Meschede/Niederberndorf. Der digitale Wandel der Arbeit gelingt nur, wenn der Mensch im Mittelpunkt steht, sagt Prof. Christina Krins. Was man dabei beachten muss.

Wer die Zukunft gestalten will, muss erst mal innehalten. Davon sind die Mescheder Wirtschafts-Professorin Christina Krins und ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter Christina Meisterjahn und Jonas Koch überzeugt. Sie betreuen das Projekt „Change“, das den Menschen im digitalen Wandel der Arbeitswelt in den Mittelpunkt stellt.

Neue Programme, neue Geräte, neue Abläufe. Die Arbeitswelt verändert sich rasant. Wer als Auszubildender mit dem Zettelkasten in der Warenannahme gearbeitet hat, nutzt heute das Tablet. Jährlich ändern sich Computer-Programme, machen vieles einfacher, aber verlangen von den Mitarbeitern auch, sich ständig mit neuer Technik auseinanderzusetzen. „Uns ist es im Rahmen der Digitalisierung wichtig, nicht nur die technischen Neuerungen im Mittelstand einzuführen, sondern auch die Menschen dabei mitzunehmen“, berichtet Christina Krins.

Professorin Dr. Christina Krins, Christina Meisterjahn und Jonas Koch arbeiten an dem Projekt Change Enabler. Es soll Menschen in Betrieben befähigen, die Digitalisierung voranzutreiben, indem sie die Menschen mitnehmen. 
Professorin Dr. Christina Krins, Christina Meisterjahn und Jonas Koch arbeiten an dem Projekt Change Enabler. Es soll Menschen in Betrieben befähigen, die Digitalisierung voranzutreiben, indem sie die Menschen mitnehmen.  © www.pilgrim-foto.de | FH Südwestfalen Annika Pilgrim

Die Triebfedern des digitalen Wandels

Da setzt die Qualifizierung zum Change-Enabler an: Produktions-Mitarbeiter, Betriebs- und Projektleiter, die schon jetzt Wegbereiter und Triebfedern im digitalen Wandel sind, sollen hier lernen, wie sie ihre Kollegen mitnehmen, wie sie Widerstände im Vorfeld erkennen und aus dem Weg räumen. Das passiert in Workshops, in denen Teilnehmer aus unterschiedlichen Branchen zusammenkommen und auch dadurch voneinander profitieren.

„In einem ersten Schritt sehen wir uns das Projekt an“, erläutert Christina Krins. Dabei kann es um die Einführung eines neuen Software-Systems gehen oder die Tablet-Einführung für Fahrer in der Abfallwirtschaft. „Die Mitarbeiter sehen, hier werden Millionen investiert und fragen sich, was ist mein persönlicher Nutzen?“, erläutert die Professorin. Diese Frage müsse man im Vorfeld beantworten, sonst gebe es Widerstände. Die weiteren: Wo soll das Projekt hinführen, wen können wir einbinden? Wer ist betroffen, wie kommuniziere ich, wen informiere ich und wann? Dazu werden gemeinsam Strategien entwickelt.

Ängste der Mitarbeiter ernst nehmen

„Es ist schon vorgekommen, dass Tablets, die der Arbeitserleichterung dienen sollten, mutwillig zerstört wurden, weil sich Gerüchte breitmachten, dass der Arbeitgeber darüber persönliche Daten erfassen und sammeln wolle“, berichtet Christina Meisterjahn. In so einem Fall hätte beispielsweise der Betriebsrat früher ins Boot geholt und umfassender informiert werden müssen, um den Ängsten vor Datenerfassung in der Belegschaft entgegenwirken zu können. Widerstände ergäben sich auch, weil die Mitarbeiter neue Techniken als Bestrafung empfinden.

