Meschede. Mit Einsamkeit umzugehen hat Gisela Langer gelernt. Doch Corona macht es auch ihr schwer. Mit ihrer Geschichte will sie anderen Mut machen.
„Mit Einsamkeit umzugehen, habe ich gelernt“, erklärt Gisela Langer aus Meschede. Nach dem Tod ihres Mannes vor nunmehr acht Jahren, hat die heute 81-Jährige ihren Alltag umstrukturiert, gelernt, allein zufrieden zu sein und sich mit allerlei Aktivitäten ein erfülltes Leben zu gestalten. Doch auf die Coronakrise war auch sie nicht vorbereitet. „Ganz unbeschadet gehe ich vermutlich nicht aus dieser Zeit. Das hat nachhaltig etwas mit meiner Gefühlswelt gemacht“, lautet Gisela Langers Fazit.
Ein voller Terminkalender
Die 81-Jährige verkörpert das, was sich wohl jeder für das Rentenalter wünscht: Sie ist fit, mobil und ihr Terminkalender ist stets gut gefüllt. Chorprobe, Gottesdienst, Treffen mit der kfd, Theaterbesuche in Hagen, Konzerte in der Mescheder Stadthalle, Verabredungen mit den Kindern und den Enkeln, Beisammensein mit der Frühstücksgruppe. So würde eine Woche für Gisela Langer normalerweise aussehen. Seit über einem Jahr fällt aber, bis auf die Gottesdienste, nahezu alles aus. „Aus den Sonntagsgottesdiensten ziehe ich aktuell viel Kraft“, erklärt sie auch, dass die Messe in der St.-Walburga-Kirche letztlich das Einzige ist, was ihr an realen Zusammenkünften geblieben ist.
Bis zum Tag X, als das Coronavirus Einfluss auf ihren Alltag nahm, war unter anderem der Kaffee in der Gemeinde stets Ankerpunkt für gute Gespräche und Austausch. „Manche von uns sind im letzten Jahr erkrankt oder haben ihren Partner verloren. Das sind Dinge, die wir sonst gemeinsam aufgefangen hätten. Und jetzt kann ich diejenige, die trauert, nicht einmal umarmen, wenn ich sie zufällig in der Stadt treffe.“ Für Gisela Langer sind es genau diese Schicksale, die sie dazu gebracht haben, öffentlich über die Einsamkeit durch Corona zu sprechen. „Ich bin nicht hier, um zu jammern, ich möchte für die vielen Senioren sprechen, die durch die Krise vereinsamen und ihnen mit meiner Geschichte etwas Mut machen“, erklärt die 81-Jährige.
Digital vernetzt
Ihre Geschichte ist eine für ihre Generation ungewöhnliche: Schon vor Corona war Gisela Langer bestens vernetzt, hat per E-Mail kommuniziert, bei Bedarf auch mal Dinge im Onlinehandel bestellt und sich mit ihrem Smartphone auseinandergesetzt. „Ich kompensiere die fehlenden, persönlichen Kontakte zum Großteil über Whatsapp, bzw. jetzt über den Nachrichtendienst Signal, der soll ja sicherer sein. Ich lade mir die Apps auch selber herunter. Wenn ich mal nicht weiterkomme, frage ich eben jemanden“, erklärt die Meschederin die digitalen Raffinessen, als wäre sie nicht in einer Generation aufgewachsen, die den weiten Sprung von der Wählscheibe zum Touchscreen mitgemacht hat. Zwar könnten Anrufe und Nachrichten, unter anderem, die von Gisela Langer so sehr vermissten Proben des Stiftchors nicht ersetzen, jedoch zumindest die Kommunikation unter den Sängerinnen und Sängern zum Teil aufrecht erhalten.
Fehlende Berührungen
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Dass sich die Digitalisierung durch die Coronakrise so rasant wie nie entwickelt hat und auch Einzug in den Alltag von Senioren genommen hat, freut sie ungemein. Vor allem schätzt sie aber die Möglichkeit, auf diese Art und Weise ihre Familie zu sehen. „Ich bin schon immer ein sehr kommunikativer Mensch gewesen und diese Eigenschaft bringt mich gut durch das Alter und jetzt durch die Corona-Zeit“, sagt sie, gesteht aber ebenso, dass vor allem die Mahlzeiten wunde Punkte des Alltags sind. Allein zu essen, das zieht sie ebenso herunter wie die fehlenden Berührungen.
„Wenn Sie allein leben, ist da niemand, der sie mal in den Arm nimmt.“ Diesen Schmerz lindert Gisela Langer inzwischen, in dem sie - vollständig geimpft - häufig mit ihrer Tochter, die sich vorab auf Corona testen lässt und auch schon einmal geimpft ist, wandern geht. „Die Natur hat mir in all der Zeit sehr viel gegeben. Und selbst wenn man allein spazieren geht, trifft man ja immer wieder auf Bekannte oder auch unbekannte Menschen, mit denen man kurz in Gespräch kommt. Das hat mir unheimlich geholfen“, erklärt die Seniorin und hofft darauf, dass Treffen mit Freunden und Umarmungen schon bald wieder die Norm sind.
Das Schicksal vieler
Für die kommenden Wochen und Monate wünscht sie sich, endlich wieder verreisen zu dürfen. Ferne Länder hat sie bereits vielfach mit ihrem Mann bereist, denkt zu gerne an Zeiten zurück, in denen sie mit dem Auto die USA erkundet haben. Heute sind es Reisen nach Holland an die See, die ihre Freude bereiten. „Für mich muss das Leben spannend bleiben. Und wenn man mit 81 so wie ich fit und gesund ist, kann man wirklich noch viel unternehmen“, sagt sie und kann nur jedem in ihrer Situation dazu raten, es ihr gleich zu tun. „Das ist nicht mein persönliches Schicksal, das ist das Schicksal und der Alltag von so vielen Frauen und Männern. Denen möchte ich Mut machen.“