Oberkirchen. Silke und Peter de Vos hatten eine Tauchschule auf den Philippinen. Dort kamen sie den Tagbanua ganz nah. Eine sehenswerte Filmdoku.
Deutschland verlassen und lieber tauchen auf den Philippinen. Diesen Traum erfüllten sich Silke und Peter de Vos aus Oberkirchen bei Schmallenberg vor 20 Jahren mit einem eigenen Tauch-Resort im südostasiatischen Inselstaat. Dass die beiden inzwischen ein Hotel im Sauerland betreiben und ihr bei diversen Festivals ausgezeichneter Dokumentarfilm am 2. Juni im Filmtheater Winterberg erstmals öffentlich in einem Kino gezeigt wird, hat eine lange Vorgeschichte. Um sie zu erzählen, muss man weiter ausholen. So viel vorweg: Der Film „Tagbanua“ erzählt vom ältesten Urvolk der Philippinen, von seinem Schicksal und der Sorge darum, dass dieses Volk vielleicht nicht überleben könnte. Es ist ein berührender Film mit Bildern, die Fernweh und Melancholie wecken…
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Zeitwechsel, Anfang neues Jahrtausend: Der Niederländer Peter de Vos lernt als Geschäftsführer beim großen „Olympus“-Konzern die in Norddeutschland aufgewachsene Baden-Württembergerin Silke kennen, die dort im Bereich Marketing und IT beschäftigt ist. Beide verbindet das Interesse an anderen Ländern und Kulturen. „Irgendwann haben wir uns in unseren ‚normalen‘ Jobs nicht länger wohlgefühlt und unser gemeinsames Hobby, das Tauchen, zum Beruf gemacht. 2004 haben wir dann eine wunderschöne Anlage auf den Philippinen eröffnet“, so die beiden.
Die Unterwasserwelt ist atemberaubend und Silke de Vos greift fast täglich zur Videokamera: „Anfangs waren es tatsächlich noch Videobänder, die Filmchen habe ich selbst geschnitten und bei verschiedenen Wettbewerben mit Erfolg gezeigt.“ Irgendwann stößt Silke an ihre autodidaktischen Grenzen und macht eine professionelle Filmausbildung an einer renommierten Akademie auf den Philippinen. Ihre neuen Kenntnisse nutzt sie von nun an mit moderner Technik, um kommerzielle Werbefilme und Kurzfilme über besondere Tauchdestinationen zu machen. In dieser Zeit beginnt sie auch mit den ersten Dreharbeiten für die Dokumentation über die Tagbanua.
Bei zahlreichen Festivals ausgezeichnet
Bei Filmfestivals und Wettbewerben wurde der Film bereits gezeigt. Mit Erfolg:
- Festival Winner Best Travel Feature Documentary – Travel FilmFest International Film Festival 2022 (Zypern)
- Winner Best Human Right’s Film – Mannheim Arts and Film Festival 2022 (Deutschland)
- Best Film Dreamanila – International Film Festival 2022 (Philippinen)
- Best Human Right’s Film – Vancouver International Film Festival 2023 (Canada)
- Award Winner Travel/Culture/Arts – Documentaries Without Borders International Film Festival 2022 (USA)
Dieses Filmprojekt ist die zweite größere Produktion von Silke, die als „Silky Fox Productions“ produziert. Ihre Doku „Coral Gardening“, in der es um den Wiederaufbau von Korallenriffen geht, wurde ebenfalls auf internationalen Filmfestivals gezeigt und ausgezeichnet.
Ziel der Filmemacher ist es, mit der Doku „Tagbanua“ das Volk in der Welt bekannt zu machen und auf ihre Probleme hinzuweisen. Es ist wichtig, die Menschen und ihre Lebensweise richtig zu kennen, um ihnen gezielt zu helfen. Silke de Vos: „Hierbei geben wir gerne Hilfestellung, indem wir auf unsere langjährige Erfahrung zurückgreifen können. Wir haben eine kleine Auflage an BlueRay-Discs produziert, durch deren Verkauf wir nachhaltige Projekte unterstützen. Die Ältesten erwägen, den Film mit in die Schulausbildung des indigenen Volkes aufzunehmen, um den Kindern zu zeigen, wie ihre Vorfahren noch vor kurzer Zeit gelebt haben.“
Wunsch der Filmemacher ist es, dass die Tagbanua wieder lernen, unabhängig von äußerer Hilfe auf eigenen Füßen zu stehen und darauf achten, dass ihre Kultur und ihre Werte nicht im Sog der Zivilisation untergehen.
„Schon damals waren wir von diesem Volk fasziniert, das an der Grenze der Zivilisation versucht, seine eigenen Bräuche und Traditionen zu wahren. Wir wollte den Stamm und seine Lebensweise gerne filmen, aber das war nicht so einfach. Die Stammesältesten versuchen generell, alles vor auswärtigen Einflüssen zu schützten“, berichtet das Ehepaar. Und obwohl Silke und Peter gute und freundschaftliche Kontakte mit den Stammesmitgliedern pflegen, müssen sie noch lange auf die offizielle Dreherlaubnis warten. Und die kommt im Nachklang des großen Taifuns „Haiyan“ im November 2013, eine der schlimmsten Naturkatastrophen, die die Philippinen je heimgesucht haben.
