegen-Wittgenstein, teilweise auch die benachbarten Kreise Altenkirchen und Olpe.
In einem Büro im früheren Provinzialgebäude an der Marburger Straße waren die Anfänge der „Mädchen in Not“, bevor der Umzug in das Otto(Henkel)-Hochhaus in Buschhütten folgte. Seit einigen Jahren sind die Mitarbeiterinnen in Räumen des Tanzclubs Casino in der Moltkestraße ansässig, wo sie nach Auskunft von ALF-Geschäftsführerin Sonja Becker auch bleiben werden.
Die Finanzen
Finanziert wird die Beratungsstelle aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen, aber auch aus Zuschüssen, die die Stadt Kreuztal und der Kreis Siegen-Wittgenstein alljährlich gewähren. Vor allem gegen Jahresende überreichen Vereine, Verbände, Firmen und Privatleute Erlöse aus Wohltätigkeitsveranstaltungen oder Sammlungen an den Trägerverein.
Trotzdem waren die finanziellen Bedingungen in all den Jahren immer knapp. Die Personalkosten für die angestellten Sozialpädagoginnen oder Psychologinnen aufzutreiben, stellte Dr. Verena Lüttel regelmäßig auf die Probe. Aber letztlich reichte es stets für die Aufrechterhaltung des Büros, das für viele verzweifelte Mädchen und junge Frauen eine wichtige Adresse geworden ist.
Die Klientinnen
Das Altersspektrum der Klientel reicht von vier bis 27 Jahren. Dass unter den rund 100 Fällen, die alljährlich gemeldet werden oder persönlich vorsprechen, auch so junge Kinder sind, liegt an der engen Zusammenarbeit mit Schulen und Kindergärten. Von dort wird bei Auffälligkeiten Alarm gegeben, dem die Beraterinnen unverzüglich nachgehen. Inzwischen reicht das Aufgabenfeld auch – in wenigen Fällen – bis hin zu beabsichtigten Zwangsverheiratungen. So wurde eine Jugendliche auf Initiative der Beratungsstelle von einem auswärtigen Jugendamt in Obhut genommen, wo sie vor etwaigen Nachstellungen geschützt ist.
Sexuellen Missbrauch im sozialen Umfeld oder auch – wie es vielfach geschieht – in der Familie aufzuarbeiten, war und bleibt die größte Herausforderung. Vielfach trauen sich Betroffene erst im Erwachsenenalter, ihre traumatischen Erlebnisse zu offenbaren und Rat zu holen. Aber: „Wir sind nicht die Polizei und auch keine Richter“, macht Dr. Lüttel deutlich. Dennoch sind strafrechtliche Konsequenzen für Missbrauchstäter als Folge der Aufklärungsarbeit nicht die Ausnahme.
Die Zukunft
Dr. Lüttel wird sich aus dem Tagesgeschäft zurückziehen und künftig im Hintergrund wirken. Die Alternativen Lebensräume, die auch Frauen mit Missbrauchs- und Gewalterfahrung betreuen, sind unter anderem auch Träger für Kinderbetreuung geworden. Das Konzept von „Mädchen in Not“ soll weitergeführt werden. Die Beratungsstelle, so ALF-Geschäftsführerin Becker, werde nach wie vor gebraucht und leiste hervorragende Arbeit. Sie wird in Zukunft das breite Aufgabenspektrum des Trägervereins ergänzen.
Neuer Träger hat ein breites Aufgabenspektrum
Ifpake-Gründerin Dr. Verena Lüttel (76) ist gebürtige Schweizerin. Die promovierte Sprachwissenschaftlerin, die an der Universität Zürich lehrte, lebt seit 1976 in Deutschland.
Zum Abschied von Dr. Lüttel ist am Donnerstag ein Empfang vorgesehen, bei dem auch zahlreichen Unterstützern von „Mädchen in Not“ gedankt werden soll.
Der Verein Alternative Lebensräume (ALF), der jetzt die Arbeit der Beratungsstelle übernimmt, betreibt Einrichtungen im Gebiet zwischen Siegen, Bad Berleburg und Olpe – darunter sechs Großtagespflegestellen, zwei Kitas und fünf Ali-Baba-Läden.