Reiste. .
Naturgemäß ist die Sprache von Maklern ein bisschen nüchterner: Als „repräsentatives Bürogebäude“ hat Makler Lothar Marx dieses Objekt ins Internet eingestellt. Tatsächlich ist es aber schon ein nicht alltägliches Bauwerk, das er da verkaufen will: Für 180.000 Euro können Sie bei ihm eine Kirche kaufen, St. Christopheri in Reiste.
Die evangelische Kirchengemeinde Dorlar-Eslohe mit ihren knapp 1000 Gliedern hat sich jetzt zu diesem ungewöhnlichen Schritt entschieden, einen Makler zu beauftragen. Die Gemeinde muss sich angesichts eines Verlustes von 1,3 Prozent an Gliedern pro Jahr perspektivisch kleiner stellen, das Gotteshaus in Reiste muss verkauft werden. Seit November 2011 ist die Kirche entwidmet. Im Dorf fand sich kein neuer Nutzer. Das Beispiel der Kirche in Wenholthausen, aus der ein Steuerberaterbüro geworden ist, machte Mut: „Eine Kirche ist nicht unverkäuflich“, meint der Schmallenberger Makler Lothar Marx. Aus Belgien hatte er die erste konkrete Anfrage: Ein Mann, der in Gent ein Sterne-Restaurant betreibt, wollte für seinen Sohn in der Reister Kirche ein weiteres Restaurant einrichten. Vergebens: „Der Vater war begeistert, der Sohn hat hinterher abgewunken.“
Mehr Besucher jetzt in Eslohe
„Das Leben besteht aus Veränderungen“, meint der Makler. Ja, aber Veränderungen sind eben schmerzhaft. Das gibt Pfarrer Jürgen Rademacher unumwunden zu: „Das tut schon weh, die Kirche jetzt verkaufen zu müssen.“ Aber die Gemeinde sei jetzt aktiv geworden, „jetzt, wo wir den Prozess noch selbst steuern können.“ Der Prozess: Das ist das Kleinerwerden der Gemeinde, das erforderliche Neuaufstellen. Und das scheint zu gelingen: In Eslohe entsteht das neue Zentrum der Gemeinde – „wir sehen da schon Erfolge“, sagt Rademacher. Die Gemeindeglieder aus Reiste, Wenholthausen und Dorlar nehmen Fahrten nach Eslohe auf sich: „Wir haben in Eslohe einen deutlichen Zuwachs an Gottesdienstbesuchern.“
Denn darum geht es dem Pfarrer: „Eine Gemeinde lebt nicht von einem Gebäude, sondern von ihrem Glauben. Der Glaube muss weiterleben.“ Aber natürlich steckt in einem Gebäude auch ein Stück Geschichte der Gemeinde. St. Christopheri wurde 1969 erbaut, vor allem von Flüchtlingen aus Schlesien. „Das ganze Leben hat sich hier abgespielt“, erinnert Rademacher. Die Kirche muss mit ihrer Architektur seinerzeit ungemein modern gewirkt haben: „Man muss so ein Gebäude betreten - und spürt dessen besonderen Geist“, sagt der Pfarrer. Ein großer hoher Kirchenraum, das Licht bricht sich bunt in den Fenstern. Ja, Rademacher könnte sich hier auch ein Künstleratelier vorstellen. Bei der künftigen Nutzung hat die Gemeinde ein Mitspracherecht. Makler Lothar Marx denkt auch an einen Gewerbebetrieb, ein Call-Center, eine Computerfirma. Die Unternehmen würden ein markantes Aushängeschild bekommen. Ebenso denkbar: Ein Andachtsraum und ein Kolumbarium, in dem Urnen aufbewahrt werden.
Glockenturm im Kaufpreis mit drin
St. Christopheri liegt mitten in einem Wohngebiet. Der Käufer der Kirche würde ein 2000 Quadratmeter großes Grundstück erwerben. Darunter sind 556 Quadratmeter, die als neuer Bauplatz genutzt werden könnten. Es klingt ein wenig respektlos, wenn man von rund 200 Quadratmeter an möglicher Wohnfläche spricht. Das ist die Nutzfläche im Kirchengebäude, inklusive der Räume im Untergeschoss, in dem sich früher Frauenhilfe und Jugendgruppen trafen, wo der Beerdigungskaffee getrunken, die Konfirmation gefeiert wurde. Mitenthalten im Preis ist der Glockenturm mitsamt Glocke. Nur läuten darf der nächste Eigentümer nicht mehr.