Siegen. . Die Bombardierung Siegens am 16. Dezember 1944 jährt sich zum 70. Mal. Augenzeugin Helene Wildenberg erinnert sich.

Als die Flugzeuge kommen, beginnt das Grauen. Binnen weniger Minuten werfen die Alliierten rund 53 000 Brand- und mehr als 500 Sprengbomben über Siegen ab.

Die Stadt steht in Flammen. Die Kölner Straße: eine Trümmerlandschaft. Die Löhrstraße: total verwüstet. Kornmarkt, Marburger Straße und Marburger Tor: Schuttberge, kein Durchkommen für die Rettungskräfte. „Es knallte fürchterlich“, beschreibt Helene Wildenberg die Zeit unmittelbar nach den sieben Minuten, die für immer das Bild Siegens verändern.

Der Angriff

Alliierte Flugzeuge greifen die Stadt an. Helene Wildenberg ist auf dem Nachhauseweg, als die Sirenen heulen. In ihre Wohnung im Oberen Schloss – dort lebt sie mit ihren Eltern und ihren beiden Schwestern. Die Mutter schafft es in den Bunker an der Burgstraße. Die Schwestern Friedel und Christel bleiben mit Helene im Schloss. Der Vater arbeitet in der Rinsenau.

Das Schloss brennt

Das Schloss wird durchgeschüttelt, erzählt die damals 30-Jährige. Türen fliegen auf, Fensterscheiben bersten. Als es ruhiger zu werden scheint, rennen die drei in den Schlosshof. Aus der Hausmeisterwohnung quillt dichter Rauch. Eine Brandbombe hat ein Sofa getroffen. Das Möbelstück steht in hellen Flammen. Ein anderes Geschoss hat nicht gezündet: „Friedel nahm die Bombe in die Hand und schmiss sie nach draußen.“ Das Feuer bekommen die drei jungen Frauen schnell in den Griff. Auf dem Flur stehen Spritzen, Feuerpatschen und Sandsäcke. Allerdings brennt die alte Jugendherberge.

Der italienische Generalkonsul löscht das Obere Schloss 

Helene Wildenberg muss jedoch zur Arbeit. „Ich war ja luftschutzdienstverpflichtet“, erzählt sie. Sie ist Sekretärin des Leiters der Schutzpolizei. Die Befehlsstelle der Luftschutzleitung ist aus dem Rathauskeller in den Bunker am Kaisergarten umgezogen. „In Trainingsanzug und Stiefeln bin ich los.“ Der Weg ist alles andere als ungefährlich. „Die Bäckerei Kilian an der Ecke Nordstraße und Friedrichstraße brach zusammen.“ Brennende Balken stürzen auf die Straße. „Es war grauenhaft“, sagt Helene Wildenberg. Eine Frau torkelt in den Bunker: „Mein Mann, meine Kinder“, schreit sie – „es war schrecklich.“ Im Bunker gibt es nicht viel zu befehlen, nur wenig zu koordinieren. Jeder ist mit seinem eigenen Unglück beschäftigt oder schafft es gar nicht erst bis zum Kaisergarten.

Helene Wildenberg läuft zurück Richtung Oberes Schloss. „Der Turm brannte“, sagt die 100-Jährige. Der italienische Generalkonsul dirigiert die Löscharbeiten. Gemeinsam mit weiteren Mitarbeitern des Konsulats, so erzählt es Helene Wildenberg, ist er am Vortag mit Lastwagen aus Köln gekommen. Die Domstadt war immer wieder Ziel alliierter Angriffe. In Siegen soll es ruhiger sein – eigentlich. Die Italiener bilden mit den Wildenbergs und anderen, die im Schloss sind, eine Löschkette. Aus dem Schaubergwerk im Untergeschoss schaffen sie Wasser in Eimern nach oben. „Hätten wir nichts gemacht, das Schloss wäre abgebrannt“, ist sie sich heute sicher.

Sie überlebt den Krieg unverletzt. Aber 348 Menschen fallen der Bombardierung am 16. Dezember 1944 zum Opfer. Darunter sind 290 deutsche Zivilisten, 32 Zwangsarbeiter aus dem Ausland und 26 deutsche Soldaten. 80 Prozent der Innenstadt sind zerstört oder stark beschädigt.

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