Meschede. Anfassen ist beim Arbeitseinsatz nicht erlaubt. Schon ein neckisches Schnalzen mit der Zunge kann den jungen Hund noch ablenken. Deshalb ist es am besten, wenn man Peter Schweißhelm und seine Hündin Kira in aller Ruhe durch die Stadt ziehen lässt.

Sobald der weiße Bügel übergestreift wird, ist Kira voll konzentriert. Die Rute leicht eingezogen, führt sie Peter Schweißhelm über den Winziger Platz. „Kira ist der einzige Blindenhund in der Innenstadt und die meisten Menschen wissen einfach noch nicht, wie sie mit uns umgehen müssen, was Kira alles darf und wie sie mir hilft”, sagt der 53-Jährige und wirbt um Verständnis.

Besondere Rechte

Seit vier Monaten gehört die Labradorhündin zu dem ehemaligen Sägewerker, der vor 25 Jahren komplett erblindete. „Sie ersetzt mein Augenlicht.” Und deshalb darf sie auch eine ganze Menge Dinge, die andere Hunde nicht dürfen. Das bestätigt auch Johannes Willenberg, Pressesprecher des Blinden- und Sehbehindertenvereins Westfalen. „Blinde oder hochgradig Sehbehinderte sind auf die Hilfe ihrer Führhunde angewiesen. Folgerichtig genießt das Tier besondere Rechte.” Es darf in die Kirche, ins Wartezimmer des Arztes oder ins Krankenhaus. Willenberg: „Vielerorts ist sein Mitbringen in Lebensmittelgeschäfte veterinärrechtlich ausdrücklich erlaubt oder wird zumindest geduldet, und auf Flugreisen dürfen Führhunde in die Passagierkabine.”

Kommt ein Hindernis, führt Kira ihr Herrchen drumherum. Kommt eine Treppe, stellt sie die Vorderpfoten darauf und wartet. Geht es runter, bleibt sie vor der Treppe stehen. Selbst die Bushaltestelle findet sie, wenn Peter Schweißhelm „Such Bushaltestelle!” als Kommando vorgibt. Dann stellt sie ihre Vorderpfoten auf das Schild der Bushaltestelle und sucht keinesfalls - wie böse Zeitgenossen schon beim Tierschutzverein streuten - Abfälle im nahen Mülleimer. Sie ist exzellent erzogen. Im Geschirr wird sie auf keinen Fall „ihr Geschäft” erledigen.

Klare Befehle

Noch ist Kira jung, lässt sich relativ leicht ablenken und braucht deshalb klare Befehle von Peter Schweißhelm. „Das mag sich manchmal etwas harsch anhören”, sagt er. Von Fußgängern hat er sich deshalb auch schon Vorwürfe gefallen lassen müssen, er müsse den Hund auch mal loben. Doch beide sind einfach noch ein wenig aufgeregt, wenn es zurzeit durch unbekanntes Terrain geht. Und Kiras leicht eingezogene Rute sei auch kein Zeichen von Angst, sondern von Konzentration, maximal von Unsicherheit, erläutert Schweißhelm.

Um den Hund zu bekommen, hatte er einen Antrag bei der Krankenkasse stellen müssen. Ein Arzt des Medizinischen Dienstes prüfte, ob der Hund bei Peter Schweißhelm gut aufgehoben ist, ob der Blinde selbst sich genug bewegen kann und ob die Wohnung groß genug ist. Nach dessen Okay durfte sich der Mescheder einen Züchter aussuchen. Er entschied sich für die Blindenführhundschule Caputa aus Lippstadt und die Labradorhündin Kira. Anschließend wurde Kira dort als Blindenführhund ausgebildet. Zurzeit gewöhnen sich Herrchen und Hund aneinander.

Eingewöhnungszeit

„Es kann bis zu einem Jahr dauern, bis die beiden zu einem Gespann zusammengewachsen sind”, weiß Claudia Weltermann von der Blindenführhundschule Caputa. „Auf jeden Fall noch absolvieren müssen beide eine Gespannprüfung, die zeigt, dass Hund und Führer auf die Signale des jeweils anderen reagieren.”

Bisher lebte der einzige Blindenhund im Stadtgebiet in Berge. Doch das Tier ist jetzt zu alt. Auch Kira geht mit etwa zehn Jahren in Rente. Dann hat sie fast ein ganzes Hundeleben gearbeitet.