Siegen-Wittgenstein. . Eine Echse mit verstümmelten Hinterbeinen, ein Kaninchen, mit eitrigen Zähnen oder eine verhungerte Schafherde. Das Kreis-Veterinäramt sieht viele schlimme Fälle.

Das Drama um das Skandal-Gestüt in Elfsen bei Bad Sassendorf, wo 87 Pferde völlig unterernährt und abgemagert gefunden wurden, beschäftigt auch den Amtstierarzt des Kreises Siegen-Wittgenstein, Dr. Wilhelm Pelger. Vier Tiere starben bis gestern an den Folgen des Futterentzugs. „Das kann einen einfach nicht kalt lassen“, sagt Pelger, der in 25 Jahren als Amtsveterinär mit einigen Misshandlungen und Vernachlässigungen von Tieren zu tun hatte.

Z Jedes Jahr geht das Veterinäramt bis zu 400 Anzeigen gegen private Tierhalter nach.
„Meist handelt es sich um Bagatelldelikte. Seltener sind es dramatische Fälle“, so Pelger. Häufig seien die Wohnungen verkommen, den Tieren gehe es aber verhältnismäßig gut. Oder es gebe geringfügige Mängel in der Haltung. Es gibt aber auch immer wieder Extremfälle. „In einer Wohnung lagen einmal zehn tote Reptilien und drei Tote Katzen.“ Die Wohnung sei völlig verwahrlost gewesen. „Sie war so verkotet, dass man kaum die Tür aufbekommen hat.“ Der Halter wurde angezeigt. Er erhielt ein dauerhaftes Verbot für die Haltung von Tieren.

Z Manche Tiere müssen weggenommen werden. Sie kommen dann häufig ins Tierheim. Rund 2000 bis 2500 Tiere nimmt das Tierheim jedes Jahr auf. Ein Teil dieser Tiere wurde vernachlässigt, andere falsch gehalten oder sogar misshandelt. Manche Tiere bekommen das Tierheim vom Kreis Siegen-Wittgenstein überstellt. Dafür gibt es eigens einen Vertrag. Das Tierheim muss für solche Fälle Flächen vorhalten. Tobias Neumann ist Leiter des Siegener Tierheims. Er erinnert sich an Hunde, deren Fell so verfilzt war, dass die Augen nicht mehr zu sehen waren oder an ein Kaninchen, dessen Zähne eitrig und im Zahnfleisch verwachsen waren. Derzeit beheimatet das Tierheim eine Bartagame – eine Echse – im Terrarium. Das Männchen wurde mit einem anderen Männchen gemeinsam gehalten. Bartagamen sind allerdings alles andere als gesellige Tiere und vertragen sich nicht mit Artgenossen. Der Halter hätte das wissen müssen. Das Reptil aus dem Tierheim hat nach Auseinandersetzungen mit dem tierischen Mitbewohner hinten rechts ein verkrüppeltes Bein. Hinten links fehlen mehrere Zehen.

Z Im gewerblichen Bereich der Tierhaltung gibt es besonders schlimme Fälle.
Der womöglich schlimmste Fall aus Siegen-Wittgenstein liegt rund 20 Jahre zurück. Ein Schäfer ließ die Hälfte seiner Herde verhungern. „Der Mann war völlig uneinsichtig“, sagt Veterinär Pelger. Die Tiere wurden ihm dauerhaft weggenommen und ein Verbot für Nutztierhaltung ausgesprochen. „Seine Frau übernahm dann eine kleine Rinderherde“, erinnert sich Pelger. Sie kümmerte sich angemessen um die Tiere.

Immer wieder einmal sei das Kreisveterinäramt mit schlimmen Fällen konfrontiert. Zuletzt vor zwei Jahren, als ein Wittgensteiner Landwirt im Nebenerwerb seine Rinder einfach nicht fütterte. „Wir hatten den Betrieb damals wegen diverser Mängel schon auf dem Schirm.“ Die Zustände im Stall seien aber nicht so beklagenswert gewesen, als dass das Gesetz ein Einschreiten gedeckt hätte. „Wissen wir von solchen Fällen, gehen wir regelmäßig alle zwei bis drei Wochen in den Betrieb.“ Doch selbst dieses engmaschige Kontrollnetz half nicht. Eines Tages waren drei Rinder verhungert, die anderen in einem erbärmlichen Zustand. „Das belastet einen unheimlich“, sagt Pelger. „Man fragt sich, was in den Menschen vorgeht. Der Anblick, wenn man in den Stall kommt, lässt einen normalen Menschen erschaudern.“ Dem Landwirt wurden die Tiere abgenommen – vorübergehend. Er erhielt eine saftige Geldstrafe und harte Auflagen für die Stallungen. „Der Mann zeigte sich sehr reuig und kooperativ“, erinnert sich Pelger. Da er vorher nicht negativ aufgefallen war, erhielt er die Tiere zurück. „Eine Wegnahme kommt einer Enteignung gleich“, erläutert der Amtsveterinär – und der seien gesetzlich sehr hohe Hürden gesetzt. Aus Sicht des Amtstierarztes ist es dennoch eine Art Haltung auf Bewährung: „Wir kontrollieren diesen Landwirt sehr regelmäßig.“