Eslohe. Mit 27 Jahren ist Marius Böhmer einer der jüngsten Lehrer an der Realschule Eslohe. Sein Unterricht ist bewegender als manch anderer.
Mit 27 Jahren ist Marius Böhmer einer der jüngsten Lehrer im Kollegium der Realschule Eslohe. Seit diesem Schuljahr unterrichtet er dort Deutsch, katholische Religion und Politik. Seine Unterrichtsstunden sind bewegend - und das im wahrsten Sinne des Wortes.
War für Sie schon immer klar, dass Sie Lehrer werden wollen?
Das stand für mich tatsächlich schon sehr früh fest und ich habe diesen Weg auch immer konsequent verfolgt. Nach meiner Schulzeit am Städtischen Gymnasium in Meschede habe ich zunächst meinen Bundesfreiwilligendienst beim Kinderschutzbund in Meschede absolviert. Dort habe ich bereits in der Betreuung gearbeitet und die Kinder und Jugendlichen bei den Hausaufgaben begleitet und sie beim Lernen unterstützt. Auf dieser positiven Grundlage war für mich einmal mehr klar, dass ich ein Lehramtsstudium aufnehmen möchte. Und das habe ich bis heute nie bereut. Ich bin sehr glücklich, diesen Weg eingeschlagen zu haben.
Warum haben Sie sich für die Realschule Eslohe entschieden? Hätte es für Sie auch eine Alternative gegeben?
Ich war mir von Anfang an sicher, dass ich nach meinem Studium auf jeden Fall wieder ins Sauerland zurückkehren möchte. Studiert habe ich eigentlich auf die Schulformen Gymnasium und Gesamtschule. Durch den Lehrermangel hat es sich dann aber ergeben, an die Realschule zu wechseln - und genau diese Möglichkeit wollte ich dann für mich ergreifen, weil mir die Realschule Eslohe in persönlichen Gesprächen immer wieder empfohlen worden war. Die Schule ist für ihr gutes Miteinander bekannt und hat sich im Laufe der Jahre einen sehr guten Ruf aufgebaut.
Wenn Sie an Ihre eigene Schulzeit denken: Woran erinnern Sie sich gern und woran nicht so gern?
Gerne denke ich an viele positive Interaktionen mit den Lehrern und das persönliche Miteinander des Lernens zurück - daher ist mir das auch heute im alltäglichen Unterrichten sehr wichtig. Woran ich mich hingegen sehr ungern erinnere, ist das starre Sitzen auf den Plätzen und das Ausharren über Stunden in den immergleichen Strukturen. Daher ist es mir als Lehrer ein besonderes Anliegen, diese Strukturen - wo immer es geht - aufzubrechen.
Bewegtes Lernen bringt intensivere Konzentration
Das heißt, in Ihrem Unterricht muss niemand stillsitzen?
Das natürlich schon. Aber ich versuche den Ansatz des „Bewegten Lernens“ zu verfolgen - also Lernen durch und mit Bewegung. Gerade in den unteren Jahrgangsstufen versuche ich, dass die Kinder einerseits ihren hohen Bewegungsdrang ausleben können und andererseits die Bewegungen für den Unterricht funktional sind und das Lernen unterstützen.
Lesen Sie auch:
Wie kann ich mir das denn im Deutsch-Unterricht konkret vorstellen, wenn man zum Beispiel an einer Lektüre arbeitet?
Das ist ein ganz gutes Beispiel. Wenn wir etwa einen Text haben, den die Schülerinnen und Schüler lesen sollen, und der darauf abzielt, dass bestimmte Fragen beantwortet werden, kann man sich das in etwa so vorstellen: Der Text wird in verschiedene Sinnabschnitte unterteilt, die dann entweder im Klassenraum oder irgendwo im Schulgebäude ausliegen. Dann werden die Schüler auf die Reise geschickt. Das hat den Vorteil, dass die Textmenge überschaubarer ist und ein größerer Fokus auf den Text besteht. Die Phasen, in denen sich die Schüler konzentrieren müssen, sind kürzer und durch die Bewegungen wird eben ein Ausgleich geschaffen.
