Eslohe. Eslohes Bezirksbeamtin Gabi Lingemann war die erste Frau, die im HSK für die Polizei Streife gelaufen ist. Hier schildert sie ihre Erfahrungen.
Wenn Eslohes Bezirksbeamtin Gabi Lingemann Ende Oktober in den Ruhestand geht, scheidet eine ganz besondere Beamtin aus dem aktiven Polizeidienst. Die Polizeihauptkommissarin war 1992 die erste Frau im Wach- und Wechseldienst auf einer Polizeiwache im Hochsauerlandkreis. Die erste Frau im Streifendienst! Was damals noch etwas ganz Besonderes war, ist heute längst zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Wir haben uns in den letzten Wochen ihres Polizeidienstes mit Gabi Lingemann zum Interview getroffen.
„Einige konnten damals mit einer Frau in Uniform nicht umgehen“
Frau Lingemann, Sie waren im HSK die erste Frau im Streifendienst der Polizei. War das anfangs ein Problem im Kollegenkreis?
Bei den Kollegen war das zumindest ganz am Anfang tatsächlich schon schwierig. Für sie war es schwer einzuschätzen, wie es sein wird, mit einer Frau an der Seite zu arbeiten. Es hat Kollegen gegeben, die damals nicht gern mit mir Einsätze gefahren sind, weil sie sich mit mir als junge Frau nicht sicher gefühlt haben. Ich hatte schon den Eindruck, dass ich mich mehr beweisen musste als ein männlicher Kollege der neu ins Team kommt. Ich muss aber auch dazu sagen, dass sich das recht schnell gelegt und eingespielt hat.
Und wie hat die Bevölkerung auf eine Frau in Polizeiuniform reagiert?
Das war eigentlich im Nachhinein noch viel amüsanter. Wenn ich als Wachhabende hinter der Theke auf der Polizeiwache Bürger beim Hereinkommen gefragt habe, wie ich helfen kann, haben sie an mir vorbeigesprochen und sich an meinen männlichen Kollegen gewendet. Und auch draußen im Streifendienst hat es solche Situationen anfangs gegeben. Wenn wir zu zweit einen Wagen angehalten haben und ich den Fahrer angesprochen habe, gab es Leute, die ihre Antwort auf meine Frage an meinen Kollegen gerichtet haben. Einige konnten damals mit einer Frau in Uniform nicht umgehen. Aber auch das hat sich recht schnell eingespielt. Und heute ist es ja eigentlich egal, wer kommt.
Hat Sie das damals persönlich getroffen?
Nein, eigentlich nicht. Ich hatte mir schon gedacht, dass das nicht einfach sein würde in der ersten Zeit.
Entschlossenheit, Empathie und Neugier mitbringen
Was muss man als Polizistin denn mitbringen?
Als Grundvoraussetzung würde ich sagen Entschlossenheit, Empathie und Neugier. Ich denke, mehr braucht es eigentlich nicht. Alles andere kann man lernen.
Nun sind sie seit vier Jahren Bezirksbeamtin in Eslohe. Wie haben Sie in diesen Jahren Eslohe und die Esloher erlebt?
Eslohe ist klein. Viele Menschen kannte ich daher schon vor meinem Dienstantritt, weil ich ja auch hier wohne. Und in der Funktion als Bezirksbeamtin ist man in einer so kleinen Kommune natürlich sowieso recht schnell bekannt. Es war wirklich von Anfang an sehr nett und es gab vom ersten Tag an ein gutes Vertrauensverhältnis zu den Bürgerinnen und Bürgern.
Langeweile gibt es keine
Mit welchen Anliegen kommen die Menschen denn zu ihnen?
So ziemlich mit allem. Es melden sich Menschen, die eine Anzeige erstatten wollen oder Menschen, die Ruhestörungen beklagen. Andere kommen vorbei, weil sie ihren Führerschein abgeben müssen und fragen, ob sie das auch bei mir erledigen können. Oft geht es aber auch einfach um reine Information. Zeitweise waren zum Beispiel recht viele Menschen hier, die Fragen zum neuen Führerschein hatten und wissen wollten, wann sie ihn erneuern lassen müssen. Und es klingeln auch Menschen an der Tür, die einfach nur reden wollen - nicht allzu häufig, aber hin und wieder kommt das vor.
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Haben Sie für so etwas denn Zeit?
Diese Zeit nimmt man sich, denn das gehört zum Bezirksdienst mit dazu.
Ist das beschauliche Eslohe nicht ein langweiliger Arbeitsplatz für eine Polizistin?
Nein. Langeweile hat man als Bezirksbeamtin auch in Eslohe nicht. Ich habe bestimmte Aufgaben, die ich zu erledigen habe - etwa Haftbefehle vollstrecken oder Fahrerermittlungen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Die restliche Zeit kann ich mir dienstlich so gestalten, wie ich möchte und wie es eben Sinn macht. Ich kann mich um Bürgerersuchen oder intensiver um die Schulwegsicherung kümmern, Streife laufen und einfach für die Bürgerinnen und Bürger da sein. Genau das ist es ja, was die Arbeit einer Bezirksbeamtin oder eines Bezirksbeamten ausmacht: Die Nähe zum Bürger. Das Vertrauensverhältnis zum „Dorfsheriff“ ist durch die Nähe und Präsenz anders als das zu den Kollegen von der Wache in Meschede.
