Meschede. Losgefahren ist der Mescheder Rainer Neugebauer, als er gefragt wird, ob er ein Strom-Aggregat ins Ahrtal bringen kann. Dabei bleibt es nicht.

Zwei Hilfstransporte in den vom Unwetter schwer getroffenen Kreis Ahrweiler hat Rainer Neugebauer aus Meschede organisiert. Ein dritter ist in Planung. Wie kommt ein Mann dazu, einen Sprinter zu packen und loszufahren?

Wie haben Sie von der Unwetter-Katastrophe erfahren?

Rainer Neugebauer: So wie wir alle über die Medien. Ich habe vor dem Fernseher gesessen, mir die Bilder angesehen und das tat mir in der Seele weh.

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Und wie sind Sie zum Helfer geworden?

Mein Freund Walter Gentner, der in Winterberg die Firma ATW hat, hatte über Facebook ein Hochleistungsstromaggregat angeboten. Ein Mann aus Adenau meldete sich, dass man das dort gut gebrauchen könne. Walter fragte mich dann, ob ich fahren könnte. Samstag, 17. Juli, haben wir das Gerät verladen und sind vorher noch für 500 Euro bei Aldi einkaufen gewesen, haben Tierfutter, haltbare Lebensmittel und Getränke gekauft. Und dann bin ich losgefahren. Statt 225 Kilometer bin ich durch die viele Umleitungen und Sperrungen fast 450 Kilometer unterwegs gewesen, bis ich endlich in Adenau ankam. Von dort hat unser Kontaktmann das Gerät und die Hilfsgüter dann nach Schuld gefahren.

Rainer Neugebauer hat bereits zwei Hilfskonvois nach Adenau in die vom Unwetter betroffene Südeifel organisiert. 
Rainer Neugebauer hat bereits zwei Hilfskonvois nach Adenau in die vom Unwetter betroffene Südeifel organisiert.  © WP | Ute Tolksdorf

Bei dieser ersten Fahrt blieb es nicht. Was hat Sie dann angetrieben?

Die leuchtenden Augen! Die Menschen dort waren so glücklich, haben mich so herzlich aufgenommen. Da war mir schon klar, da fährst du noch mal hin. Ich habe dann schon bei meiner Abfahrt gefragt, was könnt ihr gebrauchen? Und bekam zur Antwort: Schaufeln, Besen, Eimer, Stromaggregate, Pumpen, haltbare Lebensmittel, Hygieneartikel, Campingkocher und Babywindeln. Dafür habe ich dann über Facebook einen Aufruf gestartet.

Körperlich helfen können Sie nicht?

Nein, ich habe vor einigen Wochen einen Magen-Bypass bekommen, schwer heben darf ich nicht. Aber ich habe Menschen gefragt, die ich kenne, ob sie spenden oder mit anfassen. Und Absagen habe ich nicht bekommen. Zum Abfahrtstermin hatten mir die ersten schon die gewünschten Hilfsgüter vor meine Eingangstür in der Le-Puy-Straße gepackt. Bettina Kielgast-Kober erwies sich als Engel, weil sie einen Sprinter mit Pferdeanhänger und sich als Fahrerin zur Verfügung stellte. Sie hatte selbst eine Adresse in Hürth, wo sie Pferde-Zubehör abgeben wollte. Ja und dann sind wir wieder losgefahren.

Was hat Sie besonders berührt?

Es haben Mescheder gespendet, mit denen ich seit Jahren nichts mehr zu tun hatte, Menschen, die selber sehr wenig Geld haben, haben mitangepackt oder mir 20 Euro in den Briefkasten geworfen, und Nachbarn helfen mit Sachspenden oder einer Garage, in der ich Sachen bis zur nächsten Tour unterstellen kann. In Lindlar haben wir weitere Hilfsgüter dazugeladen. Auch dort sind wir sehr herzlich empfangen worden.

Anfangs sollte vor allem das Hochleistungs-Stromaggregat in die Eifel gebracht werden.
Anfangs sollte vor allem das Hochleistungs-Stromaggregat in die Eifel gebracht werden. © Privat | Rainer Neugebauer

Haben Sie die Zerstörungen gesehen?

Vor allem aus dem Auto - auf der Rückfahrt von Adenau nach Hürth. Das war so traurig, wie die Menschen aus riesigen Müllbergen ihre Sachen sortieren. Die Zerstörung ist immens. Man hatte uns gesagt, wer fotografiert wird mit Lehm beworfen. Trotzdem wollten wir den Menschen hier auch zeigen, was dort los ist und ich habe aus dem Auto ein paar Fotos gemacht. Die Eifler waren aber sonst nicht feindselig, sondern unglaublich glücklich über die Hilfe. Wenn sie gehört haben, dass wir eine Hilfslieferung transportieren, haben sie sich mit dem Pkw vor unser Fahrzeug gesetzt und uns gezeigt, wie wir trotz Straßensperrungen zum ZIel kommen können.

Welche Hilfe wird benötigt - und welche nicht?

Die Menschen dort brauchen jetzt schnelle großzügige Unterstützung und einen Staat, der ihr Hab und Gut schützt. Eine Familie, so erzählte man mir, stand vor ihrem halben Haus und als sie am nächsten Tag mitnehmen wollten, was noch heil geblieben war, hatten Plünderer die Wohnzimmer-Garnitur schon gestohlen. Da bekommen Menschen, die schon ganz unten sind noch einen Tritt. Wichtig ist auch, dass man sich nicht einfach auf den Weg macht. Man braucht Kontaktadressen, sonst kommt man gar nicht durch.

Bettina Kielgast-Kober hat Rainer Neugebauer bei der zweiten Fahrt unterstützt.
Bettina Kielgast-Kober hat Rainer Neugebauer bei der zweiten Fahrt unterstützt. © Privat | Rainer Neugebauer

Ende August wollen Sie wieder fahren?

Ja, ich habe dort von einer Familie erfahren mit zwei Kindern, die hat auch alles verloren, da will ich noch mal gezielt helfen. Vorher frage ich, was jetzt benötigt wird und mache dann erneut einen konkreten Spendenaufruf. Wer kein Facebook hat, kann mich ab Mitte August auch gern anrufen. Dann weiß ich schon mehr.

>>>Hintergrund

Rainer Neugebauer (61) ist gelernter Koch und heute Reisebusfahrer bei Hunau-Reisen. Er war viele Jahre in ganz Deutschland, der Schweiz und Österreich beschäftigt, bevor er vor zehn Jahren zurück nach Meschede kam.

Ehrenamtlich war er bisher noch nicht tätig. Dass er zum Helfer wurde, so glaubt er, liege auch an seiner verstorbene Mutter Alma, die 25 Jahre im Mescheder Krankenhaus Nachtwachen gemacht habe. Sein Dank geht an alle Unterstützer.

Wer spenden will, kann ihn am besten über Facebook kontaktieren. Seine Handy-Nummer für die nächste Hilfslieferung lautet 0170/8383882.