Aber haben Sie nach der Bewegungsphase nicht die doppelte Mühe und Not, die Schüler wieder in die Ruhe zu bekommen?
Das ist am Anfang tatsächlich so. Daher braucht das Ganze zu Beginn ein wenig Übung. Wenn man das „Bewegte Lernen“ das erste Mal oder gar nur ein einziges Mal einsetzt, muss man damit rechnen, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit in einem heillosen Chaos endet (lacht). Wenn man es aber etabliert hat, funktioniert das wirklich sehr gut.
Sind Sie damit ein moderner Lehrer oder machen das inzwischen viele oder gar alle Kolleginnen und Kollegen so?
Ich würde sagen, es ist schon ein neuerer Ansatz, aber in kleineren Phasen sicherlich auch ein gängiges Modell. Ich versuche dieses Modell nach und nach zu öffnen, um nachhaltig ein Konzept zu entwickeln. Es gibt hier zwischen neuen und erfahrenen Lehrern stets einen regen Austausch. Es macht sicherlich wenig Sinn, den Kollegen etwas aufzudrängen. Aber grundsätzlich ist das Kollegium ohnehin immer offen für neue Ideen. Es gilt, erst einmal abzuklopfen, wie weit man dieses Spiel mit der Bewegung treiben kann. Daher ist der Austausch mit den erfahrenen Kollegen wichtig, wenn es darum geht, das Neue gut mit dem Bewährten zu verbinden. Es macht ja keinen Sinn etwas Neues zu etablieren, nur weil es neu ist. Es muss schon funktionieren.
Eine wertvolle zusätzliche Stunde
Was macht die Realschule Eslohe aus Ihrer Sicht aus?
Einmal das bereits erwähnte gute Miteinander. Und dann habe ich als neuer Klassenlehrer der 5c hautnah miterleben dürfen, dass wir ein sehr gutes Übergangssystem von der Grundschule zu den weiterführenden Schulen haben. Was die Schule ebenfalls ausmacht, ist die Tatsache, dass die Kernfächer Deutsch, Mathe und Englisch durchgehend fünfstündig unterrichtet werden. Auch hier stelle ich als Klassenlehrer einer fünften Klasse gerade fest, dass diese zusätzliche Stunde sehr wertvoll ist, um möglich Defizite, die durch die Corona-Pandemie entstanden sind, wieder auszugleichen. Und was die Schule natürlich auch ausmacht, ist zum einen der inzwischen bekannte MINT-Schwerpunkt und das sicherlich noch viel bekanntere Engagement bei den Musicals.
Wo sehen Sie als Lehrer aktuell und in Zukunft die größten Herausforderungen?
Eine der Herausforderungen für die Zukunft wird es mit Sicherheit sein, dass man als Schule sehr flexibel sein muss und auf die verschiedensten Dinge - vor allem auf die Digitalität - reagiert. Diesen Weg haben wir mit unseren iPad-Klassen schon längst eingeschlagen. Aber diese Konzepte müssen natürlich stetig weiterentwickelt werden - ebenso wie Schule an sich. Hier macht es einem die Schulpolitik nicht immer ganz einfach. Seit meinem Referendariat ist mir der organisatorische Aufwand noch einmal bewusster geworden. Ich bin der Meinung, dass der Fokus auf dem Unterricht und auf der Vorbereitung des Unterrichtes liegen sollte. Aktuell ist es aber so, dass der Lehrerberuf sehr viele Kapazitäten im Bereich der Organisation fordert - sei es bei den Vorbereitungen für mögliche Methodentage, für Klassenfahrten oder auch für Kommunikation mit anderen Stellen und Behörden.