Oberhausen. 8.000 Fans haben in Oberhausen die Hollywood Vampires um Johnny Depp beklatscht. Für einige Fans bleibt der Superstar aber nahezu unsichtbar.
Am Ende wirft er seine Plektrum-Plättchen für die Gitarre wie Kamelle in die zum Bühnengraben drängende Fan-Menge. Johnny Depp (60) verschränkt die Arme, winkt hastig. Es wirkt so, als sei dem Hollywood-Megastar der Jubel fast schon unangenehm. Mit sechs erfahrenen Musikern des Rock-Kollektivs Hollywood Vampires hat sich der angesagte Mime gerade in der Arena Oberhausen durch 98 Konzert-Minuten gebissen. Mit Star-Veteranen wie Alice Cooper (75) und Joe Perry (72) von Aerosmith an seiner Seite.
Diese Liga der außergewöhnlichen Rock-Gentleman hat Alice Cooper selbst einmal als teuerste Cover-Band der Welt bezeichnet. Und das trifft es tatsächlich ganz gut. Eine Schnapsidee, die seit 2015 in einer Musik-Gruppe organisiert ist, aber auf gesellige Trinkabende mit Coopers Musiker-Kollegen aus den 1970er-Jahren zurückgeht.
Johnny Depp in Oberhausen: Nach Verletzung - Megastar trägt Beinmanschette
Die Vampire musizieren sich am Dienstag vor 8000 Fans in der zu gut zwei Dritteln gefüllten Oberhausener Arena schnörkellos durch die Musik-Geschichte. Sie nehmen „Baba O’Riley“ von The Who hops, rempeln „Break on through (to the other Side)“ von The Doors an und drehen „The Jack“ von AC/DC auf links. Und Johnny Depp mischt ordentlich mit. Die Schlammschlacht mit Ex-Frau Amber Heard wirkt weit weg.
Wie Captain Jack Sparrow, dem kauzigen Piraten aus dem Kinowelterfolg „Fluch der Karibik“, sieht er dabei nicht gerade aus. Die graue Gitarre ist sauber umgeschnallt. Dazu trägt er eine weiße Wollmütze, Sonnenbrille, schwarzes Hemd, dunkle Hose - und eine im fluoreszierenden Rot leuchtende Beinmanschette.
Johnny Depp in Oberhausen: Hollywood-Schauspieler singt Bowies „Heroes“
Der Megastar hatte sich vor drei Wochen eine hartnäckige Knöchelverletzung zugezogen, musste Konzerte verlegen. In Oberhausen nimmt er sein Handicap aber locker auf die Schippe. Zum Abschluss-Applaus schleicht er beschwert heran und stützt sich mit einem Stock ab. Das Schauspielern kann er einfach nicht lassen.
Den Schreck hat der Mann aus Kentucky längst überstanden. 1984 ließ er sich in Wes Cravens ironischem Horrorschocker „Nightmare on Elm Street“ noch vom scharfkantigen Fiesling Freddy Krueger in unappetitliche Einzelteile zerlegen. Sein Filmtod war nicht umsonst. Mit der Nebenrolle startete Johnny Depps große Hollywood-Karriere. Drei Oscar-Nominierungen folgten.
Im Bandgefüge der Rock-Vampire spielt Johnny Depp allerdings nicht die Hauptrolle. Alice Cooper, der in Oberhausen überraschend seinen Hardrock-Hit „Poison“ unberührt im Giftschrank lässt, schwingt nicht nur optisch den Tambourstab.
Johnny Depp in Oberhausen: Cooler Rock-Gitarrist statt kauziger Film-Pirat
Zwei, drei Mal darf auch Johnny Depp ans Mikrofon, steht bei „My dead drunk Friends“ und der David-Bowie-Hymne „Heroes“ als Solo-Stimme im Rampenlicht. Gefällig.
Wenn Schauspieler plötzlich den inneren Rock-Star in sich wecken und auf Musiker umschulen, dann ist das entweder: Vorhandenes Talent, Teil einer Rolle oder eine fürchterlich schlechte Idee. Bei Johnny Depp geht es gut. Seinen Traum vom Rockstar lebt er schließlich schon seit seiner Jugendzeit. Mit der Anfang des Jahres verstorbenen Gitarren-Legende Jeff Beck nahm er kurz vorher das Album „18“ auf.
Die einzigen knappen Worte, die Depp an die Oberhausener Fans richtet, erinnern an Beck. Dazu reckt er dessen Gitarre in die Luft. Vorne schaffen es Fans einige Stofftiere auf die Bühne zu werfen und ihrem Idol selbst gezeichnete Porträt-Bilder entgegen zu halten. Ein mehrstimmiges „Johnnyyyy“ duelliert sich mit dem einsetzenden Applaus. Im hinteren Bereich des Oberrangs lässt sich der Superstar dagegen allemal erahnen. „Ich habe bei einem Konzert noch nie so wenig mitbekommen“, meint ein Fan beim Verlassen der Halle.
Ob nun wirklich Johnny Depp wie Officer Tom Hanson aus der 1980er-Jahre-Serie „21 Jump Street“ mit der Gitarre musiziert, bleibt für sie wegen der Entfernung auf der Strecke. Es könnten genauso gut Michael Knight aus „Knight Rider“ oder B.A. Baracus aus „Das A-Team“ sein. Die Videoleinwand dient nur künstlerischen Effekten. Die Musiker werden nicht ein einziges Mal in Großaufnahme gezeigt.
Alte Schule! Zum Finale zieht Alice Cooper seinen weißen Frack an, es enden die Teenager-Träume - und es sind tatsächlich Sommerferien: „School’s out“.