Meschede. Hat Meschede ein Problem mit männlichen Jugendlichen, die beleidigen und schikanieren? In der Innenstadt wurden nun zwei Kinder zum Opfer.

Von ihrem Taschengeld wollten die Brüder (8 und 11) eigentlich nur ein Eis kaufen in der Mescheder Innenstadt. Sie fuhren stolz mit ihren Fahrrädern los und kamen zwei Stunden später nach Hause – beide waren verstört, der jüngere weinte immer noch. Das war geschehen.

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Am Wasserspiel in der Mescheder Ruhrstraße wurden die Kinder angegriffen. Kein Erwachsener stoppte die Aggressoren.
Am Wasserspiel in der Mescheder Ruhrstraße wurden die Kinder angegriffen. Kein Erwachsener stoppte die Aggressoren. © WP | Ilka Trudewind

Schätzungsweise 13 bis 14 Jahre

Die Jungen erzählten ihrer Mutter, dass sie in der Ruhrstraße von zwei älteren Jungen verfolgt und beleidigt wurden und dann am Wasserspiel vor der Parfümerie Völker ausgebremst wurden. Die Peiniger sollen schätzungsweise 13 und 14 Jahre alt gewesen sein. Sie nahmen den Kindern die Fahrräder weg und sagten: „Küss meine Hand oder küss den Reifen, dann kriegst du es zurück.“ Der Achtjährige weinte, der ältere Bruder versuchte die Situation in den Griff zu kriegen. Schließlich hielten sie die Helme der Kinder unter den Wasserstrahl des Brunnes und ließen von den Kindern ab.

„Misch’ dich nicht ein“

Meist geht es in der Mescheder Innenstadt friedlich zu. Doch nur wenige Schritte von hier wurden vor wenigen Wochen zwei Kinder verhöhnt und beleidigt. Die Täter waren zwei Jugendliche, nur wenige Wochen älter als ihre Opfer.
Meist geht es in der Mescheder Innenstadt friedlich zu. Doch nur wenige Schritte von hier wurden vor wenigen Wochen zwei Kinder verhöhnt und beleidigt. Die Täter waren zwei Jugendliche, nur wenige Wochen älter als ihre Opfer. © Bongard

Die Mutter stellt sich nun die Frage, wie es um die Zivilcourage in Meschede bestellt ist. Die Innenstadt sei zum Zeitpunkt der Übergriffe voller Menschen gewesen. Lediglich eine Frau habe gestoppt und gefragt, was los sei. Die Jugendlichen hätten gerufen: „Misch’ dich nicht ein, das ist ein Privatgespräch“, daraufhin sei die Frau weitergelaufen.

„Wenn ein Kind weint, würde ich sofort nachfragen. Auch wenn ich dann von Jugendlichen angemacht werde“, sagt die Mutter entschieden.

Anfangsverdacht: Nötigung

So sieht es auch die Polizei. „Das weinende Kind ansprechen, dazwischen gehen, andere Menschen einbinden und auch die Polizei rufen“, sagt Michael Schemme, Sprecher der Polizei im Hochsauerlandkreis. Denn er sieht in dem geschilderten Fall den Anfangsverdacht einer Nötigung.

Die Mutter meldete sich nicht bei der Polizei. „Wir haben ja keinen Sachschaden“, sagt sie. Doch die Polizei rät dazu, auch nachträglich noch eine Anzeige zu stellen. Laut Schemme sei es nun wichtig, den Kindern zu zeigen, dass die „Stadt nicht voller böser Menschen ist, sondern die freundlichen überwiegen“.

Doch das wird nicht so leicht sein, denn der geschilderte Nachmittag hat Spuren hinterlassen: „Meine Jungs trauen sich vorerst nicht mehr allein in die Stadt“, schildert die Mutter die Gefühlslage ihrer Kinder.

Wer steckt hinter diesen feigen Übergriffen auf Kinder? Gibt es in Meschede Probleme mit Gruppen männlicher Jugendlichen? Laut Polizeisprecher Schemme spiegele dies die Statistik für die Mescheder Innenstadt nicht wider. Die Situation sei keinesfalls besorgniserregend „wie es beispielsweise eine Zeit lang in Arnsberg war“.

Treppenhaus vom Herum als Schwerpunkt

Ludger Siepe ist als Bezirksdienstbeamter der Polizei in Meschede tätig.
Ludger Siepe ist als Bezirksdienstbeamter der Polizei in Meschede tätig. © Jürgen Kortmann

Erfasst werden in der Statistik jedoch lediglich Anzeigen und Einsätze – keine Stimmungen. Diese schilderte der Bezirksdienstbeamte Ludger Siepe kürzlich in einem Interview mit dieser Zeitung recht deutlich. „Die Frechheiten von Jugendlichen haben zugenommen, etwa seit zwei Jahren fällt mir das auf. Die sagen: „Pack mich nicht an!“ „Lass mich los!“ „Das darfst du nicht. Ich kenne meine Rechte.“ Man wird geduzt, polizeiliche Maßnahmen werden stellenweise in Frage gestellt“, sagte er.

Ein Schwerpunkt sei das Treppenhaus vom Henne-Ruhr-Markt, wo Jugendliche abhängen. Aber auch aus den Geschäften gebe es Beschwerden. Es würden Wasserbomben in die Läden geworfen oder fangen zwischen den Regalen gespielt. „Wenn die Angestellten sie darauf ansprechen, werden sie teils verbal angegangen“, erklärte Ludger Siepe.

Hausverbot bei dm

In diese Kategorie passt auch die Beobachtung einer Zeugin vor wenigen Wochen. Vier Jugendliche wurden von einer Angestellten am Eingang der Drogerie dm gestoppt mit dem Hinweis, dass sie Hausverbot hätten. Die Jugendlichen wurden ausfallend und die Verkäuferin musste die Filialleitung rufen, um die jungen Männer zu vertreiben. Die Polizei wurde nicht gerufen, der Konflikt taucht somit auch nicht in der Statistik auf.

„Das ist ein neues Phänomen hier. In den späten Nachmittagsstunden gehen neuerdings wahrscheinlich eben diese Jugendlichen durch die Stadt und fallen auf“, so Siepe in dem Interview. „Wir haben im Blick, wie sich das entwickelt: Werden da vielleicht Grenzen ausgetestet? Straftaten oder andere Störungen werden wir nicht dulden und gehen konsequent dagegen vor.“