Meschede. .

Sie nennen es eine „Verkettung glücklicher Umstände“ - vielleicht ist es aber auch ein kopierbares Erfolgsmodell gegen den Ärztemangel: In Meschede gibt es schon bald drei junge Ärztinnen, die nach Jahren in der Fremde die Praxis des Vaters übernehmen oder schon übernommen haben. Zwei - Dr. Judith Hartmann (38) und Dr. Inez Aengenheyster (40) - waren zum Gespräch bereit.

Frage: Haben Ihre Väter eigentlich Ihren Berufswunsch beeinflusst?

Inez Aengenheyster (lacht): Das liegt bei uns in der Familie. Nein, im Ernst. Ich wollte eigentlich Fotodesign studieren und habe dann gemerkt, dass das nichts für mich ist. Mein Vater hätte mich nie dazu gedrängt, Ärztin zu werden.

Judith Hartmann: Das geht auch nicht, denn um das Medizinstudium durchzuziehen, braucht man schon eigenes Interesse an der Medizin. Aber der Arztberuf wurde natürlich zu Hause vorgelebt.

Sie haben beide noch kleine Kinder. Da ist die Arbeit als Ärztin nicht einfach.

Inez Aengenheyster: Ja, aber die Zusammenarbeit mit dem Vater macht vieles leichter. Als Opa hat er natürlich mehr Verständnis dafür, falls man wegen Erkrankung der Kinder und Betreuungsnot zu Hause bleiben muss. Und man braucht einen Partner, zum Beispiel bei den Diensten, der alles mit trägt und einen großen Teil der Kinderversorgung und des Haushalts übernimmt.

Was gibt es noch für Vorteile, wenn man mit dem Vater zusammenarbeitet?

Judith Hartmann: Besser kann man es doch gar nicht haben. Man kennt und vertraut sich und kann auf den langjährigen Erfahrungsschatz des Vaters zurückgreifen.

Inez Aengenheyster: Viele Dinge lernt man einfach nicht im Studium und auch nicht in der klinischen Ausbildung: Wie leite ich einen Betrieb? Wie führe ich Personal? Wie erfolgt die Abrechnung, die Kommunikation mit den unterschiedlichen Behörden? All das konnte ich von meinem Vater lernen, ohne das der Satz kam: „Wie, das wissen Sie nicht, Frau Kollegin...?“

Haben Sie nicht überlegt, sich allein selbstständig zu machen?

Inez Aengenheyster: Ich habe darüber nachgedacht, in Dortmund eine Praxis zu übernehmen. Aber das wäre ein relativ großes finanzielles Risiko gewesen. Hier weiß und schätze ich, was ich habe. Ich kenne die Patienten, meine Angestellten und die Mentalität der Menschen.

Judith Hartmann: Für mich kam das nicht in Frage. Mit kleinen Kindern ist das fast nicht möglich.

Was hat Ihnen die Entscheidung für Meschede noch leicht gemacht?

Judith Hartmann: Es war zum Beispiel überhaupt kein Problem nach einem Jahr Erziehungszeit für meinen Sohn einen Kita-Platz zu bekommen. Das wäre in Düsseldorf sehr viel schwieriger gewesen. Und wenn hier mal Not am Mann ist, weil die Kita schließt oder das Kind krank ist, ist es sehr beruhigend, zu wissen, dass die Großeltern die Familie unterstützen.

Ihre Väter sind beide im Rentenalter. Was machen Sie, wenn sie ganz aufhören?

Inez Aengenheyster: Ich möchte die Praxis auf jeden Fall nicht allein weiterführen. Allein bleibt wegen des zeitlichen Aufwands mit der Bürokratie und der Weiterbildungen wenig Zeit für die Familie. Wir werden jetzt schon bald am Winziger Platz umbauen, und ich würde demnächst gern noch jemanden halbtags einstellen, damit man sich auch gegenseitig vertreten kann.

Judith Hartmann: Das sehe ich ähnlich. Aber alle weiteren Pläne diesbezüglich werde ich von den zukünftigen Lebensumständen abhängig machen.

Nun kann nicht jeder junge Arzt in der Praxis des Vaters anfangen. Was kann jungen Medizinern den Start in Meschede erleichtern?

Inez Aengenheyster: Der Job des Landarztes muss attraktiver werden. Dazu zählt eine bessere Vergütung und auch eine bessere Werbung für das Sauerland. Die Notdienstreform war schon ein erster Schritt. Für die Patienten sind die weiten Wege zwar zum Teil wirklich fast unzumutbar, aber ohne diese Notdienstreform hätte ich die Praxis niemals übernehmen können. Ein bis zwei Dienste pro Woche, das hätte ich mir mit Familie nicht leisten können. Und mehr Praxisverbünde - das wird auf jeden Fall kommen.

Judith Hartmann: Man muss einfach zu schätzen wissen, was man hier hat, wie die Kita-Plätze, die Schulen, die kurzen Wege. Und spätestens wenn man eine Familie hat, schwinden auch die meisten Vorteile, die eine Großstadt bietet. Wenn man Meschede nicht kennt, wirkt die Stadt vielleicht erst auf den zweiten Blick.