Allenbach.

Was Kabarettist Arnulf Rating zu sagen hat, ist wichtig, humorvoll, detailreich und vor allem eines: akut. Wer bei diesem Wörtchen direkt an die Medizin und ihre „Akut Schmerztabletten“ denkt, liegt richtig. Kleine Traubenzuckertütchen mit der Aufschrift „Rating akut“ – so heißt das aktuelle Programm des Kabarettisten — erwarteten das Publikum auf den Stühlen im Konventsaal von Stift Keppel.

Neben den „Tabletten“ durfte natürlich die medizinische Aufsicht nicht fehlen, und so betrat Rating die Bühne mit zwei braun geflochtenen Zöpfen und im langem weißen Krankenkittel.„Schwester Hedwig“ übernimmt die Aufsicht und redet gleich Tacheles: Die Flüchtlingskrise hat auch Hilchenbach erreicht. „Stift Keppel wird umgebaut. Hier sollen Flüchtlinge einziehen“, kündigt die Schwester an. Rating sei noch in der Diskussion mit einem gewissen Guido Greuel, seinerseits Finanzmakler und Partner der Til Schweiger Foundation. Hedwig berichtet, sie habe Greuel mit einer Spritze gerade noch davon abhalten können, den Konventsaal in ein Feldbettenlager umzubauen. Das geht jetzt nämlich noch nicht: Rating hat ja schließlich erst mal noch eine Show mitgebracht. Binnen Sekunden ist der Kabarettist wieder er selbst; Kittel, Zöpfchen und Perücke hat er gegen weißes Hemd, schwarze Hose und rote Lackschuhe getauscht.

Das Taschentuch als Handy-App

Trotz Rollen- und Klamottenwechsel bleibt die große Frage aber bestehen: „Wohin nur mit den ganzen Flüchtlingen?“ „Wie wär’s denn mit den Kirchen oder mit dem Bundestag? Beides ist schließlich immer leer“, sinniert Rating. „Warum kommen sie denn eigentlich gerade zu uns?“ „Naja wir haben die schönsten Autos, die schnellsten Frauen…“ Oder liegt es doch an Angela Merkel? „Sie hat aus dem Vaterland ein Muttiland gemacht“, schwärmt Rating und hisst gleich mal ein Banner: Es zeigt Angela Merkel als Freiheitsstatue, ausgestattet mit Bleistift und (Asyl)-Antrag.

Nach seinem Abstecher in die Politik widmet sich Rating nun seinem Lieblingsmedium: der Zeitung. „Sie ist von besonderer Bedeutung in unserer papierlosen Generation. Heute hat man ja sogar das Taschentuch als App auf dem Handy.“ Danach geht’s ans Eingemachte: Einen ganzen Zeitungsstapel arbeitet er mit dem Publikum ab. Worum es geht? Eigentlich um fast alles. Um Papst Franziskus, um Rücktritte von Ex-VW Chef Winterkorn und Uli Hoeneß („Wie schaffen die es zurückzutreten, wenn sie schon mit dem Rücken an der Wand stehen?“), um den immer noch mit Mängeln versehenen Berliner Flughafen, und, und, und…

„Wir brauchen ein paar Verrückte“

Aber was tun, wenn das doch alles nur die „Lügenpresse“ ist? „Der Begriff ist völlig ungeeignet, wir sollten es eher Rudelpresse nennen“, findet Rating. An Pressefreiheit glaubt er schon lange nicht mehr, spätestens seitdem sein Freund Karl-Heinz Stange aus dem Politikressort in den Gartenteil der Wochenendausgabe versetzt wurde.

Wie soll aber nun das Fazit lauten? „Wir brauchen ein paar wirklich Verrückte“, sagt Rating, „wir wissen ja, wohin uns die Normalen gebracht haben.“ Dass sich just in diesem Moment das Merkel-Freiheitsstatuen-Banner aus seiner Verankerung löst, war wohl nur Zufall.