Freienohl. Viele Sauerländer denken bei Pfiff Reitsport noch an einen Einzelhändler. Dabei hat der Betrieb ganz andere Kunden im Blick.

Wenn davon die Rede ist, dass die „101197“ auch in der Corona-Krise ein echter Renner ist, geht es an der Bahnhofstraße in Freienohl nicht etwa um die Telefonnummer einer örtlichen Apotheke oder die Bezeichnung einer Schutzmaske. Nein, diesen liebevollen Namen trägt die meistverkaufte Reithose von Pfiff Reitsport.

„Wir wollten ihr durchaus schonmal einen richtigen Namen geben, aber noch sind wir nicht dazu gekommen“, erklärt Volker Schirp, der seit zwei Jahren Geschäftsführer des Reitsporthandels ist und muss selbst etwas schmunzeln. Während die Lederstiefelette „Cosmo“ sogar den Namen eines edlen, bei Olympia siegreichen Dressurpferdes aus dem bekannten Rothenberger-Gestüt trägt, muss die weltweit beliebte Reithose aus dem Hause Pfiff mit einer Nummer auskommen.

Milder Winter 2020 verhagelt Verkauf

Doch so beständig wie die „101197“ ist das Corona-Jahr für den hiesigen Reitsportgroßhandel nicht gelaufen. „Vor allem zu Jahresbeginn 2020 lief es nicht gut. Der milde Winter hat uns den Verkauf der tendenziell teureren Winterware verhagelt und dann ging es mit Corona los“, berichtet Geschäftsführer Volker Schirp. Dann kam der erste Lockdown und viele Reitsport-Fachgeschäfte, die Pfiff als Großhändler beliefert, mussten schließen. Weiterhin verkaufen durften nur diejenigen, die auch Futter im Sortiment haben. Genau wie im zweiten Lockdown.

Im März und April 2020 musste der Gürtel im Freienohler Traditionsunternehmen daher etwas enger geschnallt werden - Kurzarbeit ließ sich zu dieser Zeit nicht vermeiden. Und auch seither beeinträchtigt die Corona-Pandemie den Alltag der Mitarbeiter. „Einige Kollegen arbeiten im Homeoffice und vor Ort haben wir ein 3-Zonen-System eingerichtet und so die Abteilungen voneinander getrennt, damit keinesfalls alle Mitarbeiter gleichzeitig krank werden“, erklärt der Geschäftsführer.

Was früher der Verkaufsraum war, ist heute eine Art Showroom.
Was früher der Verkaufsraum war, ist heute eine Art Showroom. © Christina Schröer

Lieferschwierigkeiten durch Corona

Schwierigkeiten hatten zudem nicht nur der Verkauf und Export der Waren gemacht, auch der Import von Artikeln - vor allem aus Fernost - wurde immer komplizierter, Verzögerungen und ausbleibende Lieferungen haben Volker Schirp und den knapp 40 Mitarbeitern zu schaffen gemacht. „Im Sommer 2020 hätten wir durchaus mehr verkaufen können, als wir zur Verfügung hatten“, erinnert er sich. Um weitere Engpässe während der Corona-Pandemie zu vermeiden, wurden bei Pfiff die Lieferintervalle umstrukturiert, so dass öfter Ware in Freienohl ankommt und die Lücken im Verkauf im Ernstfall kleiner sind als zuvor.

Grundsätzlich habe die zweite Jahreshälfte die Verluste durch den ersten Lockdown dann wieder ganz gut ausgeglichen. „Weiße Sachen gehen natürlich weiterhin wenig“, sagt Schirp und meint damit, dass durch die vielen ausgefallenen Reitturniere natürlich auch die Nachfrage nach weißer Turnierkleidung gesunken ist. „Weiß geht tatsächlich schlecht. Und allgemein werden eher Preis-Leistungs-Artikel nachgefragt und weniger der Lederstiefel für 600 Euro.“ Eine Rolle würden außerdem immer mehr die große Größen spielen, bei Reitjacken auch mal bis zu 4XL.

Wahrnehmung als Einzelhändler

Dass es keinen dieser Artikel mehr im Ladenlokal an der Bahnhofstraße zu kaufen gibt, habe auch nach mehreren Jahren noch nicht jeder Reiter in der Region verinnerlicht. „Der Sauerländer kennt uns als Einzelhändler“, fasst Volker Schirp es kurz und knapp zusammen. Dass Pfiff als Großhandelsunternehmen in über 50 Länder liefert, sei vielen gar nicht bewusst. „Unser Hauptgeschäft machen wir zwar noch immer in Deutschland, aber auch der Export wächst stetig. Die Niederlande sind unser stärkstes Exportland, Frankreich läuft auch gut. Den höchsten prozentualen Wachstum hatten wir 2020 aber zum Beispiel auf Mauritius. Das waren rund 370 Prozent“

Die einzige Möglichkeit direkt ab Werk bei Pfiff einzukaufen ist „Pfiffs Paddock“ - ein Onlineshop mit Schnäppchen und B-Ware. Von der Decke bis zum Hufauskratzer findet man dort immer wechselnde Angebote aus dem Pfiff-Sortiment. Und der Shop erfreut sich riesiger Beliebtheit. Hier habe man seit Jahresbeginn ein Plus von 50 Prozent verbucht. „Erfreulich ist natürlich, dass auch unsere Fachhändler immer mehr auf den Onlinehandel setzen. In deren Onlineshops findet man dann auch unsere topaktuelle Ware.“

Umsatzplus von 60 Prozent

Doch auch im Großen und Ganzen sieht Volker Schirp das Freienohler Traditionsunternehmen auf einem guten Weg: „Wir haben in Deutschland 1,4 Millionen Pferde und 3,9 Millionen Reiter und verbuchen im Vergleich zum Vorjahr ein Umsatzplus von 60 Prozent, da können wir zuversichtlich in die Zukunft blicken.“ Und bei einer Sache ist er sich zu 100 Prozent sicher. Egal, wie lange die Corona-Pandemie Deutschland noch im Griff hat, die „101197“ wird auch diese Krise überstehen.

HINTERGRUND

Volker Schirp ist 50 Jahre alt und hat vor seiner Tätigkeit bei Pfiff für ein großes amerikanisches Unternehmen gearbeitet und war viel unterwegs. Nun verbringt der gebürtige Sauerländer wieder mehr Zeit bei seiner Familie in Freienohl.

Selbst ist er nie geritten, hatte aber durch seinen Onkel, der Island-Pferde besaß schon früh Kontakt zu Pferden und dem Reitsport. Während seine Tochter das reitet, bleibt Volker Schirp in der Freizeit gemeinsam mit seinem Sohn dem Fußball treu.

Die wichtigste Mahlzeit des Reiters ist ihm allerdings ein Begriff: „Das ist doch die Turnier-Pommes, oder?“.