Siegen. . Die Wahl von Wolfgang Cavelius (55) zum Kämmerer und 1. Beigeordneten wirkt nach: Katerstimmung bei Jamaika, Zufriedenheit bei der Opposition.
Die überraschende Wahl von Wolfgang Cavelius (55) zum Kämmerer und 1. Beigeordneten der Stadt Siegen wirkte in den Fraktionen am Tag nach der Ratssitzung nach. Katerstimmung bei Jamaika, Zufriedenheit bei der Opposition.
Das sagt Wolfgang Cavelius
Wolfgang Cavelius war selbst perplex. Unmittelbar nach der Wahl fehlten ihm die Worte, was er dem Bürgermeister auch mitteilte, als er von ihm den obligatorischen Strauß Blumen überreicht bekam. Steffen Mues flüsterte ihm zu: „Mir auch.“
„Ich habe mich vor Bekanntgabe des Ergebnisses an der Tür postiert, um Herrn Schrader zu gratulieren“, sagte Wolfgang Cavelius gestern. Einen Händedruck gab es – die Gratulation nahm aber Cavelius entgegen. Der zurzeit in Saarlouis wohnhafte parteilose 55-Jährige arbeitet als Finanzreferent beim Saarländischen Städte- und Gemeindetag. „Meine Geschäftsführerin kehrt am Montag aus dem Urlaub zurück. Dann werde ich ihr die Nachricht überbringen.“ Dass er wie der im September 2014 als Kämmerer gewählte Dirk Käsbach zurückziehen könnte, schließt Cavelius aus. „Es sei denn, morgen fällt der Himmel herunter.“ Als Dienstbeginn im Siegener Rathaus peile er den 1. April an. Es könne auch 14 Tage später werden, da er seinen alten Arbeitsplatz in geordneten Verhältnissen zurücklassen wolle. Kritik, seine Bewerbung in Siegen sei halbherzig, da er sich auch in Esslingen als Kämmerer beworben habe, weißt Cavelius zurück. „Diese Bewerbung habe ich zurückgezogen, als ich in Siegen nominiert wurde.“
Wie es zur Wahl von Wolfgang Cavelius kam
Das Bündnis aus CDU, Grünen und FDP hat mit 35 Sitzen eine deutliche Mehrheit im Rat.
S PD, Die Linke, UWG und AfD kommen auf 31 Sitze. Hinzu kommt die fraktionslose Brigitte Eger-Kahlheis.
In der geheimen Abstimmung hatte sich Wolfgang Cavelius (34 Stimmen) gegen Jörg-Michael Schrader (30 Stimmen) durchgesetzt. Es gab eine Enthaltung und eine ungültige Stimme. Das AfD-Ratsmitglied Susanne Dreyer nahm nicht an der Sitzung teil.
Das sagt das Jamaika-Bündnis
„Wir haben alle eine Minute gebraucht, um das zu realisieren,“ so der Chef der Mehrheitsfraktion CDU im Rat, Rüdiger Heupel. Er sieht trotz mindestens fünf Abweichlern in Reihen der Koalition keine Erosionserscheinungen. „Gefreut habe ich mich natürlich nicht. Aber so ist Demokratie.“ Er gehe „zu 100 Prozent“ davon aus, dass das Bündnis weiter bestehe. FDP-Fraktionschef Klaus Volker Walter kritisierte die Abweichler. „Sie haben Herrn Schrader menschlich und politisch geschadet. Dieser Dolchstoß von hinten zeugt nicht von hoher Verantwortung.“ Er sei deshalb so erzürnt, weil Schrader sich in jeder Fraktion einzeln und dazu in einer gemeinsamen Sitzung vorgestellt habe. Dabei sei auch über den umstrittenen Plan Schraders, in Freudenberg den Hebesatz für die Grundsteuer auf fast 1000 Prozent zu heben, geredet worden. „Er hat das ausführlich erläutert. Das Signal war schließlich eindeutig: Der ist für uns wählbar.“ Dass es fünf Abweichler gab, mache ihn nachdenklich, so Walter: „Aber es ist müßig zu suchen, wer es war.“ In den Fraktionssitzungen werde der Vorfall in „aller Deutlichkeit“ angesprochen werden müssen. Die Bündnis-Fraktionen würden jetzt sehr bald das Gespräch mit Wolfgang Cavelius suchen.
Das sagt die Opposition
Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei SPD, Detlef Rujanski, nimmt das Wahlergebnis gelassen als eine „demokratische Entscheidung“ wahr. „Ich empfinde überhaupt keine Häme. Für mich zeigt dieses Wahlergebnis, dass Fachlichkeit und Qualifikation auch über politische Lager hinweg überzeugen können“ Der Fraktionschef der Linken, Martin Gräbener, gibt zu „auch ziemlich überrascht von dem Ergebnis“ gewesen zu sein. „Ich hatte gedacht, in einer solch zentralen politischen Personalentscheidung könnte Jamaika seine Reihen schließen.“ Aus Gesprächen mit Mitgliedern der Jamaika-Koalition in jüngerer Vergangenheit will er herausgehört haben, dass es dort eine Unzufriedenheit über den politischen Stil gebe. „Es sind nicht alle einverstanden mit dieser Art durchregieren zu wollen. Es ist nur eine Vermutung, aber vielleicht hat das die Abweichler zu ihrer Entscheidung bewogen.“
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