Netphen. . Er ist „friedlich und sanftmütig“, er hat „ein lebendiges Wesen und einen sensiblen Charakter“. Annette Kramps könnte das beim Lesen bekannt vorgekommen sein.
Dabei weiß die Rektorin der Grundschule Netphen am besten um den entscheidenden Unterschied. Alan of Golden Kennel ist kein neuer Erstklässler, sondern der künftige Schulhund. Ihr Labradoodle, den die Amtsärztin für das lobt, was man bei Schulkindern nicht so gern sieht. „Ruhig und uninteressiert“ ist er, wenn sich ein fremder Hund nähert, „freundlich und spielbereit“ auf der Wiese mit seinen Kameraden.
Vierbeiniger Motivationskünstler
„Das ist ja ein cooler Hund.“ Die Ersten, die Alan kennenlernen, sind die Kinder, die an der Ferienbetreuung teilnehmen. „Das ist Alan“, stellt ihn Annette Kramps vor, „er hat bald Geburtstag.“ Zwei Jahre alt wird der Rüde, der in seinem Stammbaum den Labrador und den Pudel hat. Für Alan ist Schule nichts Neues. In Eichen geht er einmal in der Woche zur Hundeschule, und im letzten Sommer war er sogar schon Seminarist bei den „Social Dogs for Beginners“. Obwohl da eigentlich nicht nur der Hund auf der Schulbank sitzt, sondern, genauso gefordert, sein Mensch. „Ich wollte einen Familienhund, der auch Schulhund werden kann“, berichtet Annette Kramps, wie die Wahl auf Alan fiel.
Was macht ein Schulhund? Vor allem: Er spiegelt Verhalten. „Es geht um Achtsamkeit“, sagt die Rektorin. Alan zum Beispiel schätzt Ruhe. Er mag den Lärm um sich nicht und zeigt das auch. „Kinder reagieren sofort auf Tiere“, sagt Annette Kramps. Eher als auf ständige Ermahnungen von Erwachsenen. Alan kann „Scheibanlass“ werden, wie das Lehrerinnen so sagen. Die Kinder schreiben ihm zum Beispiel einen Brief, und Alan antwortet, „im Rahmen meiner Möglichkeiten.“ Es gibt auch Schulhunde, die würfeln können. Also den Würfel mit der Nase stupsen. Gut zum Einmaleinsüben. Der Hund als Motivationskünstler, nicht nur für Kinder. Annette Kramps berichtet von Alans Auftauchen im Lehrerzimmer. „Da geht auf einmal ein Lächeln über die Gesichter – der Hund tut einfach gut.“
Auch für die Kinder gelten Regeln
Alans Einschulung in die Menschenschule ist ein lange vorbereiteter Prozess. Alle Schulgremien, Schulaufsicht und Stadt sind gefragt worden. Und dann kam der große Tag im Juni, der „Wesenstest“ bei der Amtstierärztin. Denn die wichtigste Bedingung, die der Schulhund erfüllen muss, ist die unbedingte Friedfertigkeit. Annette Kramps schildert die verschiedenen Szenarien, in denen Alan auf die Probe gestellt wurde. Und ihr eigenes Empfinden: „Schrecklich — schlimmer, als wenn das eigene Kind irgendeine Prüfung macht.“ Alan lässt sich nicht aus der Fassung bringen. Er geht auch nicht auf Angreifer los, weder auf vermeintliche noch auf echte. Karriere als Wachhund wird er nicht machen. Die Lehrerin bleibt im Jargon: Wegen des Poststreiks habe sie das Zeugnis selbst abgeholt, „dann hatte ich Elternsprechtag mit der Tierärztin.“
Alan wird nicht ständiger, aber gern gesehener Gast an der Schule in Nieder- und Obernetphen sein, bestimmt irgendwann auch das Schulmaskottchen. Langsam wird er sich an Kindergruppen und ganze Klassen gewöhnen. So wie jetzt an die Jungen und Mädchen in der Ferienbetreuung. Auch die müssen ein paar Regeln lernen: den vierbeinigen Mitschüler nicht ständig bei seinem Namen rufen, ihn nicht dauernd anfassen, ihm erst recht nicht durchs krause Kopfhaar wuscheln. „Das mögt ihr ja auch nicht.“
Ein bisschen wird jetzt noch geplaudert über den Gast, der eigens zu seinem ersten Schultag eine Fellwäsche über sich ergehen ließ. Über die Pferdeäpfel, die er gern isst. Nein, nicht aus der Obstschale, „das, was hinten rauskommt“, räumt Annette Kramps das soeben entstandene Missverständnis aus. Alan ist ein genügsamer Hund, auch wenn er seine Herrin dazu gebracht hat, aufs Cabrio zu verzichten und die Urlaube künftig im Wohnmobil zu verbringen. „Am liebsten würde er jetzt rausgehen und spielen.“ Man ahnt: Schulhund und Schulkinder werden sich schnell einig. So. Jetzt reicht’s aber für den ersten Schultag. Alan sagt Tschüss. Richtig: Er kann den High Five.