Meschede/Arnsberg. Die größte Gefahr, Opfer einer Straftat zu werden, besteht am Laptop: Ein Staatsanwaltschaft aus Meschede berichtet über seinen Beruf.
In den gängigen Krimis ist der Staatsanwalt oder die Staatsanwältin oft klischeehaft vertreten: Sie liefern den ermittelnden Polizisten die gesetzliche Grundlage für Hausdurchsuchungen und erteilen Haftbefehle, manchmal zügig und manchmal zögerlich, was den Ermittlern dann schwer zu schaffen macht. Während wir aber von den Ermittlern inzwischen auch das komplette Privat- und Gefühlsleben vorgesetzt bekommen, bleibt der Staatsanwalt so eine Art „graue Eminenz“. Er oder sie stehen im Hintergrund, haben enorme Machtbefugnisse, sind aber fast nie präsent oder menschlich fassbar. Dieses Klischee ist auch in Meschede verbreitet, wie uns Oberstaatsanwalt Thomas Poggel gern bestätigt. Die „graue Eminenz im Hintergrund“ widerlegt er schon auf Anhieb durch sein zugewandtes, freundlich entspanntes Auftreten. Also fragen wir nach.
Welche Aufgaben gehören in den Bereich der Staatsanwaltschaft?
Zentrale Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist die Strafverfolgung. Im weitesten Sinne zählen dazu die Führung des Ermittlungsverfahrens, die Entscheidung, ob ein Verfahren eingestellt oder ob Anklage erhoben werden soll, die Vertretung der Anklage in der Hauptverhandlung und schließlich die Strafvollstreckung. Als Anklagevertreter bin ich auch regelmäßig beim Amtsgericht Meschede tätig. Das ist aber nur ein kleiner Teil meiner Tätigkeit. Die meiste Zeit sitze ich am Schreibtisch in meinem Büro in Arnsberg. Ich bin dort als Abteilungsleiter mit neun Staatsanwälten und Staatsanwältinnen im Wesentlichen zuständig für Tötungsdelikte, Brandsachen, Betäubungsmittelstrafsachen, Wohnungseinbrüche und Bandendelikte. In meinem eigenen Dezernat bearbeite ich die Pressesachen und die Rechtshilfeangelegenheiten, das heißt die Ermittlungsersuchen unserer Staatsanwaltschaft an ausländische Staaten und die eingehenden Ermittlungsersuchen aus dem Ausland laufen über meinen Schreibtisch. Dazu kommen dann noch Verwaltungsaufgaben als stellvertretender Behördenleiter, insgesamt ein bunter Strauß von Aufgaben.
Werden mehr Verfahren eingestellt oder angeklagt?
Etwas mehr als 10 Prozent der Verfahren werden angeklagt, der Rest der Verfahren wird eingestellt oder anderweitig erledigt. Hinter dieser großen Zahl von 90 Prozent verbergen sich aber auch Einstellungen mit einer Auflage oder auch Verbindung von Verfahren oder Abgabe von Verfahren an eine andere Staatsanwaltschaft. Es ist tatsächlich so, dass deutlich weniger Verfahren zur Anklage gebracht als eingestellt werden, weil kein ausreichender Tatverdacht besteht. Das ist gerade unsere wesentliche Aufgabe im Ermittlungsverfahren, zu prüfen, ob die Beweise für eine Überführung reichen oder auch nicht. Die Ermittlungen werden in beide Richtungen geführt. Wenn es unwahrscheinlich ist, dass es zu einer Verurteilung kommt, erheben wir keine Anklage. Allerdings wechseln die Delikte von Zeit zu Zeit: So ist etwa in letzter Zeit die Kriminalität im Internet deutlich gestiegen.
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Jedes dritte Verfahren dürfte damit zusammenhängen. Darunter fallen Betrugstaten im Internet, z.B. so genannte fake shops, oft gut gemachte Seiten vermeintlicher Onlinehändler, die mit verlockenden Angeboten Geschädigte zu Käufen auf Vorkasse veranlassen. Die Ware wird nie geliefert. Das Geld verschwindet auf Konten im Ausland. Aber auch Beleidigungen und Bedrohungen in sozialen Netzwerken zählen hierzu und nicht zuletzt die Kinderpornographie. Andererseits ist die Zahl der Tötungsdelikte in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, auch bei den Wohnungseinbrüchen gab es einen deutlichen Rückgang zu verzeichnen. Letzteres war zum Teil auf die Corona Pandemie zurückzuführen, die Leute waren einfach mehr zu Hause. Wesentlich war aber auch eine Intensivierung der Ermittlungen aufseiten der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Es wurden deutlich mehr Tatverdächtige ermittelt, angeklagt und verurteilt.
Warum sind Sie Staatsanwalt geworden?
Die Arbeit bei der Staatsanwaltschaft fand ich mit Abstand am interessantesten. Schauen sie sich an, wie viele Krimis und Doku-Soaps im Fernsehen laufen. Ich habe sie in den Sitzungen und werde noch dafür bezahlt. Nein, Spaß beiseite: Die Sachverhalte, mit denen wir zu tun haben, sind einfach äußerst vielfältig. Es gibt Schicksale, die einen berühren. Menschliche Abgründe, die sich auftun, gerade im Bereich Kinderpornographie. Es gibt aber auch Sachverhalte, die einen schmunzeln lassen. Wir haben halt mit vielen Lebenssachverhalten zu tun. Und so vielschichtig, wie das Leben ist, ist auch unsere Arbeit.
Wie reagieren die Mitmenschen auf Ihren Beruf?
Die meisten schrecken erst mal zurück. Ich weiß nicht, ob sie überlegen, was sie schon angestellt haben. Wenn sie mich oder meine Kolleginnen und Kollegen kennenlernen, sehen sie aber, dass wir auch nur ganz normale Menschen sind.