Eslohe. Sarah Friedhoff leidet am Lipödem und steuert die Krankheit seit Jahren durch gesunde Ernährung. Nun setzt sie sich für andere Betroffene ein.
Als Sarah Friedhoff vor fünf Jahren die Diagnose „Lipödem“ erhalten hat, war das fast schon eine Erleichterung. Bereits als Jugendliche hatte sie mit Gewichtsproblemen zu kämpfen. Mit 13 attestierte ihr ein Arzt sogar schriftlich, dass sie stark adipös sei, jedoch keinerlei Willen zur Abnahme zeigen würde. Dass schon damals das Lipödem, umgangssprachlich auch Fettverteilungsstörung genannt, Grund für eine erschwerte Gewichtsabnahme war und vermutlich mit Beginn der Pubertät ausgebrochen ist, ahnte zu diesem Zeitpunkt niemand.
Heute, als 33-jährige Zweifach-Mama, Ehefrau und Unternehmerin steuert Sarah Friedhoff ihre Krankheit unter anderem über eine ausgewogene Ernährung. Hilft anderen Betroffenen dabei, besser mit dem Lipödem zu leben und möchte auf die schmerzhafte Krankheit aufmerksam machen, die im Schnitt eine von zehn Frauen betrifft.
Diagnose durch Zufall
Kohlsuppe, Weight Watchers, Almased, „Friss die Hälfte“ - Sarah Friedhoff hat so ziemlich alles einmal ausprobiert, was die Diät-Industrie auf den Markt gebracht hat. Und bei all den Versuchen war sie eisern. „Konsequent war ich immer, habe meine Diäten super durchgezogen“, sagt sie. Das hatte zur Folge, dass es Zeiten hab, zu denen sie Oberbekleidung in Konfektionsgröße 38 tragen konnte, Hosen aber trotzdem in 44 kaufen musste. „Und halten konnte ich mein Gewicht auch nie“, berichtet die 33-Jährige. Obwohl sie halbjährlich aufgrund eines Schilddrüsenproblems in Unterwäsche in einem Krankenhaus auf der Waage stand, hat viele Jahre lang niemand bemerkt, dass Sarah Friedhoff am Lipödem erkrankt ist.
Darauf angesprochen, ob sie vielleicht unter der Krankheit leide, wurde sie letztlich durch Zufall. Bei einer Veranstaltung im Vital Treff in Sundern ist eine lymphologische Fachkraft auf ihre Beine aufmerksam geworden. Daraufhin vereinbarte Sarah Friedhoff einen Termin bei einem Arnsberger Lymphologen.
Bis sie schließlich Gewissheit hatte, was es mit den Gewebeveränderungen in ihren Beinen auf sich hatte, dauerte es jedoch über ein halbes Jahr. „So lange wartet man im Schnitt auf einen Termin beim Lymphologen“, weiß sie und ärgert sich darüber, dass das Lipödem keinerlei Lobby hat: „Es wird so wenig in diese Richtung geforscht und im Medizinstudium wird das Thema meiner Meinung nach auch nicht ausreichend behandelt, sodass sich kaum Ärzte ausreichend mit diesem Thema befassen.“
So hart sie die Diagnose vor etwa vier Jahren auch getroffen hat: Dass es endlich einen medizinischen Grund dafür gab, warum sie an den Beinen nie richtig abgenommen hat, war ein Segen für die Esloherin. „Endlich wusste ich, du bist nicht Schuld.“
Routinen in den Alltag integrieren
Neben der Ernährungsumstellung hat sie auch viel Bewegung, eine wöchentliche Lymphdrainage und die so genannte Strumpfversorgung, die das Tragen passgenauer Kompressionsstrümpfe oder - strumpfhosen meint, in ihren Alltag aufnehmen müssen. „Klar, am Anfang hätte ich heulen können. Die Diagnose hat vieles in meinem Alltag verändert. Allein das Anziehen der Kompressionsstrumpfhose war zu Beginn nicht ganz einfach, aber ich habe schnell eine gute Technik für mich entwickelt. Allerdings gibt es auch positive Aspekte, ich habe meinen Körper wieder besser annehmen können und das war nicht nur für mich sondern auch für meinen Mann und meine damals neun Monate alte Tochter sehr wichtig“, berichtet die heutige Zweifach-Mama von ihrer Anfangszeit mit dem Lipödem.
