Meschede. Mit dem Wissen aus Meschede hat Karla Schefter in Afghanistan ein Krankenhaus aufgebaut. So sind ihre ersten Erfahrungen mit den neuen Taliban.

Karla Schefter hat schon die ersten Erfahrungen mit den neuen Taliban in Afghanistan gemacht. Denn vor der Eroberung der Hauptstadt Kabul beherrschten die Taliban bereits die Region südlich davon um das Dorf Chak-e-Wardak: „Bisher haben wir keine Schwierigkeiten. Die Taliban kennen uns und schätzen unsere Arbeit.“ Die ehemalige Mescheder Krankenschwester hat dort ein Krankenhaus aufgebaut.

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Die heute 79-Jährige hat am St.-Walburga-Krankenhaus ihre Grundausbildung als Krankenschwester erhalten, in einer Zeit, als die Gerätemedizin noch weitgehend unbekannt war.

Karla Schefter (rechts) in ihrem Krankenhaus, dem Chak-e-Wardak-Hospital in Afghanistan.
Karla Schefter (rechts) in ihrem Krankenhaus, dem Chak-e-Wardak-Hospital in Afghanistan. © Iris-MEDIENIris | Klaus Pollkläsener

Vieles lief noch von Hand. In Dortmund baute sie an den Städtischen Kliniken die Chirurgische Operationsabteilung auf, später auch die Herzchirurgie. Immer schon war sie auch eine Weltenbummlerin mit Stationen in Brasilien, in New York, in Istanbul. 1989 ließ sie sich in Deutschland wieder vom Dienst befreien, und reiste zunächst für ein Jahr nach Afghanistan – daraus wurden dann bis jetzt 32 Jahre. Sie erlebte den Abzug der Sowjets, die vielen dann folgenden Machtwechsel und Machtverschiebungen.

Die Basis, das praktische medizinische Wissen aus Meschede, und das Können, unter einfachsten Verhältnissen arbeiten zu können, kam Karla Schefter in Afghanistan zugute. 1989 bildete sie zunächst mit einem deutschen Internisten und einem deutschen Chirurgen ein mobiles medizinisches Team, ab 1990 war sie allein auf sich gestellt: „Ich habe dann ausschließlich mit Afghanen gearbeitet.“ In Chak schließlich bekam sie zwei Räume in einem 1938 von Siemens aufgebauten Wasserkraftwerk zugeteilt – daraus wurde eine Krankenstation: „Es gab weit und breit kein Krankenhaus. Aus der Provinz konnte man nicht nach Kabul und umgekehrt – da war die Front dazwischen.“ 500.000 Menschen leben in der Provinz, die bis dahin keine medizinische Versorgung dort hatten.

Die Frauenstation? Hinter der dritten Turbine des Kraftwerkes

Die Krankenstation war der Anfang: „Hinter der dritten Turbine des Kraftwerkes haben wir die Frauen untergebracht, das war die erste Frauenstation.“ Da kam die Idee, dort ein Krankenhaus aufzubauen. Die Planungen und die Ausführung kamen alle von Karla Schefter, von einer ausländischen Frau. 19 Jahre dauerte es. Zwölf Jahre lang gab es keine Elektrizität, nur Taschenlampen und Laternen, elf Jahre gab es nur Plumpsklos: „Die Bedingungen waren äußerst hart.“ Das neue Krankenhaus dann war reine Handarbeit – es gab keine Maschinen, alles wurde Stein auf Stein gelegt von Tagelöhnern.

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In all den Jahren wurde in diesem Chak-e-Wardak-Krankenhaus mit seinen 60 Betten, verschiedenen Fachabteilungen und ambulanter Versorgung rund eine Million Menschen geholfen.

Das Chak-Hospital in der Provinz Wardak in Afghanistan. Zuletzt waren hier im Monat über 1000 Patienten stationär untergebracht.
Das Chak-Hospital in der Provinz Wardak in Afghanistan. Zuletzt waren hier im Monat über 1000 Patienten stationär untergebracht. © WP | Archiv

Im letzten Monat waren 1007 Patienten stationär untergebracht, davon 76 Prozent Frauen und Kinder. Ob ihr nicht das Herz blute, weil hier der nächste Machtwechsel geschehe, wieder zurück zu den Taliban? „Auf jeden Fall. Das lässt nicht unberührt“, sagt Karla Schefter. Hoffnung macht ihr aber, dass man immer unpolitisch gewesen sei: „Jeder Patient ist ein Patient – sonst nichts. Das hat sich bis heute durchgesetzt.“ Viele Taliban von heute, und deren Familien, kennen schließlich das Krankenhaus seit ihrer Kinderzeit: „Sie sind mit uns groß geworden.“ Krankenschwestern und Ärztinnen durften auch in der Vergangenheit unter den Taliban im Krankenhaus arbeiten: „So viele Fachkräfte haben die Taliban ja auch nicht.“

Sorgen bereitet ihr gerade die Übergangszeit. Banken und Ministerien arbeiten nicht. Es kann nichts nach Afghanistan überwiesen werden, obwohl die Einkäufe für den Winter gemacht werden müssten. Die Spendengelder seien sicher: Zusammengearbeitet werde seit Jahren nur mit vertrauenswürdigen Menschen vor Ort.

„Jetzt können wir die Menschen nicht im Stich lassen“

Karla Schefter wünscht sich, dass die Spendenbereitschaft nicht nachlässt: „Ohne Geld geht gar nichts.“ Sie erinnert daran, dass die Lebenserwartung gerade einmal bei 43 Jahren liegt in Afghanistan, jede zehnte Frau in der Schwangerschaft stirbt. Sie fragt: „Warum soll man die Menschen in Afghanistan jetzt noch mehr bestrafen, indem man ihnen nicht mehr hilft?“ Sie zitiert gerne das afghanische Sprichwort: „Über jeden Berg gibt es einen Weg. Wir haben Menschen buchstäblich über den Berg gebracht. Jetzt können wir die Menschen nicht im Stich lassen.“

>>>HINTERGRUND<<<

Spenden für das Chak-e-Wardak Hospital sind möglich an: Afghanistan-Komitee e.V., IBAN: DE 70 4405 0199 0181 0000 90.

2001 erhielt Karla Schefter in Berlin den „Wohltätigkeits-Bambi“ und 2006 in Kabul den „Malalai-Orden“, die die höchste afghanische Auszeichnung für Frauen.