Bad Fredeburg. Im September des letzten Jahres ist ein Mann mit seinem Auto am Hotel Jagdhaus Wiese in eine Gruppe Menschen gefahren. Jetzt stand er vor Gericht.
Es war ein Vorfall, der vielen Schmallenbergern vermutlich in Erinnerung geblieben ist: Am Sonntag, 19. September 2021, fährt ein 84-Jähriger mit seiner Frau in die Einfahrt des Hotels Jagdhaus Wiese ein. Anstatt zu parken, passiert aber etwas, womit keiner gerechnet hatte: Der Fahrer, der mit seiner Frau aus Marl kommt und in das Hotel einchecken möchte, beschleunigt seinen BMW und fährt in eine Gruppe sitzender Menschen. Vier Urlaubsgäste werden bei dem Unfall schwer, zwei leicht verletzt.
Jetzt stand der mittlerweile 85-jährige Mann vor dem Amtsgericht in Bad Fredeburg und musste sich wegen fahrlässiger Körperverletzung verantworten: „Meine Frau und ich sind bei herrlichem Wetter Richtung Hotel Jagdhaus Wiese gefahren. Wir haben zwischendurch auch einen Stopp gemacht und ich habe mich gut gefühlt“, so der Angeklagte.
Angekommen in Jagdhaus fuhren die beiden aus Marl auf das Gelände des Hotels: „Ich kann mich nur bis zu einem gewissen Punkt an alles erinnern. Ich weiß noch, wie ich das Lenkrad ganz fest gehalten habe. Meine nächste Erinnerung ist die, dass viele Leute besorgt um mich herumstanden und ich nach meiner Frau gefragt habe.“
Richter Ralf Fischer machte auf ein „Problem“ aufmerksam: „Vor einiger Zeit ist es schon einmal zu einem Unfall gekommen. Damals hatte die Polizeibeamten Sie aufgefordert, dass Sie ihre Fahreignung überprüfen lassen sollten.“ Der Angeklagte gab daraufhin zu, dass er nach dem damaligen Unfall sehr aufgeregt gewesen war und die Beamten eventuell deshalb darauf bestanden hatten, dass er seine Fahrtauglichkeit überprüfen lassen sollte. „Ja, ich habe Parkinson. Aber ich bin von meinem Arzt sehr gut eingestellt und habe mich nie nicht in der Lage gefühlt mit dem Auto zu fahren.“ Dann passierte das zweite Unglück in Jagdhaus,
Zeugen waren vor Ort und sagten aus
Ralf Fischer wies daraufhin, dass genau das der rechtliche Knackpunkt sei: Es mache einen fatalen Unterschied, wenn der Angeklagte von einer Fahrunfähigkeit gewusst habe oder sich vor der Fahrt nicht gut gefühlt habe und trotzdem ins Auto gestiegen wäre oder ob er während der Fahrt bewusstlos und somit schuldunfähig gewesen wäre. Fischer hatte vom Kreis Recklinghausen, zu dem auch der Wohnort des Angeklagten zählt, die Führerscheinakte angefordert - sie aber nicht erhalten. Es sei ihm sehr schwer gemacht worden, sagte er.
Zu der Verhandlung waren vier Zeugen geladen. Alle waren durch den Unfall verletzt worden. Ein Mann und seine Frau aus Bottrop hatten leichte Verletzungen am Ellbogen und am Knie sowie Fleischwunden und Hamartome erlitten. „Wir haben den Wagen auf das Gelände fahren sehen und noch gesagt, ‘Guck mal, da kommt ein Nachbar von uns’. Der Wagen ist erst ganz langsam geworden und dann hat der Fahrer plötzlich beschleunigt“, so schilderte es die Frau.
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Ein weiteres Ehepaar wurde zu dem Vorfall befragt. Die Frau weinte auf dem Zeugenstuhl und merkte direkt an, dass sie eine Traumatherapie mache und es ihr nicht leicht falle jetzt auszusagen. Sie wollte aber dennoch etwas zum Vorfall sagen und erläuterte, dass sie unter dem Auto gelegen hatte und ihr Arm schrecklich weh tat: „Daran kann ich mich noch gut erinnern. Ich wurde dann ins Krankenhaus gebracht und lag acht Tage auf der Intensivstation, weil Erbrochenes in meine Lunge gekommen war. Ich musste beamtet werden.“
Fahrerlaubnis freiwillig abgegeben
Der Angeklagte entschuldigte sich bei jedem Zeugen persönlich und erklärte, dass er im Vorfeld sich schon schriftlich bei allen gemeldet hatte. „Es tut mir sehr leid, dass Sie mit in diesen Vorfall verwickelt worden sind. Ich wünsche Ihnen wirklich gesundheitlich alles Gute.“ Ein weiterer Pluspunkt für ihn war, dass der Angeklagte erläuterte, dass er die Fahrerlaubnis nach dem Unfall freiwillig abgegeben habe: „Das ist wirklich vernünftig und auch dass Sie sich bei den Verunfallten gemeldet haben, kann man ihnen sehr positiv anrechnen“, so Fischer.
Letztlich hätte das Gericht noch ein gesundheitliches Gutachten anfordern und den Arzt des Mannes verhören können, was aus Sicht von Fischer aber nicht viel ändern würde, da der Mann schon die Fahrerlaubnis abgegeben habe: „Ich verstehe, dass es im Alter schwierig ist sich gewisse Defizite einzugestehen und die Freiheit des Autofahrens aufgeben muss. Aber dieser folgenschwere Unfall hat gezeigt, was passieren kann“, so Ralf Fischer zum Ende der Verhandlung.
Das Verfahren wurde eingestellt und der Angeklagte muss eine Geldbuße von 5000 Euro an UNHCR zahlen, eine gemeinnützige Organisation, die Flüchtlingen weltweit hilft.