Meschede. Im Jahr 1985 wird Maria Lehmann in Meschede umgebracht. Der Fall gilt offiziell als ungelöst. Cold-Case-Ermittler haben ihn angeschaut.

Offiziell gilt dieser Mordfall bis heute als ungeklärt - weil der mutmaßliche Täter gestorben ist und nicht mehr befragt werden kann. Meschede, 1985: Maria Lehmann, damals 58 Jahre alt, wird tot in ihrem Auto am Hennesee bei Meschede entdeckt. Sie wurde umgebracht. Die Hintergründe der Tat sind anfangs unklar und werden es für lange Zeit bleiben.

Aussagen von Zeugen dürftig

Lehmann stammt aus Niederhenneborn, das Schützenfest im Nachbarort Kirchrarbach steht bevor. Die Frau ist deshalb auf dem Weg nach Meschede zum Friseur, als sie ihren Wagen aus unbekannten Gründen auf der Bundesstraße 55 vor Meschede neben der Fahrbahn stoppt, im Bereich der scharfen Kurven. Obwohl viele Fahrzeuge vorbeifahren, sind die Aussagen von Zeugen dürftig.

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Einen Mann unter dem Auto wollen manche gesehen haben, von Klamotten wie bei einem Blaumann ist die Rede. Ein Gesicht? Eine nähere Beschreibung? Nichts. Die Spurenlage: Es gibt Funde und die sind grässlich. Das Opfer ist erdrosselt worden und der Täter hat auch nicht vor den Genitalien halt gemacht. Dieser Punkt ist wichtig, weil er einen Sexualmord denkbar erscheinen ließ.

Ermittlungsgruppe in Dortmund

Mit heutiger Technik wäre das Verbrechen wahrscheinlich schon damals gelöst worden. In den 80ern blieb der Polizei meistens nichts anderes übrig, als Kleidung und sichergestellte Gegenstände nach der Untersuchung in Säcke zu verpacken und in Asservatenkammern aufzubewahren - in der Hoffnung auf modernere Zeiten, wo schon winzige Hautschuppen oder kleinste Blutspritzer neue Erkenntnisse bringen. Genau darauf setzt eine neue Ermittlungsgruppe „Cold Case“ am Polizeipräsidium Dortmund.

„Cold Case“, die kalten Fälle, sind jene, die „ausermittelt“ wurden, wie es im Fachjargon heißt. Jeder vorhandenen Spur wurde nachgegangen, jede Aussage überprüft - kein Ergebnis, kein neuer Ansatz. Oder vielleicht doch? 42 Fälle haben die Kriminalisten in Dortmund identifiziert, bei denen durch den Einsatz neuester kriminaltechnischer Untersuchungen doch noch eine Aufklärung möglich sein könnte. Der Fall Lehmann gehörte zu jenen, die zu Beginn dieses Jahr erneut bis ins Detail überprüft wird.

Der Ehemann als Täter?

„Es wird geschaut, ob eine Spur heute neu bewertet werden kann“, sagt Oberstaatsanwalt Thomas Poggel von der Staatsanwaltschaft Arnsberg, die für den Mord an Maria Lehmann zuständig ist. „Und es wird überprüft, ob mit aktuellen wissenschaftlichen Standards neue Ergebnisse erzielt werden können.“ Das Ergebnis aus Dortmund kurz und bündig: Die Prüfung hat keine neuen Ansätze ergeben. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft steht der wahrscheinliche Täter ohnehin fest: Es soll der längst verstorbene Ehemann des Opfers gewesen sein.

DNA-Proben hatten die Staatsanwaltschaft im Jahr 2001 auf seine Spur gebracht, denn schon einmal war der Fall Lehmann als „Cold Case“ behandelt worden: An Anhaftungen am Fahrzeug und an der Kleidung der Toten waren Spuren bei einer erneuten Analyse im Labor entdeckt worden. Sie müssten von einer Person aus dem Umfeld der Toten oder von einem fremden Mörder stammen, kombinierten die Ermittler daraufhin.

300 Männer beim Speicheltest

Sie baten alle männlichen Dorfbewohner rund um Oberhenneborn ab einem gewissen Alter zur DNA-Analyse. Rund 300 Personen gaben ihren Speichel ab - ohne Treffer. Dann wurde die Leiche des Ehemanns auf dem Friedhof exhumiert, um Vergleichsmaterial zu gewinnen. Das passte. Die Akte war damit geschlossen, offiziell gilt der Fall als ungeklärt oder nicht vollständig geklärt, weil der Mann nicht mehr befragt werden konnte und kein Geständnis und auch kein Urteil vorliegt.

Dass ab dem Jahr 2000 noch einmal Bewegung in den Fall Lehmann gekommen war, hatte mit einem weiteren Mordfall zu tun: 1983 - zwei Jahre zuvor - war eine junge Frau auf dem Heimweg vom Schützenfest in Oberhenneborn ermordet worden. Schon bald geriet ein Verdächtiger ins Visier der Ermittler, er gestand, dann widerrief er, letztlich wurde er zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Um die Jahrestausendwende bemühte er sich, unterstützt von seiner Familie, um ein Wiederaufnahmeverfahren.

Top-Anwalt beauftragt

Er beauftragte einen Top-Anwalt, die früheren Methoden der Ermittler wurden aus heutiger Sicht angezweifelt, es wurde versucht eine Parallele zu dem zweiten Mord an Maria Lehmann zu ziehen mit dem Zweck, dass der Falsche verurteilt worden sei und da draußen ein Serientäter frei herumlaufe. Für die Staatsanwaltschaft in Arnsberg war das zu der Zeit ein Anlass, beide Fälle noch einmal ganz genau anzuschauen - mit dem Ergebnis: Aus ihrer Sicht hat der Täter von Oberhenneborn im Gefängnis gesessen und im zweiten Mordfall zeigen alle neu gewonnen Spuren auf den Ehemann. Dabei bleibt es auch beim erneuten Blick in die Akten.