Meschede. Antibiotika, Cholesterinsenker, krampflösende Mittel: Auf dem Arzneimittel-Markt fehlt es überall. So ist die Situation in Meschedes Apotheken.
Sein Job war schon mal deutlich entspannter. Dominik Mörchen ist ganz offen, wenn er über seine aktuelle Lage spricht. Der Chef der Apotheke am Brunnen in Meschede ist kaum noch damit beschäftigt, sich um sein eigentliches Kerngeschäft zu kümmern - seit einigen Jahren verlagert sich der Arbeitsalltag des Apothekers immer häufiger hinter den PC-Bildschirm. Grund dafür ist die andauernde Medikamentenknappheit in Deutschland, die auch Meschede und Umgebung besonders betrifft.
Bereits in den vergangenen Jahren hatten Apothekerverbände immer wieder auf Missstände im Versorgungssystem hingewiesen. Immer wieder kam es – besonders im Zuge der Corona-Pandemie – zu Engpässen bei der Versorgung bestimmter Medikamente.
Erst waren es nur Fiebersäfte für Kinder, die fehlten. Mittlerweile summiert sich die Liste von fehlenden Pharmazeutika in der Mescheder Walburga-Apotheke von Jan Bernd Harren auf 225. „Es kann nicht sein, dass wir seit Jahren immer wieder darauf hinweisen, dass wichtigste Schlüsselarzneien fehlen, sich in der politischen Landschaft aber nichts bewegt“, kritisiert der Apotheker aus dem Hochsauerlandkreis die politischen Verantwortlichen.
Kunden werden vertröstet
Die Walburga-Apotheke in der Zeughausstraße muss Kunden in den vergangenen Monaten immer wieder vertrösten, wenn es um bestimmte Produkte geht. Insuline, blutdrucksenkende Mittel oder einfache Schmerzmittel seien teilweise über Wochen nicht lieferbar. „Die Kunden haben mittlerweile schon Verständnis dafür, dass wir nicht alles vorrätig haben. Eigentlich ist das traurig, aber es ist die bittere Realität: Die Leute haben sich an den Zustand gewöhnt“, so Harren.
Den Trend bestätigen kann auch Heinz-Dieter Schnier, der die St.-Nikolaus-Apotheke in Freienohl betreibt. Besonderes Kopfzerbrechen bereiten dem Apotheker seit einigen Monaten bereits Fiebersäfte für Kinder. „Das Problem, die Arzneien zu bekommen, wird seit Jahren größer“, macht er deutlich. Zur Mangelware gehören aber auch Antibiotika, Cholesterinsenker, Betablocker, krampflösende Medikamente als auch blutdrucksenkende Mittel. Schniers Erfahrungen mit den Engpässen: „Es sind vielschichtige Gründe, warum die Mittel nicht geliefert werden können“, sagt er. Mal sei Papierknappheit der Grund, mal sind es fehlende Verschlüsse für Flaschen. „Problematisch ist aber auch, dass die Preise für Container auf Frachtschiffen sehr hoch sind. So finden die Medikamente ihren Weg aus Asien nicht nach Deutschland.“
Intensiver Austausch
Auch Schnier hat die Erfahrung gemacht, dass Kunden sich bereits mit dem Problem abgefunden hätten. „Ich kann dann nichts anderes machen, als nach Rücksprache mit dem Arzt ein alternatives Medikament zu geben oder zu einer anderen Apotheke zu verweisen“, so Schnier. Unter den Apothekern in Meschede gäbe es laut Schnier bereits einen intensiven Austausch darüber, in welcher Apotheke es meist fehlende Mittel gibt. „So können sich die Kunden immerhin Wege sparen“, sagt Schnier.
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Kern der Problematik, da sind sich die Apotheker aus Meschede einig, seien die „Rabattverträge der Krankenkassen“, wie es Dominik Mörchen formuliert. Ein Produkt wird auf dem Markt zu günstigsten Konditionen angeboten und die Krankenkasse unterstützt nur den Kauf genau dieses Medikaments. Die Produktion von Arzneimitteln verlagerte sich über diesen Weg in den vergangenen Jahren nach Asien, wo die Produkte kostengünstig produziert werden können.
Die Mescheder Apotheker fordern unabhängig voneinander: Die Produktion von Schlüsselarzneien müsse wieder zurück nach Deutschland verlagert werden. „Schon im vergangenen Jahr hieß es, dass die Produktion wieder nach Deutschland verlegt werden müsse. ich frage mich, wann das endlich passieren soll“, so Heinz-Dieter Schnier.
Keine Entspannung in Sicht
Mittel- und langfristig sehen die Pharmazeuten keine Entspannung auf dem Arzneimittel-Markt. „Früher sind die Leute aus den Niederlanden oder aus Österreich nach Deutschland gekommen, um hier Arzneiprodukte zu kaufen. Heute ist es andersherum“, so der Betreiber der St.-Nikolaus-Apotheke. Und Kollege Dominik Mörchen fordert: „Die Frage, warum sich nichts bessert, müssen das Gesundheitsministerium um Herrn Lauterbach und politische Verantwortliche beantworten.“
Kritisch schätzt auch das Kreisgesundheitsamt des HSK die Lage auf dem Arzneimittel-Markt ein. Von dort heißt es: „Die Versorgungslage ist zurzeit insbesondere hinsichtlich der Versorgung mit Antibiotikasäften für Kinder problematisch.“ Um das Problem einzudämmen, wurde vom Bundesministerium für Gesundheit die Möglichkeit geschaffen „befristet entsprechende Präparate abweichend von den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes durch pharmazeutische Großhandlungen oder einzelne Apotheken im Ausland zu beschaffen und in Deutschland in Verkehr zu bringen.“ Diese Maßnahme könnte laut Gesundheitsamt im HSK zu einer kurzfristigen Verbesserung der Versorgungssituation führen.
Forderung nachvollziehbar
Die Forderung nach einer Verlegung der Verlagerung der Produktion bestimmter Schlüsselarzneimittel nach Deutschland ist laut HSK-Gesundheitsamt „nachvollziehbar und sinnvoll, um Abhängigkeiten zu verringern, wird aber erst mittel- bis langfristig zu einer Verbesserung der Versorgung führen können.“