Schmallenberg. . Hat er seine pflegebedürftige Mutter vernachlässigt oder war der Sohn mit der Pflege der dementen Seniorin schlichtweg überfordert? Die Frage musste jetzt das Amtsgericht Meschede beantworten. Bei einer Einweisung der Seniorin ins Krankenhaus waren Flüssigkeitsmangel und Druckgeschwüre aufgefallen.

Wie wichtig es ist, dass bei der Pflege schwer kranker und alter Menschen ein Rädchen ins andere greift, hat ein Prozess gezeigt, der vor dem Amtsgericht Meschede verhandelt wurde.

Der 47-jährige Sohn hatte seit 2004 seine Mutter, die eine eigene Wohnung in seinem Haus hatte, mitversorgt. Bis Juni 2011 war die alte Dame, obschon bereits dement, körperlich noch relativ rüstig. Doch dann verschlechterte sich ihr Zustand dramatisch. Zweimal kam sie ins St.-Georg-Krankenhaus nach Bad Fredeburg. Drei Tage nach ihrer zweiten Entlassung wollte sie - nach Darstellung ihres Sohnes - morgens nicht aufstehen und klagte über Luftnot. Als sie später am Tag ins Krankenhaus eingeliefert wurde, stellten die Ärzte dort akuten Flüssigkeitsmangel, offene Druckgeschwüre und eine Lungenentzündung fest.

Für das Krankenhaus war das der Anlass, dem Sohn, der auch zum Betreuer seiner Mutter bestellt war, das Besuchsrecht zu verweigern, einen Antrag auf Entzug des Betreuerstatus zu stellen und Anzeige zu erstatten. Der Vorwurf: Misshandlung von Schutzbefohlenen.

Die Versorgung soll unzureichend gewesen sein

Der Angeklagte, ein Beamter im Vorruhestand, verteidigte sich vor Gericht: Die ersten drei Tage nach der letzten Entlassung am Samstag sei es seiner Mutter noch relativ gut gegangen. „Ich habe sie angezogen und in ihren Sessel in die Wohnstube gesetzt.“ Erst am Montagabend habe sie über Luftnot geklagt und am nächsten Morgen nicht aufstehen wollen. „Ich habe ihr aber regelmäßig zu trinken angeboten und sie morgens noch gefüttert“, versicherte er.

Am gleichen Tag sollte die Caritas-Mitarbeiterin zur großen Körperpflege kommen. Mit ihr habe er die Verschlechterung besprechen wollen.

Die Caritas-Mitarbeiterin sagte vor Gericht aus, dass sie den Eindruck gehabt habe, dass die Seniorin am Morgen nicht ordentlich gepflegt worden sei, ihre Windeln seien nicht gewechselt und die offenen Stellen nicht versorgt gewesen. Sie sei es gewesen, die den Sohn auf den schlechten Allgemeinzustand seiner Mutter hingewiesen und ihm empfohlen habe, die alte Frau wieder ins Krankenhaus einliefern zu lassen. Sie bemängelte außerdem, dass für die Versorgung der alten Dame keine Pflegeprodukte, keine Pflaster und nicht einmal ein Fieberthermometer im Haus gewesen seien.

Überforderung oder Vernachlässigung?

Hatte der 47-Jährige nun über Tage seine Mutter fahrlässig oder böswillig vernachlässigt oder war er schlichtweg mit einer sich plötzlich verschlimmernden Situation überfordert? Das hatte das Gericht zu klären.

Der Dortmunder Rechtsmediziner Dr. Ralf Zweihoff entlastete den Schmallenberger in zwei Punkten: Er erklärte, dass sowohl Druckgeschwüre als auch eine Austrocknung innerhalb von Stunden entstehen könnten, da die Seniorin eine schwere Herz-Kreislauf-Schwäche und eine Lungenentzündung gehabt habe.

Er bestätigte zwar, dass die Situation für die Seniorin lebensbedrohlich gewesen sei, „verursacht aber durch den Wassermangel und die Lungenentzündung, nicht durch die Druckgeschwüre.“

Hinzu kam, dass das Krankenhaus nicht klar belegen konnte, ob und wie es den Sohn über die nötige Pflege aufgeklärt hatte. Beide Hinweise führten dazu, dass das Verfahren gegen den Schmallenberger gegen Zahlung von 600 Euro an das Hospiz in Altenhundem und gegen Übernahme der Verfahrenskosten eingestellt wurde.

Schuld lastet auf Schultern aller Beteiligten

Das Gericht war trotzdem der Ansicht, dass der 47-Jährige nicht ganz aus der Verantwortung entlassen werden dürfe. Immerhin sei er zum Betreuer seiner Mutter bestellt gewesen. Die Richterin: „Ein Restverschulden bleibt, aber es ist auf die Schultern aller Beteiligten zu verteilen.“ Der Mann sei ja nicht plötzlich in die Aufgabe hineingeworfen worden, sondern habe seine Mutter seit 2004 gepflegt. „Er hätte wissen müssen, worauf er sich einlässt und bei einer abzusehenden Überforderung die Aufgabe abgeben müssen.“

Die alte Frau lebt nun in einem Pflegeheim, eine neue Betreuerin ist im August 2011 bestellt worden.