Freienohl. . Die Justiz nimmt einen neuen Anlauf in einem ungewöhnlichen, mittlerweile bundesweit bekannten Fall: Das Schöffengericht in Meschede verhandelt am Donnerstag, 27. März, gegen eine 71-jährige Stalkerin wegen des Verdachts der Nachstellung.

Die Frau bereitet Pfarrer Michael Hammerschmidt aus Freienohl seit 13 Jahren die Hölle auf Erden - bislang hat sie niemand stoppen können, weder vorübergehende Zwangsaufenthalte in der Psychiatrie noch in Untersuchungshaft schreckten die liebestolle Seniorin ab.

Ist die Frau schuldfähig?

Pfarrer Michael Hammerschmidt glaubt an Gott - aber den Glauben in die Justiz, den hat er im Verlauf der vergangenen Jahre immer mehr verloren: Auf hunderten von Seiten ist seine Geschichte dokumentiert, es hat Verfahren gegeben, es sind Verfügungen gegen die Frau erlassen worden und sie ist psychiatrisch mehrfach untersucht worden.

Doch eine nachhaltige Strafe hat bisher keines der Gerichte verhängt - immer stand die Frage im Raum: Ist die Frau vielleicht schuldunfähig? Und wenn es so ist, sind ihre Taten so gravierend, dass sie dauerhaft gegen ihren Willen in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden kann?

Um diese Frage wird es auch am Donnerstag in dem Prozess gehen. Die Verteidigung hält ihre Mandantin für schuldunfähig und verweist auf ein entsprechendes Gutachten - eines von mehreren. Andere Fachleute haben der Frau hingegen bescheinigt, dass sie ihre Taten bei vollem Bewusstsein begeht. Darauf setzt die Staatsanwaltschaft. Sie kann sich außerdem auf einen Paragrafen berufen, der erst Mitte 2007 in Kraft getreten ist: das Verbot der Nachstellung.

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Welche Erwartungen hat das Opfer an das Verfahren? „Keine“, sagt Michael Hammerschmidt. Angespannt sei er, wenn er daran denke, mit der Stalkerin im Gerichtssaal zusammenzutreffen. Die Frau hat ihm nach eigenem Bekunden viel Lebensfreude gekostet. „Das Problem ist für mich: Ich kann seit Jahren nicht mehr abschalten. Ich frage mich: Wann schlägt Sie wieder zu? Ich habe keine Ruhe mehr.“

Immer noch Anrufe und SMS

Immer noch hagelt es Anrufe und SMS, auch in dieser Woche. „Sie hat auch wieder dekoriert“, sagt der Pfarrer. Das bedeutet: Luftballons mit Liebesschwüren, rote Rosen und Gemüse wie Zucchini mit Kondomen überzogen. Ans Telefon geht Hammerschmidt kaum noch direkt, begegnet er dem Postboten, so lässt er ihn die in Parfüm getränkten Zuschriften seiner Stalkerin gleich wieder mitnehmen.

Die Polizei will sie auch nicht mehr. Sie hat genug Material. Als „obszön und widerlich“, bezeichnet Hammerschmidt die Inhalte der Telefonate und Briefe. Immerhin: Die Frau hat schon länger nicht mehr nackt im Garten vor dem Pfarrhaus getanzt. Oder Hammerschmidt hat es glücklicherweise nicht gesehen.