Meschede/Iserlohn. Immer mehr Frauen wollen nicht alleine, aber auch nicht mit Männern zusammen wohnen. Daher entstehen vermehrt alternative Wohnformen für Frauen: Beginenhöfe sollen auch in Meschede und Iserlohn entstehen. 2013/2014 soll der erste dieser Höfe bezugsfertig sein.

Mann könnte beleidigt reagieren. Oder Witze über Begonien machen. Doch es ist Tatsache: Eine wachsende Zahl von Frauen will weder alleine leben, noch mit Männern. Und wer ehrlich ist, kann das sogar verstehen. Bleibt die Frage, warum sich die alternativen Frauen-Wohnprojekte so gerne auf die mittelalterlichen Beginen berufen, warum NRW und das Ruhrgebiet dabei führend sind und moderne Beginenhöfe nun auch in Meschede und Iserlohn entstehen sollen.

„Wir sehen auch auf dem Land Bedarf für neue Formen des Wohnens“, sagt Ute Messerschmidt vom Mescheder Beginenverein. Den gibt es erst seit einem guten Jahr, und doch hat er schon Grundstück und Investor, will in Kürze einen Architektenwettbewerb ausrufen und hofft 2013/2014 auf einen einzugsbereiten Beginenhof. Ein Grundstück im Zentrum haben auch die Iserlohner Frauen. Zumindest eine Option. Aber die läuft nur bis Jahresende, und ein Investor fehlt. „Die wollen eine unheimliche Rendite“, klagt Gudrun Axmacher, langjährige Vorsitzende des Fördervereins Iserlohner Beginenhof. Sie vermisst Unterstützung seitens der Stadt, denn eine Nachfrage nach alternativen Wohnformen sieht sie „ohne Ende“.

Das bestätigt Irmtraud Ruder. Sie ist die Vorsitzende des Dachverbandes der Beginen und Mit-Initiatorin des ersten modernen Beginenhofs in NRW in Schwerte-Ergste. Der besteht seit 2005. 2006 folgte Schwerte II. Dann kamen Dortmund, Unna, Essen, Bielefeld. In Bochum und Gelsenkirchen gibt es Pläne, in Münster Absichten, in Köln wurde der Grundstein gelegt. Das ist schon eine richtige Bewegung.

Frömmigkeit und Soziales

Um die zu verstehen, muss man etwas über die historischen Beginen wissen. Das waren Frauen, die zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert ein Leben mit Gleichgesinnten wählten, außerhalb von Ehe und Kloster. Und zwar gar nicht so selten. Beginen sind in 600 deutschen Städten nachgewiesen, allein Köln zählte 141 Konvente. Die Frauen lebten Religion ohne Kirchenkontrolle, leisteten Sozialarbeit und legten Wert auf finanzielle Unabhängigkeit. Das machte sie der Inquisition so verdächtig wie den Reformatoren. So sind nur die Bauten geblieben, vor allem in Flandern.

Rosel Oehmen-Vieregge, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kirchengeschichte an der Ruhruni Bochum, hat untersucht, was Beginen seit 25 Jahren so attraktiv macht. Dabei nennt sie auch eine gewisse Vieldeutigkeit, die der frauenbewegten Suche nach identitätsstiftenden Vorbildern entgegenkommt. So treffen sich unter dem Beginen-Dach viele Motivationen: emanzipatorisch-feministische, religiös-spirituelle, karitativ-soziale und ökologische. Irmtraud Ruder findet das gut so. Und wenn eines reines Wohnprojekt den Namen Beginen benutzt, stört sie das auch nicht: „Wir ehren eine große mittelalterliche Frauenbewegung, deren Geschichte nicht in unseren Lesebüchern steht.“

Beginenhöfe streben Generationenmischung an

Zufall ist es nicht, dass die Beginenhöfe gerade jetzt sprießen: Die frauenbewegten Frauen aus den 1970er Jahren sind jetzt selbst in die Jahre gekommen. Das sind die Initiatorinnen. Auch wenn fast überall eine Generationenmischung angestrebt wird: ein Drittel 65 plus, ein Drittel 40 bis 65, ein Drittel Alleinerziehende mit Kindern. „Aber die Alleinerziehenden kommen erst dann, wenn der Rohbau steht; die brauchen etwas Handfestes“, sagt Gudrun Axmacher.

„Schutz vor Vereinsamung“ nennt Ute Messerschmidt als wichtiges Motiv. Sie selbst steht als Revierförsterin im Beruf, hat zwei Kinder in Alter von 13 und 15 Jahren. Und sie kann das mit den Männern erklären: „Frauen haben eine andere Gesprächskultur.“ Christine Müthrath, Vorstand der Kölner Beginenhof-Genossenschaft, geht einen Schritt weiter: „Frauen wollen sich neu ausprobieren. Aber Männer der älteren Generation sind sehr schwerfällig.“ Und Frauen ließen sich zu leicht von Männern einschüchtern und nutzten ihre Potenziale nicht.

Beginen wollen wirken

Die Kölner Beginen sind karitativ und spirituell orientiert, christlich, aber auch buddhistisch oder schamanistisch, die Essener katholisch-ökumenisch, und die Mescheder wollen bewusst offen sein für nicht religiöse Frauen. Es ist vieles möglich. Aber wichtig ist nicht nur die eigene Gemeinschaft, sondern auch die Umgebung: „Beginen wollen wirken“, sagt Müthrath.

Irmtraud Ruder hat sieben Jahre Erfahrung als moderne Begine. Und? „Am Anfang ist man sehr euphorisch und naiv. Aber das braucht man.“ Und später? „Ich merke, dass Frauen mit einem gewissen Versorgungsanspruch kommen. Unterstützung kann man aber nicht einfordern, die gibt es nur freiwillig.“ Doch sich gegenseitig zu helfen, sei das Schönste, die Belohnung „für unendliche Arbeit“. Sie ist froh darüber, „dass die Idee weitergelebt wird“. Und sie fühlt sich als Pionierin: „Wir haben schon vom demografischen Wandel gesprochen, als noch kein Politiker das Wort in den Mund genommen hat.“