Eslohe. Kessia Liermann ist gebürtige Brasilianerin, die heute in Eslohe arbeitet. Zum Start der Fußball-Weltmeisterschaft spricht sie über ihr Heimatland.

. In der „Kleinen offenen Tür“ in Eslohe wird die gebürtige Brasilianerin Kessia Liermann in diesen Tagen von jungen Leuten besonders häufig auf die WM und die Probleme in ihrem Heimatland angesprochen. Die 39-jährige Sozialmanagerin leitet die KoT.

Frage: Die Frage, wer neuer Fußballweltmeister wird, kann ich mir bei einer Brasilianerin wahrscheinlich schenken, oder?

Kessia Liermann: Sie glauben, dass ich natürlich auf Brasilien tippe? Nein, ich glaube nicht, dass es Brasilien schaffen wird. Die Spieler stehen unter so einem hohen Erwartungsdruck. Das wird ein richtiges Gefühlschaos auslösen. Den Spielern wird die Konzentration fehlen. Ich tippe eher auf Spanien oder Italien als Weltmeister.

Wie werden Sie die WM verfolgen?

Ich schaue mir zuhause oder beim Public Viewing die Spiele an, entweder im brasilianischen oder im deutschen Trikot. Denn ich drücke auch den Deutschen die Daumen.

Sprechen Sie mit Ihrer Familie in Brasilien viel über die WM? Rücken die sozialen Probleme während der WM in den Hintergrund?

Ich habe jeden Tag Kontakt mit ihr in Recife. Natürlich ist die WM das beherrschende Thema. Überall in der Stadt ist Militär auf der Straße. Die Menschen haben Angst davor. Ich glaube nicht, dass die Probleme in den Hintergrund treten werden. Im Gegenteil. Ich fürchte, das wird alles noch viel extremer während der Weltmeisterschaft.

Wird sich Ihre Familie denn Spiele live anschauen können?

Nein. Ich kenne keinen, der ins Stadion gehen wird. Das kann sich kaum einer leisten. In den Stadien werden nur Reiche und Ausländer sitzen. Mein Vater ist Anwalt, mein Onkel Professor: Selbst sie können sich den Eintritt nicht leisten. Die Spiele werden in Bars, auf der Straße oder am Strand geschaut.

Wie kommt eine Brasilianerin nach Eslohe?

Ich wollte eigentlich in Italien studieren. Dann lernte ich in Brasilien, beim Straßenkarneval, meinen späteren deutschen Mann kennen. Der meinte, ich sollte mir doch Deutschland ansehen. Das ist auch schon 21 Jahre her.

Ist das nicht ein Kulturschock, aus der Millionenstadt Recife nach Eslohe zu kommen?

Ich habe mich daran gewöhnt. Ich reise gerne, komme also viel herum und habe damit Abwechslung. Menschenmassen mag ich nicht. Nach den drei Wochen, die ich zuletzt in Recife war, weiß ich, dass ich mir nicht vorstellen könnte, dort wieder zu leben.

Was vermisst eine Brasilianerin in Deutschland?

Die Offenheit und die Wärme der Brasilianer. Die Deutschen sind distanzierter und vorsichtiger: Da wird immer geguckt und noch einmal geguckt... Die Brasilianer gehen eher ein Risiko ein. Umgekehrt könnten die Brasilianer von den Deutschen deren Disziplin lernen.

Mal ehrlich: Ist jeder Brasilianer ein begnadeter Fußballspieler?

Auf jeden Fall (lacht). Nur mein Sohn nicht. Der ist jetzt 20 Jahre alt. Als Kind haben sich alle um ihn gerissen, weil sie dachten, sie hätten dann einen brasilianischen Fußballer in ihren Reihen. Leider kann der gar nicht Fußball spielen.