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Ihre Tochter war es auch, die etwa ein Jahr zuvor der Auslöser für Sarah Friedhoffs umfangreiche Ernährungsumstellung war. „Ich habe mit 27 Jahren nach dem ersten Kind tatsächlich 145 Kilo gewogen und bin der Kleinen einfach nicht mehr hinterher gekommen. Ich hab irgendwann angefangen, die Haustür von innen abzuschließen, weil ich wusste, dass ich nicht so schnell hoch komme, wenn meine Tochter zur Tür läuft.“ Die ersten Kilos purzelten daraufhin langsam aber stetig.
Und mit der Lipödem-Diagnose fing Sarah Friedhoff immer mehr an, sich mit gesunder, ausgewogener Ernährung zu beschäftigen, die sich positiv auf ihr Krankheitsbild auswirkt. „Inzwischen esse ich fast ausschließlich vegetarisch, größtenteils orientiere mich mittlerweile sogar in die vegane Richtung und füge meiner Ernährung pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel hinzu. Und ich weiß einfach, dass mir das gut tut. Ich hab immer gerne mal eine Currywurst gegessen und liebe es noch heute, abends ab und zu ein Glas Wein zu trinken, überlege es mir aber inzwischen gut, weil ich genau weiß, dass ich am nächsten Tag die Quittung bekomme“, berichtet sie, dass sich die Auswirkungen durch den Konsum von tierischen Produkten, Alkohol und Zucker bei ihr gleich in Form von schweren, schmerzenden Beinen bemerkbar machen.
Vital Treff seit Januar 2020
Das gesteckte Ziel, 50 Kilo abzunehmen, hat Sarah Friedhoff mit eiserner Disziplin schließlich im Januar 2020 erreicht. Genau zu dem Zeitpunkt, als sie sich mit dem „Vital Treff Eslohe“ selbstständig gemacht hat. „Ich hab die 50 Kilo wirklich sehr gesund innerhalb von fünf Jahren abgenommen und sie bislang gehalten“, berichtet sie während man ihr ein wenig Stolz aus dem Gesicht ablesen kann.
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Seither betreut sie Kundinnen und Kunden mit und ohne Lipödem als Ernährungsberaterin, coronabedingt hauptsächlich online. „Wir bieten aber auch (Online-) Sportkurse an und haben Mental-Coaches in unserem Team. Nachdem mein jetziger Lymphologe, Dr. Nolte aus Meinerzhagen, festgestellt hat, dass ich eine der wenigen Patientinnen bin, bei der sich durch die Ernährungsumstellung auch das Lipödem verbessert hat, schickt er sogar Patientinnen zu mir“, so die Ernährungsberaterin, die sich inzwischen sichtlich wohl in ihrer Haut fühlt.
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Auf die Frage, ob sie selbst noch mehr abnehmen möchte, hat sie aber nicht direkt eine Antwort parat. „Mit den 50 abgenommenen Kilos hatte ich mein Ziel erreicht und erst einmal Frieden mit mir geschlossen. Ich fühle mich wohl und mir geht es gut. Meine Beine schmerzen nur noch, wenn ich schlecht gegessen oder Alkohol getrunken habe. Aber wenn ich mir jetzt ein neues Ziel stecken würde, würde ich auch das ganz sicher erreichen.“
Eines steht aber auf jeden Fall fest: Sarah Friedhoff wird weiter dafür kämpfen, dass Lipödem-Patientinnen eine bessere Lobby im Gesundheitssystem und eine bessere Versorgung erhalten.
- Unter anderem folgende Symptome können auf ein Lipödem hinweisen: schwere Beine, die sich in etwa so anfühlen, als hätte man Muskelkater; hohes Druckempfinden; die Neigung zu blauen Flecken, die durch Brüchigkeit der Gefäße entsteht; Knötchenbildung im Unterhautfettgewebe, unproportionale Körperform (man ist oben viel schmaler als unten).
- Am 22. Januar ist ein Fachvortrag mit Sarah Friedhoffs Arzt, Dr. Nolte aus Meinerzhagen, im Vital Treff Eslohe geplant, zu dem Sarah Friedhoff Betroffene und Frauen, die vermuten am Lipödem erkrankt zu sein, einlädt. Um Anmeldung wird gebeten.
- Unter 0151/22607846 oder vital-treff-eslohe@gmx.de ist Sarah Friedhoff erreichbar.