Bestwig. Die Bestwiger Wälder verkommen immer mehr zur Müllhalde. Der Hegering Bestwig beobachtet das mit Wut und Sorge. Nun ist das Maß voll.
Die Jäger des Hegerings Bestwig sind Kummer gewöhnt, wenn sie Jahr für Jahr in ihrer konzertierten Aktion durch die Reviere streifen, um die Wälder von Müll und Unrat zu befreien. Inzwischen ist allerdings ein Maß erreicht, das erschreckend sei, sagen sie. Ingo Krey ist Jäger im Hegering Bestwig, Jan Wiese ist Jäger und Schriftführer. Eines betonen sie ausdrücklich: „Es spricht nichts dagegen, wenn sich Menschen in ihrer Freizeit in den Wäldern aufhalten.
Und es sagt sicherlich auch niemand etwas, wenn beim Spaziergang mal unbemerkt etwas zu Boden fällt.“ Es könne und dürfe aber nicht sein, dass der Wald in Teilen wie ein Schlachtfeld aussieht. Denn mit versehentlich liegengelassenem Müll, habe das, was die rund 30 Jäger bei ihrer jüngsten Aufräumaktion in den Revieren gefunden haben, beim besten Willen nichts mehr zu tun: Badewannen, Autoreifen, Bauschutt und ganze Hausstände haben die Hegerings-Mitglieder schon seit jeher immer wieder aus den Wäldern geholt. Und das war in diesem Jahr nicht anders.
8000 Hektar Grundfläche
Exakt 760 Kilo Schrott, Müll und Unrat haben sie aus den Revieren befördert und in den sieben Kubikmeter fassenden Container der Firma Lobbe geworfen, der am Ende randvoll war. 8000 Hektar Grundfläche von Eversberg bis kurz vor Elpe gehören zum Bereich des Hegerings. Aufgeteilt ist die Fläche in rund 30 Reviere. Etwa die Hälfte dieser Reviere haben sich die Mitglieder bei der jüngsten Aktion vorgeknöpft. Entsprechend könne davon ausgegangen werden, dass immer noch jede Menge Müll im Wald liege, sagt Wiese. Und man dürfe nicht vergessen, dass der Unrat schließlich nicht nur bei der jährlichen Gemeinschaftsaktion aus dem Wald geholt werde. „Das ganze Jahr über nehmen wir immer wieder säckeweise Müll mit, wenn wir in den Revieren unterwegs sind - genau wie die Waldeigentümer“, sagt er.
Probleme durch A46 und Corona
Deutlich schlimmer geworden seien die Probleme zum einen mit der Eröffnung der Autobahn, die quasi quer durch die Reviere oder über sie hinweg führt. „Da wird der Müll einfach aus dem fahrenden Auto geschmissen“, weiß Wiese: Kaffeebecher, leere Verpackungen, Taschentücher alles lande in den Bestwiger Wäldern jenseits der Autobahn und an den Betriebswegen. Zum anderen habe aber auch Corona dafür gesorgt, dass noch mehr Müll in den Wäldern liege. Lockdowns, Außer-Haus-Verkäufe und das Verbot, die Speisen rund um die Gastronomie-Betriebe zu verzehren, hätten die Menschen in Scharen in die Wälder getrieben - und das eben nicht nur zum Spazierengehen, sondern auch für gemütliche Treffen bei Döner, Pizza, Burgern und Co.
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„Das wäre alles kein Problem, wenn die Menschen ihre Essenreste und die Verpackungen wieder mitnehmen würden, aber genau das machen viele eben nicht.“ Zuletzt habe man im allertiefsten Wald die Verpackung einer Schwarzwälder-Kirsch-Torte gefunden - mit einem Reststück Torte darin. „Da fragt man sich wirklich, was die Leute geritten hat und wie man darauf kommt, mit einer Tiefkühl-Torte erst tief in den Wald zu wandern“, sagt Wiese.
Und dabei gehe es nicht nur darum, dass irgendwer hinter solchen Leuten ständig hinterherräumen müsse. Es gehe vor allem auch um die Gefahren für die Tiere im Wald. Zum einen können die Tiere an gammeliger Sahnetorte und schimmeligen Dönerresten schwer erkranken, zum anderen können sie sich an scharfkantigen Getränkedosen, Scherben und Kronkorken schwer verletzen.
