Meschede. Von Impfstoffen bis zu Schmerzmitteln: So ringen Meschedes Apotheken mit dem Medikamentenmangel. Kritik geht auch in Richtung Politik.
Palliativ-Patienten, Diabetiker, Allergiker und viele weitere Patienten aus Meschede sind vom Medikamentenmangel betroffen. „Das zieht sich durch alle Bereiche. Es gibt immer mal hier und mal da Lieferengpässe“, sagt Dominik Mörchen von der Apotheke am Brunnen. „An der Grundsituation ändert sich nichts und da ist halt die Frage, warum.“
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Medikamentenmangel: Probleme in fast allen Bereichen
„202 Artikel, die ich sonst hier auf Lager hätte, sind jetzt nicht zu bekommen“, beschreibt Christiane Rips von der Ruhr-Apotheke. „Das zieht sich durch alle Medikamentengruppen.“
Im letzten Jahr mangelte es in bestimmten Bereichen. „Jetzt sind es immer wechselnde Sachen, wo man morgens kommt und denkt, gestern war das doch noch da“, muss sie feststellen. 280 Präparate fehlen insgesamt, sagt Jan Bernd Harren von der Walburga-Apotheke.
Unzufriedenheit der Mescheder Apotheker mit der Politik
Kritisiert wird auch die politische Handhabe des Problems: „Das ist ein absolutes Harakiri“, sagt Dr. Dominik Vosshage von der Nordapotheke. Auch scheinbare Verbesserungen seien zweischneidig: „Die neue Gesundheitskarte gibt uns weniger Flexibilität.“
Kritik äußert Jan Bernd Harren besonders am Gesundheitsminister: „Der sitzt am Schalthebel und hat eigentlich nichts getan, was die Situation merklich verbessert hätte.“ Der Apotheker sieht die Politik schon für die Entstehung des Problems verantwortlich: „Wir müssen davon ausgehen, dass die Gesundheitspolitik der letzten 20 Jahre die Hersteller in Deutschland unter immensen preislichen Druck gesetzt hat. Die Medikamentenherstellung in Deutschland ist tot.“
Vosshage stimmt ihm zu: Viele Medikamente müssen daher importiert werden und bräuchten bis zur Lieferung noch länger. „Dadurch, dass sie aus dem Ausland kommen, müssen die Lieferungen mindestens drei Wochen in die Quarantäne.“
Mangel an Betäubungsmitteln in Meschedes Apotheken
Besonderen Mangel gebe es an Betäubungsmitteln für Palliativ-Patienten. „Man muss sehr eng mit dem Arzt zusammenarbeiten, dass man die Patienten umstellen kann“, sagt Vosshage. Dabei entstehe ein Mehraufwand und die Dauer bis zum Erhalt des Medikamentes verlängere sich. „Betäubungsmittel unterliegen einer besonderen Verschreibung“, sagt der Apotheker.
„Das kann man nicht per Telefon regeln, da muss man wirklich neu zum Arzt gehen“, erklärt Rips. Vor allem bestimmte Stärken von Betäubungsmitteln seien nicht zu bekommen. Mörchen fügt hinzu, beim Schmerzmittel Hydromorphon gebe es von 36 gelisteten Packungen 30 nicht.
Medikamente gegen Atemnot
Ein großes Problem gebe es auch beim Salbutamol-Spray, das bei Atemnot verwendet werde, erklärt er. Dies sei gerade zur Heuschnupfensaison besonders schlimm.
Ärzte sollten nur noch eine Verpackung verordnen. Patienten seien bereits an die Situation gewöhnt: „Der Kunde ist mittlerweile froh, wenn er überhaupt noch etwas bekommt“, schildert Mörchen. In der Walburga-Apotheke gebe es bereits eine längere Warteliste mit Menschen, die das Medikament nicht so dringend benötigten, sagt Harren.
Medikamentenmangel: Probleme für Diabetiker
„Abnehmspritzen sind in Deutschland ganz vom Markt“, sagt Vosshage. „Da ist ein ganz großer Mangel.“ Diese Spritzen würden insbesondere von Diabetikern gebraucht. Die Lieferung dauere teils Wochen, ergänzt Harren. „Darauf eine Therapie aufzubauen, ist natürlich schwierig.“
Hier sei auch der Internethandel ein Problem: „Da werden sogar schon Rezepte gefälscht.“ Auch Rips musste das schon feststellen: „Da bleiben wir dann teils auf den Kosten sitzen.“
Tollwut-Impfstoff nur im Notfalldepot
Zuletzt hatte Rips einen Patienten mit einem Tollwut-Biss: „Da mussten wir zweimal bis nach Hamm ins Notfalldepot fahren und dort einen Impfstoff holen.“ Bestellbar sei das Medikament nicht gewesen und alle nötigen Dosen durften beim ersten Mal nicht mitgenommen werden.
Die Lage bei Antibiotika habe sich verbessert, urteilt Mörchen. „Die Ärzte schreiben aber jetzt auch viel, viel weniger Antibiotika auf“, ergänzt Rips.
Ersatz für die fehlenden Medikamente
Eine Alternative für jeden Mangel zu finden, sei eine Herausforderung: „Die Ärzte machen da auch echt ganz gut mit, aber für den Patienten ist das echt schwierig“, sagt Mörchen. „Bisher haben wir immer noch etwas gefunden, aber es macht auch einfach keinen Spaß, so zu arbeiten.“
„Man muss unheimlich lange suchen, bis man etwas gefunden hat“, sagt Rips. „Es gibt nicht immer Alternativen“, ergänzt Vosshage. Besonders im Blutdruckbereich sei es oftmals schwierig, ein anderes Medikament zu finden und den Patienten darauf umzustellen.
Um besser mit dem Medikamentenmangel umgehen zu können, habe sich in Meschede bereits ein kleiner Kreis von Apotheken gebildet, die miteinander für eine bessere Verteilung der Medikamente kooperieren würden. „Weil es geht ja letztlich um das Wohl des Patienten“, betont Vosshage.