Freienohl. Thyssengas verlegt in Freienohl neue Gasleitungen. Was hinter der Umrüstung steckt und welche Auswirkungen Gas aufs Klima hat.

In Freienohl endet in der kommenden Woche der erste Teilabschnitt für die Erneuerung der Gasleitungen, der nächste beginnt am 2. November. Auftraggeber ist Thyssengas. Für die Autofahrer bedeutet das eine erneute Teilsperrung mit Stau und Wartezeiten. Der zweite Teilabschnitt beginnt bei Haus Nr. 55 und endet bei Haus Nr. 35 in der Freienohler Bahnhofstraße. Was dort genau passiert, erläutert Peter Alexewicz, Pressesprecher von Thyssengas.

Eine neue Gasleitung? Ist das nicht mit Blick auf die gewünschte Reduzierung fossiler Brennstoffe schon fast anachronistisch?

Peter Alexewicz ist Leiter Kommunikation und Energiepolitik bei Thyssengas
Peter Alexewicz ist Leiter Kommunikation und Energiepolitik bei Thyssengas © Privat | Privat

Peter Alexewicz: Auf keinen Fall! Denken Sie nur daran, dass eine Erdgas-Heizung, die Sie heute installieren, rund 25 Jahre läuft. Zurzeit liegt die Sanierungsquote bei privaten Heizungen, also der Umstieg auf klimaeffizientere Modelle, wie beispielsweise auf eine Wärmepumpe, bei rund einem Prozent. Selbst wenn sich das verdoppeln sollte, werden wir noch viele Jahre Erdgas brauchen. Hinzu kommt, dass der Bedarf an elektrischer Energie zwar sehr stark steigen wird, doch auch diese Leitungen müssen erst mal ertüchtigt werden. Und: Stromleitungen können deutlich weniger Energie transportieren als Gasleitungen. Das zeigt: Auch wenn der Bedarf auf lange Sicht zurückgeht, bleibt Erdgas ein Brücken-Brennstoff auf dem Weg zu klimaneutralen Gasen.

Das sind die privaten Verbraucher, was verlangt die Industrie?

Wir erneuern die Leitung tatsächlich vor allem weil der Bedarf bei den Großkunden steigt. Und der wird durch den Ausstieg aus der Atomenergie und der Kohle weiter zunehmen. Die stabile Prognose der Erdgasnutzung für die kommenden rund zehn Jahre resultiert daher im Wesentlichen aus dem wachsenden Bedarf der Industrie- und Gewerbekunden. Teilweise wird Prozesswärme noch durch Braunkohlestaub erzeugt, da gibt ein großes Potenzial, durch Erdgas direkt CO2-Emissionen zu reduzieren.

Nicht etwa, weil die Leitung aus dem Jahr 1934 einfach veraltet war?

Das wäre zu kurz gegriffen. Die Leitungen werden in der Erde ja nicht sich selbst überlassen. Wir überprüfen sie regelmäßig beispielsweise auf Korrosionsschutz. Als Betreiber haben wir da eine Überwachungspflicht und folgen einem strengen Regelwerk. Aber tatsächlich sind die neuen Leitungen dann auch in der Lage größeren Druck auszuhalten, Druck, den wir brauchen, um künftig größere Mengen Gas vor allem zur Industrie als Endkunden zu transportieren.

Sind die neuen Gasleitungen denn grundsätzlich auch in der Lage moderne Brennstoffe wie Wasserstoff zu transportieren?

Wir haben den Anspruch, dass die Leitungen auch Wasserstoff und mehr und mehr vor allem grüne, also klimaneutrale Gase transportieren. Biogas wird jetzt schon, beispielsweise vor allem im Münsterland, in unsere Netze eingespeist. Aber das wird noch an Dynamik gewinnen. Wir gehen davon aus, dass wir einen sehr großen Teil unseres bestehenden Netzes auf Wasserstoff umrüsten können.

Methan als Treibhausgas soll laut Internationaler Energieagentur 80mal schädlicher als CO2 sein?

Da gibt es verschiedene Zahlen, das Umweltbundesamt spricht von der 25-fachen Wirkung. Und ja es stimmt, Methan-Reduktionen haben in der Branche und bei Thyssengas eine hohe Priorität. Die deutschen Ferngasnetzbetreiber wollen bis Ende des Jahres 2025 die Methanemissionen für das gesamte deutsche Gasfernleitungsnetz um 50 Prozent reduzieren. Dahinter steckt natürlich in erster Linie der Anspruch eines höheren Umweltschutzes, darüber hinaus ist die Methanvermeidung ökonomischer.

Wo sehen Sie insgesamt die Zukunft der Energieversorgung?

Ich bin davon überzeugt, dass wir einen Energiemix brauchen. Es gibt schon Pläne beispielsweise der von Heizungsherstellern, in etwa zwei Jahren Erdgasheizungen herzustellen, die von Erdgas stufenweise auf 100 Prozent Wasserstoff wechseln können. Insgesamt gibt es viele interessante Technologien. Wir sollten uns vor allem nicht ideologisch versteifen, wenn wir das Ziel der Klimaneutralität nicht aus den Augen verlieren wollen.

Was wird jetzt in Freienohl genau gebaut?

Die Erneuerung der Gasleitung erfolgt auf insgesamt 31 Kilometern bis 2026 im gesamten Ruhrtal - von Wickede über Arnsberg bis nach Freienohl. Die Arbeiten im Mescheder Stadtgebiet - auf insgesamt 1200 Metern - erfolgen in einzelnen Bauabschnitten, die jeweils 350 Meter lang sind und sollen im März 2022 abgeschlossen sein. Insgesamt kostet die Erneuerung der Ruhrtalleitung einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag.

>>>HINTERGRUND

Thyssengas ist einer der führenden Ferngasnetzbetreiber in Deutschland mit Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen. Er betreibt quasi „die Autobahnen“ des Gasnetzes. Darüber bringt das Unternehmen das Gas zu den Verteilnetzbetreibern – das sind vor allem Stadtwerke, die dann wiederum die Privatkunden und gewerbliche Kunden versorgen.

Daneben schließt das Unternehmen auch selbst Industriebetriebe ans Gasnetz an und versorgen diese.

Leitungen neu bauen oder ertüchtigen ist nur nach Genehmigung der Aufsichtsbehörde, der Bundesnetzagentur, möglich. Jede Gasleitung wird über einen Netzentwicklungsplan, der alle zwei Jahre neu aufgelegt wird, genehmigt.

Finanziert wird der Bau von Gasnetzen aus den Netzentgelten alle Gaskunden.

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