Siegen.. Prof. Jürgen Steinbrecher von der Universität Siegen lehrt unter anderem im Bereich „Regionale Verkehrsplanung“. Der Verkehrswissenschaftler hat den Zustand der Landesstraßen in Südwestfalen analysiert.
Prof. Jürgen Steinbrecher von der Universität Siegen lehrt unter anderem im Bereich „Regionale Verkehrsplanung“. Der Verkehrswissenschaftler hat den Zustand der Landesstraßen in Südwestfalen analysiert.
Haben wir in Südwestfalen eine Ansammlung von Schlagloch-Pisten?
Jürgen Steinbrecher: Ganz sachlich betrachtet, ergibt sich seit Jahren das Bild, dass der Zustand der Straßen schlecht ist. Bei den letzten Auswertungen der regelmäßig vom Land in Auftrag gegebenen Befahrungen auf Landesstraßen – dort werden von Fahrzeugen mit Messgeräten unter anderem Spurrinnentiefen und Unebenheiten erfasst – waren die Werte für Südwestfalen immer schlechter als der NRW-Durchschnitt.
Werden ländliche Regionen bei Straßenbauprojekten in NRW benachteiligt?
Das war über viele Jahre so. Für die Aufstellung einer Prioritätenliste wurde stets das Verkehrsaufkommen als wichtiges Kriterium verwandt. In Südwestfalen ist die Verkehrsdichte natürlich niedriger als in Ballungsräumen. Das Vorgehen hat sich allerdings in den letzten Jahren verändert. Das Ministerium hat den Verteilungsschlüssel unter die Lupe genommen, weil man erkannt hat, dass die heimischen Straßen höheren Belastungen durch Witterungseinflüsse und die Topographie ausgesetzt sind als Verbindungen in flachen Gebieten. Und Verkehrspolitiker sehen inzwischen, dass eine Landesstraße in einem guten Zustand sein muss, wenn sie – wie die Landesstraße zum Rhein-Weser-Turm im Kreis Olpe beispielsweise – die einzige Verbindung zur Autobahn ist.
Welche Rolle spielt das hohe Verkehrsaufkommen durch Lkw im ländlichen Raum?
Eine große. Eine Straßenoberfläche geht nur durch Lkw kaputt. Wenn nur Pkw auf einer Straße fahren, könnte der Straßenaufbau Jahrzehnte halten.
Konzentrierte sich die Verkehrspolitik über viele Jahre auf den Ausbau der Infrastruktur, sprich: den Bau neuer Straßen, und vernachlässigte den Substanzerhalt?
Das ist so. Methodisch und fachlich stehen alle Möglichkeiten für ein effektives Erhaltungsmanagement bereit. Grundsätzlich gilt: Mit notdürftig gestopften Schlaglöchern vermeidet man nicht dauerhafte Straßenschäden, deren Behebung teurer ist. Und der Neubau von Straßen kostet mehr Geld als eine Sanierung zum richtigen Zeitpunkt.
Sie sind beim Thema Geld. Das große Problem in der Verkehrspolitik?
Das ist richtig. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Für Verkehrsprojekte muss Geld bereit gestellt werden. Der Ist-Zustand ist häufig das genaue Gegenteil: Man behilft sich über Monate oder gar Jahre, weil Sanierungsprojekte nicht finanziert werden können. Insbesondere in Kommunen, die ohnehin schon klamm sind. Wenn Instandsetzungsmaßnahmen regelmäßig durchgeführt werden könnten, hätten wir weniger Probleme auf unseren Straßen.
Wie wirken sich Schlaglöcher auf Verkehrsteilnehmer aus?
Es kommt auf das Ausmaß der Schäden an. Schlaglöcher können sich sogar auf die Verkehrssicherheit auswirken. Es verwundert nicht, dass die Unfallbilanz auf Landes- und Kreisstraßen schlechter ist als auf Bundesstraßen. Und hier spielt wieder das Geld eine Rolle: Für Bauprojekte an Bundesstraßen wird mehr investiert als an Landes- und Kreisstraßen.