Meschede. Um gefälschte Impfpässe zu erkennen, müssen Mescheder Apotheker Detektivarbeit leisten. Kommen mit der Impfpflicht neue Betrugsversuche?
Erst seit dem 24. November 2021 erhebt die Polizei im HSK offiziell die Zahl der gefälschten Impfpässe - bis heute sind es knapp 70. „Es gab aber auch im Vorfeld schon einige“, erklärt Polizeipressesprecher Sebastian Held, „die wurden allerdings nicht einzeln erfasst.“ Die meisten kamen direkt im ersten Monat zusammen. 40 waren es von Ende November bis Ende Dezember. Auch landesweit war das der Monat mit den höchsten Zahlen - mehr als 1400 Verdachtsfälle registrierte damals des Landeskriminalamtes. Mit der nun drohenden Impfpflicht erhält die Betrugsmasche möglicherweise neuen Schwung.
Die Tatverdächtigen
Als tatverdächtig machte die Polizei im HSK bisher sowohl Männer als auch Frauen vor allem mittleren Alters zu etwa gleichen Anteilen aus. Zwei Drittel der Fälle wurden in Apotheken festgestellt. Die anderen kamen durch Hinweise aus der Bevölkerung ans Licht oder waren Zufallsfunde bei Kontrollen. Die meisten gemeldeten Verdachtsfälle im HSK gab es laut Held im Raum Arnsberg.
Verdacht eines Arbeitgebers
Zurzeit scheint die erste Welle etwas abgeflacht. „Die Fälscher wissen mittlerweile, dass wir Apotheker gut informiert und vorsichtig sind“, erklärt Apotheker Klaus Mörchen von der Apotheke am Brunnen. Christiane Rips von der Ruhr-Apotheke sieht das etwas skeptischer. „Eher sind die Fälschungen immer besser geworden“, fürchtet sie. In ihrer Apotheke hat sie bewusst nur ein gefälschtes Dokument gesehen. „Und das war so gut, dass ich es nicht erkannt hätte.“ Ein Arbeitgeber zeigte ihr den Impfpass seines Mitarbeiters und wollte wissen, ob der wohl echt sei. Die Nachforschungen ergaben, dass Chargennummer und Termin nicht zusammenpassten. „Doch das im normalen Tagesgeschäft für jeden Pass zu recherchieren, ist fast unmöglich“, erklärt die Apothekerin.
Detektivarbeit nötig
„Da sei schon manches Mal Detektivarbeit nötig“, findet auch Klaus Mörchen. Etwa fünf Verdachtsfälle hat er an die Polizei gemeldet, auch schon mal bis Hamburg oder Wuppertal in Impfzentren angerufen. Vor Ort kenne man die Impfzentren und die impfenden Ärzte, wisse ob die Daten passen. Er habe aber auch schon Menschen erklärt, dass er ihr digitales Zertifikat jetzt hier nicht ausstelle. „Ich mache das für die Menschen in der Region. Aber warum sollte ich das für jemanden machen, der beispielsweise in Wuppertal lebt und ich berechtigte Zweifel habe?“ Da gebe es ja keine Eile. Das könne jeder in seinem Heimatort, bei seinem Apotheker erledigen und solange eben den Impfpass nutzen.
Sputnik-Impfung zählt nicht
Auch Jan Bernd Harren von der Walburga-Apotheke hatte einige Verdachtsfälle, „doch die konnten wir letztlich ausräumen.“ Und auch er erfüllte nicht jeden Digitalisierungs-Wunsch der Kunden. Dazu kamen Impfpässe, die durchs Raster fielen. „Wer zweimal mit Sputnik geimpft ist, gilt als nicht geimpft, auch wenn die nächste Spritze dann mit Moderna vorgenommen wurde.“ Das ist für den Betroffenen ärgerlich, die Nachfrage in der Apotheke aber nicht kriminell. „Es gab aber auch vereinzelt Kunden, die mit der ersten kritischen Nachfrage ihren Pass gleich wieder von der Theke gezogen haben und verschwanden.“ Letztlich angezeigt hat er niemanden. „Wir leben hier in der Kleinstadt und haben nicht die kriminellen Strukturen wie in mancher Großstadt.“
Harren rechnet allerdings damit, dass die Betrugsversuche mit der Aktualisierung der Cov-Pass-App und der Corona-Warn-App zunehmen. „Dann kann man den Impfstatus direkt auf dem Start-Bildschirm sehen. Das wird dann noch mal interessant.“
Eine Vollzeitstelle ist in jeder Apotheke beschäftigt
Alle befragten Apotheker hätten sich gewünscht, dass mit den ersten Impfungen bereits ein zentrales Impfregister eingerichtet worden wäre. „Wir können zum Beispiel die Krankenkassen-Karten auslesen“, erklärt Harren, „wenn es da einen Sektor für die Impfung gegeben hätte - wäre das sehr hilfreich gewesen.“ Denn ansonsten bedeute die Digitalisierung vor allem eine hohe Arbeitsbelastung. „Eine Vollzeitstelle ist damit beschäftigt - in jeder der sieben Mescheder Apotheken“, so schätzt er.
Ein frühzeitig eingerichtetes zentrales Impfregister wäre auch eine gute Vorbereitung auf die kommende Impfpflicht gewesen, finden die Apotheker. Sonst sei diese ja kaum zu kontrollieren. Auch wenn es nicht ihre Aufgabe sei, darüber zu entscheiden, betont Christiane Rips. „Das ist Sache der Politik.“
Darauf kann man achten, wenn man Impfausweise kontrolliert
1) Impfabstände: Normalerweise beträgt der Impfabstand bei den mRNA-Imfpstoffen drei bis sechs Wochen, bei AstraZeneca kann der Impfabstand bis zu 12 Wochen betragen.
2) Impfdatum: Wann wurde die erste Impfung durch wen datiert? Hausärzte impfen erst seit Anfang April.
3) Inhalt Impfpass: Bei einem ansonsten leeren Impfpass lohnt sich die Nachfrage, warum das so ist. Bei gefälschten Pässen sind es nicht selten zwei verschiedene Ärzte, die eingetragen wurden. Oftmals handelt es sich dann um gestohlene Arztstempel, nicht selten von Praxen, die gar nicht mehr existieren. Ein kurzer Blick ins Internet verrät, ob die Anschrift noch aktuell ist.
4) Etiketten tragen mittlerweile ein Wasserzeichen und der Impfstoff von Moderna einen 2DCode. Zu Beginn mussten die Etiketten von den Impfzentren/Arztpraxen selbst ausgedruckt werden.
5) Eingelegte Seiten: Die Impfpässe sind getackert. Durch Öffnung der Klammern kann eine Originalseite eines anderen Impfpasses eingelegt werden. Die nun vorgelegte Impfung wurde also tatsächlich durchgeführt – nur nicht bei demjenigen, der den Impfpass vorlegt. Verbogene Tackernadeln oder ausgefranste Löcher können ein Indiz dafür sein, dass der Pass einmal auseinander genommen wurde.
6) Sollte die Apotheke daran zweifeln, dass der Impfpass echt ist, kann die Ausstellung des digitalen Impfpasses verweigert werden. Denn: Nur Praxen, die die Schutzimpfung durchgeführt haben, sind ohne Einschränkung verpflichtet, auf Wunsch des Patienten ein digitales Zertifikat zu erstellen.