Netphen. .
Die Stadt Netphen belegt nun auch das Gebäude der ehemaligen Hauptschule Deuz mit Flüchtlingen. Zunächst zwölf Personen ziehen in die ehemalige Hausmeisterwohnung, die zuletzt als Verwaltungsraum diente. „Wir platzen aus allen Nähten“, sagt Bürgermeister Paul Wagener. Ihre erst vor wenigen Wochen gegenüber Anwohnern erneuerte Zusage, das Schulgebäude nicht zur Notunterkunft zu machen, kann die Stadt nicht mehr einhalten — es fehlt an Wohnraum, der auf dem freien Markt angemietet werden könnte.
Beispiel für Willkommenskultur
„Wir haben als Kommunen einen Punkt erreicht, an dem wir aufpassen müssen, dass die Willkommenskultur nicht kippt“, sagt Wagener, „das wird schwierig, wenn das ungebremst so weitergeht.“ Gedrängte Unterbringung schaffe Aggressionen, die sich „rechte Rattenfänger“ zunutze machten. Dass die rechtsradikalen Schmierereien, die am Wochenende den Hainchern die Jubiläums-Festlaune getrübt haben, auch auf diese aktuelle Entwicklung zurückgingen, sei „so fernliegend nicht“.
Ein Beispiel für Willkommenskultur gaben derweil der Herzhausener Arzt Dr. Peter Tremmel und Mitglieder des Arbeitskreises Asyl, als sie jetzt einen Rollstuhl zum Übergangsheim auf der Braas brachten. Seit Januar wird Familie a Pajaziti ehrenamtlich von Silvia Glomski betreut. Die beiden ältesten von fünf Kindern, die 19-jährige Venera und der 14-jährige Valmir, leiden an einer seltenen zerebralen Erkrankung, die zu Lähmungserscheinungen führt. Venera kann nicht mehr gehen, Valmir schafft den Weg zur Schule auf dem Kreuzberg nur, wenn ein Familienmitglied ihn stützt. Die Erkrankung der beiden war der Hauptgrund für die Eltern Pajaziti, sich auf den Weg nach Deutschland zu begeben. Denn im Kosovo gibt es keine Hilfe für ihre Kinder.
Der Vater und Sohn Veton würden gerne arbeiten. Der Vater hat im Kosovo für eine Küchenfirma in der Auslieferung und beim Aufbau gearbeitet, Veton würde gerne im Baugewerbe arbeiten. Valentina hofft, in einem Jahr den Hauptschulabschluss zu schaffen und eine Ausbildung beginnen zu können. Die Erkrankung der beiden Kinder hat zu einem dreijährigen Abschiebeverbot geführt.
Idee: Spendenfonds für Notlagen
Die Aktion soll ein erster Aufschlag sein. Weitere Unterstützungs- und Hilfsprojekte für Flüchtlinge in besonderen Notlagen sind geplant. Hierbei setzen die Beteiligten auf die Zusammenarbeit mit der Stadt Netphen und der Vielzahl der Ehrenamtlichen des Runden Tisches Asyl. „Neben tatkräftiger Hilfe und Sachspenden könnte man auch an die Einrichtung eines Spendenfonds für ähnliche Notlagen denken“, sagte Silvia Glomski.
Im Rathaus wird fieberhaft nach weiteren Notunterkünften gesucht. Aktuell verhandelt wird über eine leer stehende gewerbliche Immobilie in Dreis-Tiefenbach. Das Gebäude könnte dann später einmal zur Apartmentanlage für Studierende umgenutzt werden — wenn einmal keine Flüchtlinge mehr auf der Straße stehen.
Unterkünfte für mehr als 200 Flüchtlinge
Derzeit sind in 11 städtischen Immobilien 162 Asylbewerber untergebracht, fast drei Mal so viel wie vor einem Jahr. Für weitere 52 Personen konnte Wohnraum angemietet werden.
I m Gebäude Albert-Irle-Straße in Deuz sind die Bauarbeiten im Erdgeschoss in vollem Gang. Etwa 20 Personen könnten ab Ende September dort zunächst ihr neues Zuhause finden. Eine Hälfte des städtischen Doppelhauses Berliner Hof in Werthenbach ist bereits mit Flüchtlingen belegt. Die zweite Wohneinheit kann ab November genutzt werden.