Netphen. . Der Sohlbacher Weiher könnte verloren gehen — nicht weil die EU das will, sondern weil der Wasserverband ihn nicht mehr braucht.

Die Diskussion wird drei Jahre alt: Damals zog Ulrich Krumm im Auftrag der Unteren Wasserbehörde des Kreises durch die Fachausschüsse und Räte aller Kommunen, durch die Sieg, Eder, Lahn oder deren Nebenflüsse verlaufen. Vorgestellt wurde der Fahrplan, wie die Gewässer so verbessert werden können, dass sie bis 2027 der EU-Wasserrahmenrichtlinie genügen: 1500 Einzelmaßnahmen an 590 Kilometern Strecke in 64 Bach- und Flussläufen („Wasserkörper“). Im Umweltausschuss des Kreistags hat die Kreisverwaltung jetzt auf Anfrage der Grünen-Fraktion berichtet, was daraus geworden ist.

Erfolgskontrolle findet nicht statt

Das Beispiel Netphen: Mit Investitionen in Höhe von 3,5 Millionen Euro ist die Stadt dabei — das kreisweit dickste Investitionspaket, das die vom Kreis koordinierte „Gewässerkooperation“ geschnürt hat. Eine „Pflichtaufgabe“, ließ die Untere Wasserbehörde des Kreises die Kommunalpolitiker wissen. Die zeigten sich wenig begeistert von der Auflistung allein der über 180 Querbauwerke in den Flussbetten, die teilweise unüberwindbare Hindernisse für wandernde Fische sind.

Neben den Kosten wurde auch die Hochwassergefahr angeführt, die mit dem Wegfall der Rückstaumöglichkeiten außerhalb der Ortschaften wachse. Besonders deutlich machten sich nach wiederholten Überschwemmungen die Anlieger des Dreisbachs in Herzhausen Luft. Das Ergebnis: Einstimmig lehnte der Stadtentwicklungsausschuss das Programm ab. Das war am 21. Mai 2012. Das Thema verschwand in der Schublade.

Es zeige sich, dass die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie „in starker Konkurrenz“ zu anderen Aufgaben stehe „und in den politischen Gremien entsprechend kritisch betrachtet wird“, berichtet die Kreisverwaltung jetzt ihrem Umweltausschuss. Rechtlich möglich wäre es, die Maßnahmen anzuordnen — davon werde jedoch, „nicht zuletzt entsprechend einer landesseitigen Weisung“, abgesehen.

Schuldig bleiben muss die Verwaltung Antworten auf Fragen nach bisher erreichten Zielen. Wie viele Vorhaben umgesetzt wurden und wo die Bewirtschaftungsziele noch nicht erreicht wurden, erfahren die Umweltpolitiker nicht. Solche statistischen Angaben würden von der Wasserbehörde nicht erhoben, „aufgrund der anderweitigen Prioritätensetzung bei der Wahrnehmung der Aufgaben“.

Netphen ergreift eigene Initiativen

© Jürgen Schade

Das Beispiel Netphen. „Wir tun was“, betont Rainer Schild, Leiter des Bereichs Tiefbau im Netphener Rathaus. Trotzdem. Bei Gewässerunterhaltungsmaßnahmen und anderen Gelegenheiten werden Wehre zurückgebaut. „Wir haben das immer im Auge.“ Vor allem aber macht das größte Einzelvorhaben des Programms Fortschritte: In den Dreis-Tiefenbacher Siegauen bekommt der Fluss ein neues Bett, zwischen Klärwerk und Telekom entsteht eine Flusslandschaft. Die Planung läuft, „spätestens nächstes Jahr“, so Schild, werde mit dem Bau begonnnen. Die Sieg wird vom Klärwerk weggeschoben, für dessen Erweiterung Platz gewonnen wird. Auch dafür wurde die Planung bereits eingeleitet — und jetzt für eine Weile unterbrochen.

Denn während die Umsetzung des ersten Bewirtschaftungsplans im Nebel der Auen und Wiesen verschwindet, bereitet die Kreisverwaltung einen zweiten Bewirtschaftungsplan vor, um die „Oberflächengewässerverordnung“ des Bundes umzusetzen. Größtes „neues“ Thema darin sind die Mikroschadstoffe in den Gewässern. Und da ist Netphen dabei: Bevor die Kläranlage umgebaut wird, soll untersucht werden, ob sie eine vierte Reinigungsstufe für die Beseitigung von Medikamentenrückständen braucht. „Es wäre dumm, davor die Augen zu verschließen“, sagt Rainer Schild. Zumal es für solche Investitionen — jetzt noch – Zuschüsse gibt. Im Sommer sollen die Proben gezogen werden. Wenn sicher ist, dass Streusalz die Werte nicht mehr verfälscht.

Teil des Netphener 3,5-Millionen-Pakets war übrigens auch der Sohlbacher Weiher: Der „Rückbau“ des Damms hätte den Weiher zu einem Teil der Netphe gemacht. Die Stadt hatte diese Idee von vornherein abgelehnt — auch für den Fall, dass der Rat den Rest des Programms gebilligt hätte. Gut zwei Jahre später, im vorigen Herbst, meldete der Wasserverband allerdings sein Interesse an, den Weiher loszuwerden. Die „Auflassung“ des Weihers würde mit EU-Zuschüssen gefördert.