Bestwig. Das ist was für Könner. Das ist richtig anspruchsvoll. Denn hier geht es teilweise senkrecht hinauf. „Das ist nichts, wo man mal eben so hochgeht“, sagt Volker Schulten. Seit 25 Jahren ist er Sportkletterer. Jetzt hat der Esloher ein neues Ziel unmittelbar in der Region. Denn in Bestwig, im Steinbruch am Bähnchen, wird heute das 14. Klettergebiet des Deutschen Alpenvereins in Südwestfalen für jedermann freigegeben.

30 Kletterrouten mit Namen wie „Dicke Backen“ oder „Unfassbar“ sind jetzt hier ausgewiesen. Keine Sorge, nicht nur Experten können die bewältigen. Die Frontwand im Steinbruch ist auch für Anfänger geeignet. Hier kann man das Klettern lernen. Die rund 30 Meter hohe Steilwand daneben allerdings: Hui, hui, hui. „Das ist ultraschwer“, sagt Paul Steinacker, Vorsitzender des Alpenvereins, Sektion Hochsauerland.

Elf Schwierigkeitsgrade kennen Kletterer. Für Laien: 1 ist leicht und fast wie eine Leiter hochklettern, die 11 fast unmöglich – die Bestwiger Kalksteinwand erreicht eine 9 auf dieser Skala. Hier muss man viel mit den Händen arbeiten und nach geeigneten Griffmöglichkeiten suchen. Beim Vorführen fasst Filip Maslanek einmal daneben und verliert den Halt. Der 17-Jährige aus Eslohe wird aber vom Sicherheitsseil aufgefangen, das unten am Fuß der Wand von Volker Schulten gehalten wird: Nichts passiert! „Das ist eben der Adrenalin-Kick“, meint Zuschauer Paul Steinacker. Sicherheit ist oberstes Gebot. Die Sektion Hochsauerland des Alpenvereins hat eine „Felspatenschaft“ über den Steinbruch übernommen: Sie prüft den Sitz der in den Wänden verankerten Haken und prüft den Fels auf loses Gestein.

In Bestwig können sowohl die Kletterer üben, die sich fürs Hochgebirge fit machen wollen. Aber eben auch jene, denen Touren in den Alpen zu ernst sind. In Bestwig gibt es keinen Steinschlag, keinen Wettersturz. In zwei Minuten ist man abgeseilt wieder unten am Boden.

80 000 Kletterer in NRW

80 000 Kletterer gibt es in NRW, sagt Paul Steinacker. Dennoch sei NRW „klettersportliche Diaspora“: Denn seit den 80er-Jahren sind viele bis dahin beliebte Klettergebiete, wie die Bruchhauser Steine, aus Naturschutzgründen gesperrt. Die Westfalen suchten sich danach andere Ziele, etwa im Harz – obwohl Nationalpark, dürfe dort geklettert werden. Steinacker bemüht sich darum, Klettern in NRW wieder möglich zu machen. Die jetzt 14 neuen Kletterzonen sind der Anfang: „Wir beweisen, dass in vielen kleinen Gebieten naturverträgliches Klettern möglich ist.“ Gerade durch neue Klettergebiete würde es auch neue Naturschützer geben: „Die wollen ja etwas erhalten. Aber dafür muss man buchstäblich etwas begreifen können.“ Längst vorbei sind zum Beispiel die Zeiten, als Kletterer in schweren Bergstiefeln daherkamen. Sie tragen heutzutage federleichte Spezialschuhe: „Das merkt nicht einmal das Moos“, schmunzelt der 71-jährige Steinacker.

Seit 2005 hat der Alpenverein den gesamten Hochsauerlandkreis auf mögliche Klettermöglichkeiten kartiert. Sage und schreibe 4200 Felsobjekte sind dabei gefunden worden. Aber nur 80 davon sind zum Klettern geeignet. Insgesamt 40 wiederum möchte der Verein am Ende in die „Kletterarena Sauerland“ aufnehmen. Doch inzwischen muss für jedes einzelne Klettergebiet eine Artenschutzprüfung und eine naturschutzfachliche Prüfung gemacht werden. Am Ende entscheiden die Landschaftsbeiräte über jeden Einzelfall. Rund 30 000 Euro gibt der Alpenverein in NRW im Jahr für die Gutachten aus.

Bestwig war der letzte Kletterpunkt, für den diese umfassenden Prüfungen noch nicht eingefordert wurden. Weil der Steinbruch aber als Feuchtbiotop geführt wird, ist vorsorglich ein neuer Weg behutsam angelegt worden, der außen herum und nicht mehr mitten durch dieses Biotop führt. Rund 1000 Arbeitsstunden steckten die Alpinisten vom befreundeten DAV Dortmund in die Erschließung. Carl-Ferdinand Freiherr von Lüninck als Grundstückseigentümer stellte seinen Steinbruch zum Klettern zur Verfügung.

Neues touristisches Ziel

Tourismus-Manager Norbert Arens findet das Engagement „fantastisch“: Gemeinsam mit dem nebenan entstehenden neuen Sportplatz ein breit angelegtes Sportangebot. Auch Impulse für den Tourismus dürfte es geben: Erwartet werden durch die neuen Klettergebiete auch wieder Kletterer aus den Niederlanden, die – mangels Gelegenheit – in der Vergangenheit das Sauerland links liegen ließen.