Meschede. . Eine einzige Obdachlose lebt in Meschede. Oft schläft sie in einer Bushaltestelle. Der Polizei ist die Frau bekannt, sie ist schon zweimal alarmiert worden - nicht, weil es Ärger oder Probleme gab. „Passanten haben sich Sorgen gemacht“, sagt Pressesprecher Ludger Rath.

Eingewickelt in einen zerfransten Schlafsack, zugedeckt mit Zeitungen oder Kartons. Das sind Szenen aus Großstädten. In Meschede gibt es eigentlich keine Obdachlosen. Deshalb fällt zunehmend eine Frau auf, die so ähnlich im Stadtgebiet lebt. Doch: Sie tut es freiwillig. Sie lebt wie eine Aussteigerin. Und sie benimmt sich mysteriös.

Eine Frau, ausgerechnet - allein das ist schon ungewöhnlich. Normalerweise leben Männer auf der Straße. Genaue Statistiken gibt es nicht, doch Experten gehen davon aus, dass es 20 000 Obdachlose in Deutschland gibt - nur 10 bis 20 Prozent sind weiblich. „Durchreisende, die haben wir immer wieder“, berichtet Jörg Fröhling, Pressesprecher der Stadt Meschede. Sie holen sich ihren Tagessatz im Rathaus ab, halten sich kurze Zeit im Stadtgebiet auf und ziehen weiter. Außerdem gibt es jene, die ihr Dach über dem Kopf verlieren - zum Beispiel durch eine Zwangsversteigerung. „Das ist sehr selten“, erklärt Fröhling. Meistens sagt der Gerichtsvollzieher der Kommune schon vorher Bescheid, und in der Regel findet sich kurzfristig eine Lösung bei Bekannten und Verwandten. „Ansonsten“, so Fröhling, „sorgen wir für einen Platz in einer Notunterkunft“. Das sind jene Gebäude, in denen auch Asylbewerber untergebracht sind.

Schlafen in der Bushaltestelle

Aber jemand, der dauerhaft in Meschede draußen wohnt? Der Stadt Meschede ist laut Fröhling kein Fall bekannt. Und doch gibt es diesen einen, und das schon seit zwei bis drei Jahren. Weil Meschede eine überschaubare Gesellschaft ist, sorgen sich Menschen immer wieder um diese Frau, die plötzlich auftaucht und dann wieder im Wald verschwindet. Oft schläft sie in einer Bushaltestelle im Gewerbegebiet Schwarzer Bruch. Da ist er, dieser ungewohnte Anblick: eine „Pennerin“, mitten in Meschede. Hilflos und hilfebedürftig vielleicht noch dazu?

Spurensuche bei der Polizei. Den Beamten ist die Frau bekannt, sie ist schon zweimal alarmiert worden - nicht, weil es Ärger oder Probleme gab. „Passanten haben sich Sorgen gemacht“, sagt Pressesprecher Ludger Rath. Eine Frau nachts allein auf einer Parkbank, das sei ja auch ungewöhnlich. Jedoch: Für die Polizei bestehe hier kein Handlungsbedarf. „Jeder hat das Recht so zu leben, wie er möchte“, sagt Rath. Und er sagt auch: „Natürlich muss in Deutschland niemand auf der Straße schlafen.“

Spricht nicht gern

Recherchen unserer Zeitung haben ergeben: Die Frau ist Ende 40, sie stammt aus dem nordhessischen Raum. Sie spricht nicht gern, und jene, die Kontakt mit ihr hatten, bestätigen: Sie wird auch ungern angesprochen, dann reagiert sie abwehrend und schweigt. Sie lebt auf der Straße und unterscheidet sich doch vom klassischen Obdachlosen: Sie wird den Umständen entsprechend gepflegt beschrieben. Sie lebt rund um das Kohlweder Tal mitten in der Natur, ihre Art zu leben scheint selbstgewählt, und sie fährt mit ihrem Fahrrad oft erst im Dunkeln zum Einkaufen in die nächst gelegenen Supermärkte. Sie bettelt nicht.

Und jene, die Kontakt mit ihr hatten, glauben, dass sie alle gut gemeinten Sorgen um ihre Person überhaupt nicht nachvollziehen kann. Spätestens wenn es eiskalt wird im kommenden Winter, werden die Sorgen dennoch da sein.