Schmallenberg. . Die Wisente halten sich offensichtlich nicht nur gern in den Privatwäldern der Sauerländer Waldbauern auf, sondern auch im Staatswald zwischen Schanze und Kühhude. „Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, denn die Landesforstverwaltung ist mit dem Staatswald ja Projektpartner“, wie Forstdirektor Hans von der Goltz betont. Aber auch dort richten die Wisente Schäden an.

Hans von der Goltz, Leiter des Regionalforstamtes Oberes Sauerland und Mitglied der Wisent-Koordinierungsgruppe, betont gegenüber unserer Zeitung, dass vereinbarungsgemäß alle Aspekte des Projektes untersucht und veröffentlicht werden müssten. Es werde ergebnisoffen begleitet. Öffentlich macht er jetzt auch die Schadenssummen im Staatswald.

„Im Jahr 2013 waren es ca. 30 000 Euro, in diesem Jahr betragen die bislang aufgenommenen Schäden etwa 15 000 Euro“, so der Forstamtsdirektor. Er schätzt, dass die Schadenshöhe für 2014 auf Vorjahresniveau hinauslaufen wird. Hinzu kommt der Aufwand der Dokumentation der Schäden – „der ist enorm und kostet viel Geld“.

Im Bereich der Hängebrücke

Deutlich zu sehen sind die Schäden zum Beispiel auf einer rund zehn Hektar großen Fläche mit etwa 100-jährigem Buchenbestand im Bereich der Hängebrücke – also direkt am Rothaarsteig. Natürlich erfreuen die Buchenschäden den engagierten nach vitalem, leistungsfähigem und klimastabilem Wald strebenden Forstamtsleiter nicht. „Sie sind aber – wenn auch nicht in diesem Ausmaß – erwartete Konsequenzen des mitgetragenen Projektes“, sagt er. Der Landesbetrieb Wald und Holz stellt die Schäden also nicht in Rechnung. Ob das auch in Zukunft gelte, sei noch offen.

Zu klären sind laut von der Goltz jetzt mehrere Aspekte. So werde zum Beispiel wissenschaftlich von der Uni Frankfurt untersucht, ob das Wisentprojekt mit der FFH-Zielsetzung in Einklang zu bringen ist. Ein Großteil der Staatswald-Fläche am Rothaarsteig ist FFH-Gebiet. Dabei handelt es sich um eine EU-Schutz-Kategorie – in diesem Fall soll konkret die Buche geschützt werden.

Aspekte ergebnisoffen untersuchen

Hans von der Goltz: „Eine FFH-Zielsetzung ist die Erhöhung von Alt- und Totholz als Lebensraum für mehr als 80-Prozent der Rote-Liste-Arten (vom Aussterben bedrohte Lebewesen)“. Durch die Wisent-Schäden werde der Totholzanteil vermutlich steigen, da ein Teil der Buchen durch die Schäden faulen und sterben wird. „Altes, lebendes Holz wird es folglich aber eher weniger geben.“ Auch die Zielsetzung, möglichst reine Buchenbestände in den FFH-Gebieten zu haben, könnte in Gefahr sein. „Durch die Buchen-Komplex-Krankheit sterben in der betroffenen Region überproportional viele Buchen ab.

Wenn zusätzlich durch die Schälschäden weitere Buchen vorzeitig absterben, kommt viel Licht an den Boden und die Fichtennaturverjüngung setzt sich gegenüber der Buche vermehrt durch.“

Ein weiterer Aspekt: Sind Besucher gefährdet, weil geschädigte Buchen faulen und dann abbrechen können? „Die Buche hat da ein richtiges Gefahrenpotential“, sagt von der Goltz. „Man sieht ihr erstens nicht deutlich an, dass sie faul ist; und zweitens brechen Buchen dann auch ohne Vorwarnung bei völliger Windstille ab.“

Zu klären sei dieser Aspekt gerade vor dem Hintergrund, dass der Bereich zwischen Schanze und Kühude der von Besuchern am intensivsten gelaufene Abschnitt des Rothaarsteigs ist.

Ein dritter Aspekt hängt mit der Bewirtschaftung des Staatsforst zusammen: Die geschädigten Buchen, die eine Gefahr für Besucher darstellen könnten, könnten auch das Risiko bei einer normalen Durchforstung erhöhen. „Können die Unfallverhütungsvorschriften zukünftig noch eingehalten werden?“, das ist hier die Frage. „Muss ein Waldarbeiter, wenn er einen Baum fällt Angst haben, dass ihm von hinten eine geschädigte Buche in den Rücken fällt?“

Auch warum die Wisente so intensiv Buchen schälen, werde untersucht. Auf jeden Fall sollte laut von der Goltz intensiv erforscht werden, ob das eigentlich von Gras lebende Wisent in dem nahezu 100 Prozent bewaldeten Gebiet wirklich am richtigen natürlichen Lebensraum freigesetzt worden ist.