Meisterjahn: „So hieß es in einer Firma zum Beispiel die neue Technik werde eingeführt, weil die Arbeiter zu lange für die Rüstzeiten brauchten.“ Statt Bestrafung soll eine positive Vision Auslöser eines Digitalisierungsprojektes sein. Auch wer Angst hat, seinen Job zu verlieren oder seinen Status, wem vermittelt wird, jetzt kommen die Jungen, die machen alles besser, kann Projekte torpedieren. „Je tiefgreifender die Vorbehalte, desto schwieriger wird es“, sagt Christina Meisterjahn, Aber sie sagt auch: „Wo Widerstände auftauchen, da sind Energien blockiert.“ Und die gelte es freizulegen.

Kommunikation als wichtigstes Gegenmittel

Das wichtigste Gegenmittel sei dabei die Kommunikation. Auch die lernen die Change Enabler: durch aktives Zuhören, indem sie Ich-Botschaften senden und im Rollenspiel lernen, sich in den anderen hinein zu versetzen. „Oft kommen Change Enabler aus dem technischen Bereich, sie sind es gewohnt zu machen, nicht zu reden“, berichtet Jonas Koch.

Auch mit dem Abschluss der technischen Einführung ist die Projektbegleitung nicht zu Ende: „Jedes Zukunftsprojekt braucht auch einen Kümmerer, jemand, der dranbleibt“, betont Krins, sonst können sie versanden. So hatte ein Unternehmen eine Software für eine digitale Personalbeurteilung eingesetzt, Schon nach kurzer Zeit wurde sie kaum noch genutzt. „Das ist nicht effektiv“, sagt Krins. Und Christina Meisterjahn ergänzt: Klar, sei hier erstmal viel Engagement notwendig, doch das lohne sich. „Sonst hat man viel Geld ausgegeben für ein Digitalisierungsprojekt, das letztlich scheitert.

Das Projekt Change im Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Siegen ist Bestandteil der BMWi-Förderinitiative Mittelstand-Digital. Weitere Infos zum Kompetenzzentrum auf der Homepage der FH: www.fh-swf.de



Drei Fragen an:

Frank Lutter aus Schmallenberg-Niederberndorf ist Leiter der Betriebsorganisation & IT-Administration bei der Volksbank Bigge-Lenne. Er hat an dem Change-Projekt des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Siegen an der FH Meschede teilgenommen. Über einen Artikel in unserer Zeitung war er darauf aufmerksam geworden und hatte sich dann nach Rücksprache mit seinem Arbeitgeber angemeldet.

Frank Lutter (links) mit seinem  Kollegen Marcel Laukant. bei der Besprechung des Test- und Freigabeverfahrens zur Einführung neuer Software bei der Volksbank Bigge-Lenne.
Frank Lutter (links) mit seinem  Kollegen Marcel Laukant. bei der Besprechung des Test- und Freigabeverfahrens zur Einführung neuer Software bei der Volksbank Bigge-Lenne. © Volksbank Bigge-Lenne

1. Konnten Sie die Ergebnisse aus dem Projekt im Betrieb nutzen?

Frank Lutter: Der Kurs vermittelt sehr bildhaft den roten Faden, um Digitalisierungsprojekte umzusetzen. Für mich sind die Inhalte ein ständiger Begleiter in der Projektorganisation geworden.

2. Was haben Sie bei der Umsetzung verändert?

In der Kommunikation berücksichtigen wir jetzt betroffene Abteilungen viel mehr, und ich hole mir immer gern ein Feedback von der Basis. Digitalisierung scheitert in den wenigsten Fällen an der Technik, viel häufiger an Menschen, die weder abgeholt, noch mitgenommen werden.

3. Bleibt im Arbeitsalltag überhaupt die Zeit für solch eine Vorplanung?

Erhält die Abteilung einen Projektauftrag, schalten IT-Mitarbeitern am liebsten direkt in den Umsetzungsmodus. Als Abteilungsleiter muss ich dann bei mir, wie auch bei den Kollegen in der Abteilung, zunächst auf die Bremse treten. Natürlich denkt man immer, dass für die Vorplanung eigentlich keine Zeit bleibt. Doch die Erfahrung zeigt, dass man durch eine gute Vorplanung, eine transparente Kommunikation und die Mitnahme Kolleginnen und Kollegen letztlich sogar Zeit gewinnt.