Hauptsache, das Auto glänzt
„Wir würden uns hier schon ein bisschen mehr Umsicht, Verständnis und Vernunft wünschen“, sagt Wiese und spricht damit auch seinem Jagd-Kollegen Ingo Krey aus der Seele. Es könne nicht das Ziel sein, angesichts der zunehmenden Vermüllung statt einmal im Jahr künftig quartalsweise zur großen Säuberungsaktion aufzubrechen, sagt Krey. Entsprechend appellieren die beiden an die Vernunft der Umweltsünder - stellvertretend für all ihre Jagdkollegen, aber auch für all die anderen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die Jahr für Jahr in den Orten der Gemeinde zur Aktion „Saubere Landschaft“ zusammenkommen. „Ich weiß wirklich nicht, was daran so schwierig ist, seinen Müll mit nach Hause zu nehmen und dort in die Tonne zu werfen“, sagt Krey.
Aber leider gebe es viele Treffpunkte, die man heute aufräume und die am nächsten Tag schon wieder wie ein Schlachtfeld aussehen. Etwa der Bereich, in dem sich die Straße Richtung Föckinghausen mit dem Feldweg kreuzt der parallel zur Autobahn verläuft. Er hat sich zu einem beliebten Treffpunkt in den Abendstunden entwickelt - mit den bekannten Folgen. „Wenn man abends an den einschlägigen Treffpunkten vorbeikommt, dann denkt man sich schon: Wenn die Müllentsorgung so gut klappen würde, wie das Polieren der Sneaker und des Autos, dann hätten wir an dieser Stelle keine Probleme“, sagt Krey.
Kriminelle Energie
Gedankenlosigkeit ist dabei das eine Probleme. Die kriminelle Energie manch eines Umweltsünders ein weiteres: Allein 30 Autoreifen haben die Hegeringsmitglieder bei ihrer jüngsten Aktion entdeckt - in einer Böschung Richtung Föckinghausen und im Bereich des Knükels in Velmede. Zum Teil war vor der illegalen Entsorgung mit einem scharfen Messer die Stahlfelge herausgeschnitten worden, um mit dem Metallschrott noch ein wenig Geld zu machen. Auch ein Heimtrainer und ein Ofen war diesmal mit dabei.
Die Kosten für die Entsorgung der 760 Kilo Schrott und Müll hat auch in diesem Jahre wieder die Firma Lobbe übernommen. Insgesamt 350 Euro hätte es gekostet, wenn das Unternehmen die ehrenamtlichen Helfer nicht unterstützen würde. Rund 80 der 350 Euro wären für das Aufstellen des Containers und die Transportkosten fällig geworden. Der Rest sind die reinen Entsorgungskosten. „Kosten, die nicht sein müssen, wenn manch einer ein wenig mehr Umweltbewusstsein entwickeln würde“, sagt Jan Wiese.
- Seit 2015 treffen sich die Mitglieder des Hegerings Bestwig einmal im Jahr, um die Wälder zu säubern. In der Regel beteiligen sich rund 20 bis 30 Hegeringsmitglieder an einer solchen Aktion.
- Zunehmend zu einem Problem sind auch Helium-Ballons geworden, die gern bei Kindergeburtstagen oder Hochzeiten in den Himmel geschickt werden. Sie landen häufig in den Wäldern. Dort verfangen sich Tiere in den Schnüren. Manche verhungern sogar qualvoll, weil sich Teile des Ballons im Darm festgesetzt haben. Bis ein Folienballon im Wald komplett verrottet ist, dauert es bis zu 400 Jahre.
- Ein Altreifen braucht 2000 Jahre bis zur Verrottung, Styropor sogar 6000 Jahre. Plastiktüten sind nach 20 Jahren verrottet, PET-Flaschen nach 500 Jahren, Zigarettenkippen nach 10 bis 15 Jahren.
- FFP-2-Masken, die zuletzt ebenfalls sehr häufig einfach achtlos weggeworfen sind, sind erst nach 450 Jahren verrottet.