Meschede. Die St.-Walburga-Realschule in Meschede ist als faire Schule zertifiziert. Was das bedeutet und an welchen Stellen es Widerstand gab.
Seit sechs Jahren ist die Walburga-Realschule als „Faire Schule“ zertifiziert. Ein langer Weg, der Schüler und Lehrer immer wieder vor Herausforderungen stellt - nicht nur bei Schokoriegeln und „grauem“ Papier. „Wer hätte gedacht, dass Heinz Bruning, damals noch Schulleiter, so an seinem Schokoriegel hängen würde?“, erinnert sich Lehrerin Waltraud Enste und lacht. 2014 hatten an der Walburga-Realschule Projekttage zum Thema „Wo die Schokolade herkommt“ stattgefunden. Nach dem Unterricht erklärte eine Schülerin: „Wenn faire Schokolade doch so gut ist, warum verkaufen wir sie dann nicht im Schulkiosk?“ Ja, warum eigentlich nicht?
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Antrag an den Schulleiter
Vier Schülerinnen taten sich zusammen und formulierten einen offiziellen Antrag an den Schulleiter. Die Gepa als großer europäischer Importeur fair gehandelter Lebensmittel wurde angeschrieben. „Wir testeten Produkte und die kamen gut an“, erinnert sich die Waltraud Enste und auch Heinz Bruning konnte überzeugt werden.
Es folgten der faire Kaffee fürs Lehrerzimmer und recyceltes Kopierpapier. Immer wieder habe man zähe Diskussionen geführt und Vorbehalte überwinden müssen, erinnert sich Enste: „Einige Kollegen waren überzeugt, dass sie den fair gehandelten Kaffee nicht vertragen, andere lehnten das recycelte Papier als zu dunkel für Bleistift-Striche ab.“ Letztlich sei es gut gewesen, dass das Erzbistum als Schulträger die Ziele unterstützt habe. Und als es darum ging, ob sich die Realschule als „Faire Schule“ zertifizieren lässt, ließ sich eine Mehrheit dann doch begeistern. 2015 wurde die Schule dann ausgezeichnet. „Jetzt, für die Rezertifizierung, die wir im Sommer 2021 beschlossen haben, gab es ein einstimmiges Votum“, freut sich die stellvertretende Schulleiterin Claudia Heitkamp-Kappest. „Alle stehen dahinter.“
Dafür steht „faire Schule“
Denn „faire Schule“ steht heute für viel mehr als für Schokoriegel und Papier. „Es geht auch um den Umgang miteinander, wie wir die Umwelt schützen und uns ehrenamtlich engagieren“, erklärt Schulseelsorgerin Martina Thiele. Sie leitet die AG „Faire Schule“, die in der neunten Klasse als Wahlpflichtfach angeboten wird. Ein Projekt behandelte ausbeuterische Kinderarbeit, ein anderes den Weg der Jeans vom Baumwollanbau bis zum Verkauf. Aktuell geht es darum, welche wertvollen Rohstoffe in Handys stecken und wie und warum man sie recyceln sollte. „Die Schüler versuchen zu ihren Projekten auf dem Schulhof oder auf dem Markt mit anderen ins Gespräch zu kommen. Sie waren zuletzt ganz euphorisch, weil das gut geklappt hat und sie die Schulkameraden von der Wichtigkeit der Themen überzeugen konnten.“ Auch wenn es sich also um ein Projekt der Neuntklässler handelt, würden so auch die übrigen Stufen eingebunden, betont Claudia Heitkamp-Kappest.
Rückschläge und Ärgernisse
Natürlich gab es auch Rückschläge und Ärgernisse. So hat die Schule auch mal versucht College-Blöcke und Hefte aus Recycling-Papier zum Kauf anzubieten. „Aber das wurde nicht nachgefragt“, erinnert sich Waltraud Enste. „Die Hefte wurden alt und wirkten dann schmuddelig.“ Auch Corona hat dem Projekt geschadet. „Als der Kiosk im März 2020 von einem Tag auf den anderen geschlossen werden musste, mussten wir im Anschluss einiges entsorgen, weil das Haltbarkeitsdatum abgelaufen war.“ Doch das langfristige Ziel hat die Schule nicht aus den Augen verloren. Es folgten weitere Projekte. So näht Lehrerin Susanne Klinke mit Schülern aus gespendeten Stoffen „Boomerang Bags“: Diese Taschen können an vielen Stellen in der Stadt einfach mitgenommen und für das Verstauen des Einkaufs genutzt werden. Später werden sie zurückgelassen, bis sie ein anderer braucht. Dahinter steht das Prinzip „Leihen statt kaufen“.
„Es ist schon erstaunlich“, findet Waltraud Enste, „wie aus dem Anstoß einer Schülerin ein solch umfassendes Schulprojekt erwachsen konnte. Heute sehe ich uns damit am Puls der Zeit.“
3 Fragen an Schulleiter Matthias Laumann
1. Wo sehen Sie die größte Herausforderungen für die Schulen in der heutigen Zeit?
Eine große Herausforderung stellen die gesellschaftlichen und familiären Veränderungen dar. Diese machen vielfältige, zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen und Hilfestellungen notwendig.
Daneben bleibt die Digitalisierung eine Herausforderung. Auch wenn die älteren Schülerinnen und Schüler, die jüngeren werden langsam herangeführt, sowie Lehrkräfte sehr gut mit den iPads zurechtkommen, ist
die Weiterentwicklung schülerorientierter Konzepte sehr aufwändig.
2. Mit Blick auf Corona, wo spüren Sie bei Eltern, Schülern und Lehrern die größten Veränderungen?
Ich sehe die größten Veränderungen bei den Schülerinnen und Schülern. Für sie war das Wegbrechen der realen sozialen Kontakte äußerst belastend. Dazu kamen einige beim Unterricht auf Distanz organisatorisch an ihre Grenzen. Deshalb freuen sie sich nun über den täglichen Präsenzunterricht und hoffen, dass dies so bleibt.
3. Kirche erhält viel Gegenwind. Merken Sie das als Schule in kirchlicher Trägerschaft?
Wir erleben eher das Gegenteil. Gesellschaftliche und familiäre Veränderungen verunsichern Eltern. Deshalb wünschen sie sich die zugewandte Unterstützung bei der Erziehung. In Gesprächen äußern sie, dass die wertegeleitete Erziehung und Orientierung durch Auseinandersetzung mit Glauben und Religion in besonderer Weise zur Persönlichkeitsentwicklung beiträgt. Das enorme Engagement für Fairness und Nachhaltigkeit zeigt exemplarisch, dass uns dies gut gelingt.