Meschede/Hochsauerlandkreis. Hätten Sie das gewusst? Zum neuen Jahr wird der gelbe Schein digitalisiert. Warum es heftige Kritik von Ärzten und Krankenkassen gibt.

Die Arztpraxen im Kreis stehen seit Beginn der Corona-Pandemie ohnehin unter einer enormen Belastung. Doch zu Tests und Impfungen kommt spätestens am 1. Januar 2022 eine weitere Herausforderung hinzu: Dann müssen niedergelassene Ärzte auf die so genannte „eAU“, die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sowie zeitnah auch auf elektronische Rezepte (eRezept) umstellen.

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Einwände durch Ärzte und KVWL

Hausarzt Jörg Tigges kritisiert den Zeitpunkt der Einführung stark, Einwände der Ärzte, Krankenversicherungen sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) blieben jedoch weitgehend unerhört. Das Gesundheitsministerium besteht auf die fristgerechte Umstellung auf die eAU mitten in der Hochphase der Booster-Impfungen. Lediglich das eRezept erhält noch etwas Aufschub.

Eigentlich sollen Ärzte die Dokumente bereits seit dem 1. Oktober 2021 elektronisch erstellen und versenden. Doch bislang galt eine Übergangsregelung, erst zum neuen Jahr müssen laut Ministerium endgültig alle Praxen in der Lage dazu sein, die eAU auszustellen. Zunächst jedoch nur, um diese an die Krankenkassen zu schicken. Eine direkte Weiterleitung an die Arbeitgeber der Patientinnen und Patienten kommt am 30. Juni 2022 hinzu. Beim eRezept hat das Gesundheitsministerium dieser Tage zurückgerudert und aufgrund einer Vielzahl an Gegenstimmen aus Ärzteschaft und Krankenkassen zugestanden, dass die Ergebnisse der noch laufenden Feldtests nicht ausreichen, um das eRezept flächendeckend schon zum Januar einzuführen.

Angespannte Abläufe

Doch auch die eAU sei noch lange nicht ausreichend erprobt und würde die aktuell ohnehin schon angespannten Abläufe in den Praxen massiv stören, sagt Jörg Tigges: „Das Problem ist, dass noch nicht mal flächendeckend die Hardware-Voraussetzungen gegeben sind. Unabhängig davon gibt es bei der eAU derzeit bei den Praxen, die sie nutzen wollen, massive Probleme im Versand. Das eRezept konnte bislang noch nicht getestet werden, eigentlich weiß keiner wie das gehen soll. Ausreichende Tests in realer Umgebung haben nicht stattgefunden.“

Die KVWL hat in der Woche vor Weihnachten bereits auf die Befürchtungen von Krankenkassen und Ärzten reagiert und einen Fahrplan veröffentlicht, wie ab dem 1. Januar am besten damit umgegangen werden soll, wenn das Ausstellen und Versenden von der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in einer Praxis noch nicht einwandfrei funktioniert. „Der wiederholte Hinweis, den auch die KVWL immer wieder mit Nachdruck vorgebracht hat, dass die entsprechende Infrastruktur zum Jahreswechsel nicht flächendeckend zur Verfügung stehen und funktionieren wird, hat das Ministerium bei seiner Entscheidung leider nicht berücksichtigt“, heißt es von der Kassenärztlichen Vereinigung Mitte des Monats.

Im Notfall in Papierform

Daher rät man schlicht und einfach dazu, letztlich doch noch die bekannte AU in Papierform zu nutzen, sollte die benötigte Software zum 1. Januar noch nicht funktionieren. Ebenso wird eine Zwischenlösung vorgeschlagen, ein so genanntes Ersatzverfahren, bei dem die AU zwar auf Papier ausgehändigt wird, jedoch bereits auf einer neuen Vorlage, die sich „Stylesheet“ nennt.

Was vereinfacht erklärt schon sehr kompliziert klingt, wird laut Jörg Tigges viele seiner Kolleginnen und Kollegen einen riesigen Verwaltungsaufwand bescheren, den man gerade jetzt auf gar keinen Fall benötige: „Diese Entscheidung bedeutet für die Praxen (und Apotheken) im besten Fall, dass man sich an den Feiertagen mit unnötiger Bürokratie herumärgert, um festzustellen, dass nichts funktioniert. Realistisch gesehen bedeutet es, dass unnötig viel Zeit durch instabile Prozesse vergeudet wird, die zu dem Zeitpunkt keinen für uns erkennbaren Nutzen bringen.“

Probleme, die man nicht gebrauchen kann

Er geht davon aus, dass zunächst lediglich die Zeit für Patienten auf der Strecke bleibe, wenn das Gesundheitsministerium nicht noch einlenkt. „Ein Schreiben an den Gesundheitsminister mit der Bitte dies zu verhindern ist auf dem Weg aber es bleibt abzuwarten ob das was bringt“, berichtet der Mescheder Hausarzt. Ähnliches hatte die KVWL bereits versucht - zunächst erfolglos. Selbst wenn man das Ersatzverfahren weiterhin einsetzen würde, findet Jörg Tigges, dass die Abläufe in der Praxis gestört werden. „Bei ähnlichen Vorhaben sind in der Vergangenheit massive Probleme aufgetreten, die wir wahrhaftig derzeit nicht gebrauchen können.“

Wie der genau Zeitplan für das eRezept nun aussieht, steht zum jetzigen Zeitpunkt laut Bundesgesundheitsministerium noch nicht fest. Ob es in den nächsten Tagen auch noch zum Aufschub der Einführung der eAU am 1. Januar 2022 kommt, ist ebenso unklar.

Versand an Krankenkassen ab 30. Juni 2022

  • Für Patientinnen und Patienten entsteht voraussichtlicht kein Mehraufwand. Zunächst sind Ärzte, Apotheken und Krankenversicherungen in der Pflicht, die gewünschte Umstellung des Gesundheitsministerium umzusetzen.
  • Zum 30. Juni 2022 soll es dann möglich sein, nicht nur die Ausführung der AU für die Krankenkassen, sondern auch die Version für den Arbeitgeber digital übermitteln zu lassen.