Meschede. Vier Änderungsschneidereien gibt es in der Mescheder Innenstadt. Wir stellen die Handwerker vor und sagen, was der Service kostet.
Vorbei ist die Zeit, in der jede gute Hausfrau ihre Naht noch selber nähte. Ein Riss in der Hose, ein defekter Reißverschluss, ein Kleid, das für den Abiball gekürzt werden muss. Änderungsschneidereien bieten dabei ihre Hilfe an. Wer sitzt da an der Maschine und was kostet der Service? Und nutzen ihn mehr Menschen angesichts der allgemeinen Preissteigerungen.
Anke Isenberg
Anke Isenberg hat das Handwerk von der Pike auf gelernt. Sie setzt auf Qualität. Die 50-jährige Meschederin ist Damen-Schneider-Gesellin und nur deshalb keine Meisterin, „weil für die Meisterschule zweimal nicht genug Teilnehmer zusammenkamen.“ 2020 eröffnete sie ihr eigenes Geschäft „Nähwerk“ in der Briloner Straße. Dort näht sie Lieblingsstücke, bietet aber auch Stoffe, Zubehör, Änderungen und Nähkurse an.
Sie findet auch kreative eine Lösung, wenn jemand gehandicapt ist. Allgemein beobachtet sie, dass die Kunden eher bereit sind, Geld für die Änderung oder Reparatur zu bezahlen -gerade, wenn das Kleidungsstück mal teuer war. Eine Hose flickt sie noch für sechs Euro, ein neuer Reißverschluss für eine Winterjacke kostet bis zu 50 Euro Aber selbst bei einem Stundenlohn von 39 Euro, „damit bin ich am unteren Ende der Handwerkerstunde“ - bekommt man dafür eben oft keine neue Jacke. Auch Anke Isenberg muss deutlich mehr fürs Material investieren: „Nähgarn ist seit 2020 schon dreimal teurer geworden und manche Reißverschlüsse haben lange Lieferzeiten.“
Eine Hose kürzen kostet bei Anke Isenberg - je nach Aufwand - zwischen 7 und 28 Euro, ein neuer Reißverschluss für die Jeans 19 Euro.
Murat Büyüktekin
Murat Büyüktekin hat die City-Änderungsschneiderei in der Zeughausstraße - mit Poststelle. Der 44-Jährige hat das Schneiderhandwerk in der Türkei gelernt, in Konya, in Zentralanatolien. „Mit 12 Jahren war ich mit der Schule fertig und ging in die Lehre“, erzählt der Vater von drei Kindern. „Das war damals so.“ Seine Kinder, da ist er überzeugt, werden das anders machen. „Der Älteste ist 20 und studiert schon“, erzählt der Vater stolz. Seit 22 Jahren ist er nun in Deutschland, hat erst ein Geschäft in der Ruhrstraße eröffnet und zog später in die Zeughausstraße um.
Er nähe alles, „wirklich alles“, betont er und zählt auf: Leder, Gardinen, Rucksäcke, Kleider, selbst einen Hut und eine Basketball-Mütze hat er gerade erst geändert. Für das meiste gebe es Spezialmaschinen. Viele Kunden seien Stammkunden, dazu kommt eine Kooperation mit Jeans Fritz,Taifun und Gerry Weber. „Die Kleidungsstücke werden im Geschäft umgesteckt und ich stelle sie in ein bis zwei Tagen fertig.“ Corona, so sagt er, sei eine harte Zeit gewesen. „Das war schrecklich, alle Geschäfte hatten ja zu.“ Er ist froh, das jetzt die Stammkunden wiederkommen. Und er sieht auch vermehrt Eltern mit Kindersachen „Die Menschen sparen. Daran merkt man das.“
Eine Hose zu kürzen, kostet bei Murat Büyüktekin 8 Euro, für einen neuen Jeans-Reißverschluss verlangt er 10 bis 12 Euro.
Semra Arslan
Mit 13 Jahren machte die heute 40-Jährige einen Start-Kurs Schnittmuster. Mit 18 heiratete sie und zog nach Deutschland. Genäht hat sie weiter gern. „Ich habe immer für die Familie genäht, für Freunde und Bekannte.“ Als die Ehe scheiterte und sie sich scheiden ließ, zog sie 2012 mit ihren zwei Kindern nach Freienohl, „in die Nähe meines Bruders.“ Auch dort macht sie weiter Änderungsarbeiten, nähte eigene Kleidung und fertigte Duplikate aus Bestehendem an, bevor sie 2018 ihr eigenes Geschäft eröffnete.
„Es ist nicht so, dass nur Frauen kommen“, widerlegt sie ein Vorurteil. Es kommen alle, Männer und Frauen, jedes Alter. Oftmals werde sie gebeten, ein Lieblingsteil zu retten, „so lange bis es schon unter der Maschine auseinanderfällt“, sagt sie und lacht. Ihre Preise hat sie jetzt erhöht. „Viele Kunden sagen, das ist richtig. Alles wird teurer. Ich brauche Geld für Strom, Material und Zeit.“ Und auch die Kunden sparen. „Ich merke das daran, dass sie mehr Kindersachen bringen“, erzählt sie. „Für zehn Euro bekommt man eine neue Jeans, doch trotzdem lassen sie sie noch für sieben Euro flicken.“
Eine Hose zu kürzen, kostet bei Semra Arslan 7 Euro, ein neuer Reißverschluss für die Jeans kostet 10 Euro.
Can Thierry Poissonnier - „das tapfere Schneiderlein“
Can Poissonnier sitzt noch in seinem Geschäftslokal Im Rebell, wenn es in der Nachbarschaft schon längst dunkel geworden ist. „Ich schlafe unter der Maschine sagt er“ und lacht. Tatsächlich wohnt der alleinstehende 42-Jährige in der Innenstadt - allerdings am am Kaiser-Otto-Platz. Geboren in der Türkei, in Antakya, kam er nach Umwegen über Paris nach Meschede. „In Paris habe ich das Schneiderhandwerk gelernt“, erzählt er. Erst habe er neue Mode geschnitten und genäht, später in einem größeren Betrieb Konfektionsware erstellt. „Da kamen die fertig geschnittenen Sachen auf den Tisch und wir haben sie zusammengenäht.“
In Meschede ist er seit 2006. „Hier mache ich ausschließlich Änderungen“, sagt er. Häufig brächten die Kunden eine neue Hose, die gekürzt werden müsste und dazu gleich drei vier weitere, ältere Kleidungsstücke zum Ändern. „Junge Leute bringen Abiball-Kleider und Schützenuniformen.“ 50 Prozent mache ungefähr der Anteil an Änderungen für gebrauchte Sachen aus. 50 Prozent sei Neugekauftes.
Eine Hose zu kürzen, kostet bei bei Can Poissonier 8 bis 10 Euro, eine Jeans umzunähen, zwischen 5 und 9 Euro, ein neuer Reißverschluss für die Jeans kostet 8 bis 10 Euro.
Hintergrund
Der Änderungsschneider (ursprünglich Flickschneider) ist in Deutschland ein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf nach dem Berufsbildungsgesetz und der Handwerksordnung.
Man macht dafür in Deutschland eine zweijährige Lehre und absolviert eine Prüfung vor der Handwerkskammer. Hat man diese oder eine vergleichbare Ausbildung nicht, darf man sein Gewerbe auch eigentlich nicht Änderungsschneiderei nennen.