Die Zerstörung im Stammesgebiet ist riesig. Laut Behörden ist aber alles unter Kontrolle. Die Filmemacher haben wenig Vertrauen in die Behörden. Sobald der Flughafen wieder geöffnet ist, fliegen beide in die Region der Tagbanua: Viele Inseln sind komplett zerstört, die Stammesmitglieder leiden Hunger. Und obwohl der Taifun schon lange vorbeigezogen ist, kommen keine Hilfsgüter an. Das Ehepaar startet eine eigene Hilfsaktion, chartert ein Boot, um Essen, Kleidung und Medikamente in die betroffenen Gebiete zu bringen. Später helfen die beiden beim Wiederaufbau der Dörfer. Das ist die Zeit, in der Silke und Peter dem Stamm sehr nahekommen und quasi als Stammesmitglieder in die Community aufgenommen werden. Eine Drehgenehmigung für die Doku ist danach kein Problem mehr.
Sprachen und Dialekte
Die Sprache der Tagbanua beherrschen die Europäer nicht. „Ja, ein wenig können wir schon. Aber die Philippinen sind ein riesiges Land mit vielen unterschiedlichen Sprachen und Dialekten. Das macht die direkte Kommunikation zwischen die Regionen nicht einfach.“ Aber sie haben großes Glück und lernen eine Filipina kennen, die dem Stamm nahe steht und in ihrer Sprache dolmetschen kann.
Zehn Jahre lang haben die Filmemacher die Tagbanua immer wieder besucht und dort gedreht. „Es gab kein festes Drehbuch; letztlich hatten wir eine riesige Schatztruhe mit unendlich vielen Aufnahmen“, sagt Silke de Vos, die damit vor der großen Herausforderung steht, eine interessante Geschichte zu erzählen. Dabei ist federführend Ehemann Peter beteiligt, der als Autor Erfahrung im Schreiben von Geschichten und Drehbüchern gesammelt hat. Es geht darum, das Volk der Tagbanua vorzustellen, wie es wohnt und lebt, wie es sich den Herausforderungen einer modernen Welt stellt, wie es versucht, seine traditionelle Lebensweise zu bewahren, ohne „den Anschluss“ zu verpassen“.
Jetzt Radio und Fernsehen
Vieles hat sich schon verändert. Auf einigen wenigen Inseln gibt es begrenzt Strom und Mobilfunkempfang, viele Leute besitzen jetzt Radio, Fernsehen und ein kleines Moped. Die jüngere Generation hat zum Teil ein Handy, obwohl sie manchmal eine kleine Weltreise zur Inselspitze unternehmen muss, um Empfang zu haben. Materiell geht es dem Stamm besser. Aber die Mentalität hat sich geändert: Viele, vor allem die Jüngeren, sind materialistischer und egoistischer geworden.
Das beunruhigt die Stammesältesten. Sie müssen realisieren, dass ihre traditionelle Lebensweise langsam verschwindet. All das trägt mit zur Drehgenehmigung bei: Die Stammesältesten wollen ein Zeitdokument haben, das zeigt, wie ihre Welt vor allen Änderungen ausgesehen hat. Dank der intensiven Begegnungen mit dem Volk wird der Film aus einer sehr persönlichen Perspektive erzählt. Die umfangreiche Produktion ist ausschließlich eigenfinanziert.
Ein Beweggrund für Silke und Peter, das Urvolk nach so vielen Jahren immer noch regelmäßig zu besuchen, ist die Unterstützung nachhaltiger Projekte, die dem Stamm alternative Einnahmequellen ermöglichen. Und jedes Mal stellen sie fest, dass die Gemeinschaft sich wieder ein wenig gewandelt hat. Den Stamm, den sie vor 20 Jahren kennengelernt haben, gibt es nicht mehr. Immer mehr Zuwanderer respektieren Bräuche und Besitz der Tagbanua nicht mehr. Silke de Vos: „Die Gesellschaft wird mehr und mehr eine hybride Verschmelzung aus traditionellen Werte und moderner philippinischer Gesellschaft.“ Die Filmemacher sehen das nicht unbedingt als etwas Positives. Ja, es geht vielen materiell besser, aber zu welchem Preis?
Hotel gekauft
Nach elf Jahre Philippinen hat es Silke und Peter de Vos inzwischen wieder nach Europa zurückgezogen. Sie haben ein kleines Hotel in Schmallenberg-Oberkirchen gekauft, das nach dem typisch äußeren Erscheinungsbild „Schieferhof“ getauft wurde. Die wenige Freizeit, die die beiden dann und wann genießen, widmen sie ihrer Tätigkeit als Filmemacherin und Autor und ihren Hobbys - Motorradfahren, Reiten und Reisen.
Der Kontakt zum Filmtheater Winterberg ist kein Zufall: „Wir finden das Kino absolut ideal für die Premiere! Nicht nur, dass es quasi in der Nachbarschaft liegt, sondern weil wir es stilvoll finden, weil es die ideale Größe hat und über eine sehr gute und moderne Technik verfügt. Wir kennen es von gelegentlichen Kinobesuchen und haben Joachim Wahle bei der Gelegenheit meinen Film vorgestellt. Er war gleich sehr angetan von der Idee, ihn im Rahmen der Filmkunst zu zeigen“, sagt Silke de Vos.
Das Kino wird am Vorführtag im Eingansbereich ein bisschen tropisch dekoriert werden und die Zuschauer erwartet vorab eine kleine philippinische Spezialität sowie ein von den Tagbanua handgefertigtes Souvenir. Kleine Stückchen von einem Paradies, das wie so viele andere in Gefahr ist...
Karten unter 02981 7385, www.filmtheater-winterberg.de
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