„Mama, Mama da ist Frau Lingemann“
Was ist denn schöner: Bezirksdienst oder Streifendienst?
Der Bezirksdienst - obwohl ich auch immer sehr gern Streifendienst gemacht habe. Aber mit 60 Jahren ist man aus dem Alter raus, in dem man den Schichtdienst mit dem Wechsel Früh-, Spät- und Nacht einfach wegsteckt.
Ist Respektlosigkeit gegenüber der Polizei auch in Eslohe ein Thema?
Ja, so etwas gibt es auch in Eslohe. Aber längst nicht in einem solchen Ausmaß wie in anderen Orten. Hier in Eslohe sind das tatsächlich Ausnahmen. Aber im Prinzip gibt es hier alles, was es in anderen Städten und Gemeinden auch gibt - nur eben nicht so oft.
Was ist ihnen denn zum Ende der Dienstzeit besonders positiv in Erinnerung geblieben?
Als besonders schön und positiv habe ich immer den Kontakt zu den Kindern empfunden - sei es bei der Schulwegsicherung in den Kindergärten oder bei der Verkehrsziehung in den Grundschulen. Es ist immer wieder schön, wenn Kinder ihre Mama auf der Straße am Ärmel ziehen und sagen „Mama, Mama da ist Frau Lingemann.“ Es ist toll, dass mich die Kinder erkennen. Diese Aufgaben gehören mit zu den schönsten einer Bezirksbeamtin.
Was ich auch immer als besonders positiv empfunden habe, ist die Zusammenarbeit mit der Gemeinde. Egal, mit welchem Amt ich zu tun hatte - sei es das Ordnungsamt, das Sozialamt oder das Schulamt - es hat immer alles wunderbar und ganz unkompliziert geklappt und das ist sicherlich nicht unbedingt eine Selbstverständlich. Und zu den positiven Erinnerungen zählen natürlich auch all die Momente, in denen ich Menschen tatsächlich helfen konnte und eine entsprechende Rückmeldung bekomme habe.
Die schlimmen Seiten des Berufs
Und was bleibt besonders negativ in Erinnerung?
Ganz schrecklich fand und finde ich immer Einsätze, bei denen Kinder involviert sind - etwa, wenn man im Streifendienst zu häuslicher Gewalt ausrücken musste und vor Ort gesehen hat, dass kleine Kinder betroffen sind. Und zu den negativen Seiten des Polizeidienstes zählen sicherlich auch Todesbenachrichtigungen, die man überbringen muss. Jetzt als Bezirksbeamtin ist es für mich das Schlimmste, wenn ich zu einem Wildunfall gerufen werde und ein verletztes Tier erschießen muss, um es zu erlösen. Das kommt in dieser waldreichen Region leider nicht selten vor. In den vier Jahren Bezirksdienst hatte ich bestimmt sieben oder acht solcher Einsätze.
Gibt es auch bestimmte Einsätze an die sich erinnern - negativ wie positiv?
Es gibt einen Einsatz, der beschäftigt mich tatsächlich bis heute, obwohl er schon eine sehr lange Zeit zurückliegt. Damals bin ich zum Suizid eines Jugendlichen gerufen worden. Das war wirklich schrecklich. Zum einen, weil dieser junge Mensch sein ganzes Leben noch vor sich gehabt hätte. Zum anderen aber auch, weil meine Tochter damals im gleichen Alter war. Das wird mir wahrscheinlich nie wieder aus dem Kopf gehen.
Es gibt aber natürlich auch schöne Dinge, die ich sicherlich nicht vergessen werde. Etwa den kleinen aufgeweckten Jungen, der mich seit der Verkehrserziehung kennt und mir seitdem immer hinterherruft und mir immer etwas zu erzählen hat, wenn wir uns sehen.
>>> HINTERGRUND <<<
Im Oktober 1982 trat Gabi Lingemann ihren Dienst bei der Polizei an. Nach ihrer Ausbildung war sie zunächst bei einer Einsatzhundertschaft in Bork bei Selm. Anschließend wechselte sie zunächst in den Märkischen Kreis und dann in den Hochsauerlandkreis. Hier war sie in Arnsberg, Sundern und Meschede tätig, bevor sie vor vier Jahren ihre Stelle als Bezirksbeamtin in Eslohe angetreten ist, wo sie auch wohnt. Gebürtig stammt Gabi Lingemann aus dem Ruhrgebiet. In Eslohe lebt sie seit ihrer Jugend.
Inzwischen gibt es 126 Polizeibeamtinnen, die bei der Kreispolizeibehörde in Meschede ihren Dienst versehen. Damit liegt der Frauenanteil aktuell bei 32 Prozent. Rechnet man die weiblichen Regierungsbeschäftigten - also die Angestellten - hinzu, erhöht sich der Anteil auf knapp 35 Prozent. Tendenz steigend.
Der Anteil weiblicher Polizeivollzugsbeamter hat sich in NRW in den vergangenen Jahren kontinuierlich erhöht. 2018 lag der Frauenanteil noch bei 24,1 Prozent, aktuell liegt er im Land bei 31,1 Prozent. Im Jahr 2027, so wird prognostiziert, soll der Anteil der Polizeivollzugsbeamtinnen 36,6 Prozent betragen.