Meschede. Wie kommt eine Norwegerin nach Meschede? Und was schätzt sie an ihrer neuen Heimat? Ein Gespräch mit Linda Buck, die mit ihrer Familie hier lebt.
Das Land mit der weltweit höchsten Entwicklung und der demokratischste Staat weltweit, ein Land, das außerdem sehr wohlhabend ist und über eines der großzügigsten und besten Sozialsysteme der Welt verfügt, hört sich an wie das Paradies auf Erden. Es wurde bereits im 8. Jahrtausend v. Chr. G. besiedelt, die legendären Wikinger kamen ab 800 v.Chr.G. von dort, und die heutige Monarchie kann ihre Linie bis ins 9. Jahrhundert n.Chr.G. zurückverfolgen. Heute regiert Harald V. in einer konstitutionellen Monarchie mit stark parlamentarischen Zügen dieses Vorzeigeland, womit natürlich Norwegen gemeint ist. Was könnte also einen Bürger Norwegens zur Auswanderung bewegen? Immerhin leben in Deutschland ca. 7000 Menschen mit norwegischem Migrationshintergrund. Eine davon, Linda Buck, lebt in Meschede und hat erstaunliche Antworten für uns.
Wie und warum sind Sie nach Meschede gekommen?
Da muss ich etwas ausholen und dem Zufall oder noch besser meiner Mutter die „Schuld geben“: Wenn sie sich nicht als Krankenschwester vor mehr als 40 Jahren in einem norwegischen Krankenhaus um einen Duisburger Reeder, der auf seinem Containerschiff einen Unfall erlitten hatte, so liebevoll gekümmert hätte, wäre ich wohl heute nicht hier. Jedenfalls hat der Patient, also mein Vater, seine Traumfrau mit nach Deutschland genommen und geheiratet. 2008 habe ich dann in Düsseldorf meinen Ehemann Abesalon Dabakhishvili kennengelernt, mit dem ich zwei Töchter, Lila Laila und Lille Liebe bekommen habe. 2020 sind wir nach Meschede gezogen, weil mein Mann dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Fachhochschule Südwestfalen ein Angebot bekam. Zuerst war ich nicht unbedingt begeistert, Düsseldorf zu verlassen. Als ich aber unser neues Heim hier am Klausenberg gesehen habe, war ich von jetzt auf gleich sicher: Hier wollen wir leben, und das hat sich bis heute nicht geändert.
>>> Lesen Sie auch: Gasthaus Stimm Stamm bei Meschede neu eröffnet: So schmeckt es dort <<<
Was gefällt Ihnen denn so an Meschede?
Da ist als erstes die für uns völlig neue Erfahrung einer intakten Nachbarschaft zu nennen. Das kannten wir so nicht: Nachbarschaftsfest, als regelmäßige Institution, Weihnachtsliedersingen und vor allem das freundliche Miteinander hier auf dem Klausenberg sind sicherlich nicht selbstverständlich. Unsere Kinder können noch auf der Straße spielen. Jeder nimmt Rücksicht, und in der Coronazeit haben wir uns alle gegenseitig unterstützt. Schulen und Kindergärten sind ausgesprochen gut organisiert und verfügen über qualifizierte Mitarbeiter. Meine Herkunft ist absolut unproblematisch. Wir fühlen uns hier ausgesprochen wohl und gut aufgehoben, was vielleicht auch an meinen kreativen Kuchen und Backwerken liegen könnte. Ich bin einfach ein kreativer Mensch, der immer etwas werkeln, dekorieren oder umgestalten muss.
Welche norwegischen Bräuche vermissen Sie hier?
Die Norweger sind auf jeden Fall traditionsbewusster. Der Nationalfeiertag am 17. Mai ist ein wirklich festlicher Tag. Viele tragen mit Stolz ihre Trachten und die Flaggen flattern nicht nur an diesem Tag fröhlich im Wind. Aber auch andere Bräuche, wie z.B. der Milchreis zu Weihnachten, wo in einem Schälchen eine Mandel versteckt ist, die den Finder mit einem Extrageschenk belohnt, möchte ich nicht missen. Ich spreche natürlich Norwegisch, habe aber leider zu selten Gelegenheit dazu. Ich denke, dass ich eine emanzipierte Frau bin, was vielleicht auch norwegisches Erbgut ist: Norwegen gilt als Pionier der Frauenrechte, schon 1884 wurde die Frauenrechtsvereinigung gegründet. Ich fühle mich Norwegen sehr verbunden und lebe gleichwohl gern hier.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Oh ja: Es ist nichts so schlimm, dass es nicht für irgendetwas gut ist. Das nennt man heute wohl positives Denken. Das gab es immer schon und vielleicht sollten wir uns alle ein wenig mehr darum bemühen, um in diesen global angespannten Zeiten Ruhe und Gelassenheit zu bewahren?