Meschede. Mit einem Sturmgewehr überfällt ein 22-Jähriger zwei Männer am Bahnhof Meschede. Er versuchte früher bereits, die JVA Attendorn zu erpressen.
Wie kommt man ans schnelle Geld? Das fragt sich ein heute 22 Jahre alter Mann seit langem. Ideen dazu hat er auch aus Hollywood-Filmen: Zum Beispiel einen Geldtransporter zu überfallen. Er hat eine Nummer kleiner begonnen: Im April überfällt er mit einem Sturmgewehr zwei Männer am Mescheder Bahnhof.
Gewehr sah echter Kriegswaffe täuschend ähnlich
Angeklagt ist der Deutsche wegen schwerer räuberischer Erpressung vor dem Landgericht Arnsberg. Eigentlich wollte er an dem Abend den asiatischen Kiosk am Bahnhof überfallen – als er maskiert mit seiner Sturmhaube und dem Sturmgewehr dort auftaucht, hat der gerade geschlossen. Spontan überlegt sich der Mann, der in Eslohe aufgewachsen ist, dann eben jemand anders zu überfallen. Es könnte jeder sein – tatsächlich trifft es dann zufällig zwei Rumänen. Am Park-and-Ride-Parkplatz an der Lagerstraße knien sie sich vor ihm nieder, er bedroht sie mit dem Sturmgewehr.
Dass dieses nur eine Softair-Waffe ist, die Plastikkügelchen verschießen kann, ahnen die Opfer nicht. Das Polizeigutachten sagt, der Gewehr-Nachbau sehe einer echten Kriegswaffe täuschend ähnlich. „Ich hatte viel Angst, ich war total erschrocken“, sagt einer der Rumänen bei der Polizei. Die Beute: Gerade einmal ein 50-Euro-Schein (den der Täter dann bei der Flucht auch noch verliert).
Zwei Jugendliche sehen den Überfall von der Lagerstraße, filmen ihn sogar. Die Fahndung ist schnell erfolgreich: Der 22-Jährige stolpert bei der Flucht vor der Polizei hinter den Gebäuden an der Kolpingstraße über eine Hecke und wird verhaftet. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.
Anleihen aus Hollywood
Am zweiten Verhandlungstag vor Gericht kommt überraschend heraus: Der Angeklagte stand erst im letzten Jahr wegen versuchter räuberischer Erpressung vor dem Jugendschöffengericht in Meschede – wegen einer anderen irrwitzigen Idee, auch die mit Anleihen aus Hollywood. Er hatte 2018 der JVA Attendorn gedroht, sie in die Luft zu sprengen, wenn nicht eine Million Euro gezahlt würden. Es kam natürlich nie dazu – der Mann hatte die Drohung per Mail verschickt, von der Adresse eines Bruders aus.
Danach plante er einen Neuanfang in Brandenburg – er hatte dort über Facebook eine Freundin kennen gelernt. Das Experiment scheiterte: Wie alles, was der 22-Jährige bisher in seinem Leben angefasst hat.
Ein Versuch in Oranienburg, in der Altenpflege zu arbeiten, scheitert – er wollte nicht mit Alten arbeiten. Den Job bei der S-Bahn-Reinigung gibt er auch auf – zu dreckig. Er chillt lieber den ganzen Tag, spielt und sieht Filme. Er kommt nach Brandenburg bei einer anderen Freundin in Arnsberg unter. Letztlich wirft deren Freund ihn raus. Der 22-Jährige ist sauer und pleite – und setzt die fatale Idee mit dem Überfall in Meschede um.
„Er hat auf sein Spielfilm-Englisch zurückgegriffen“
Jetzt kommt eine Gefängnisstrafe auf ihn zu. Denn Psychiater Dr. Frank Lindemann (LWL-Klinik in Eickelborn) sieht keine Einschränkungen bei der Schuldfähigkeit – auch wenn der Angeklagte ein intellektuelles Leichtgewicht ist. Er kann nicht einmal Uhrzeiten ablesen. Helfen ließ er sich in der Vergangenheit nicht: Er flog aus Förderschulen und betreuten Wohngruppen, weil er sich nichts sagen lassen wollte.
Aber Dummheit schützt nicht vor Strafe: „Er ist zielgerichtet vorgegangen, er hat die Opfer angesprochen, er hat die Waffe zweckgerichtet eingesetzt, er hat auf sein Spielfilm-Englisch zurückgegriffen“, so der Gutachter. Denn die beiden Rumänen verstanden gar nicht, was der Maskierte wollte. Er musste erst „Money, Money!“ rufen. Er räumte ein, dass habe er aus Filmen behalten. Gutachter Lindemann stufte den Mann als „sehr, sehr unreif“ ein, trotz seiner 22 Jahre.
Helfen lassen wollte er sich nicht in der Vergangenheit: Helfen würden ihm aber, so der Gutachter, feste Strukturen und Regeln – und die gebe es im Gefängnis. Er empfahl, ihn im Team arbeiten zu lassen, etwa in der Knastküche. So könne er lernen, Verantwortung im Gemeinschaftsleben zu übernehmen. Das Urteil ist noch nicht gefällt worden.
>>>HINTERGRUND<<<
Eigentlich sollte schon das Urteil gefällt werden. Allerdings war eine Richterin in der Zweiten Großen Strafkammer am Landgericht Arnsberg erkrankt.
Um die Ersatz-Richterin auf den Stand zu bringen, musste alles von vorne beginnen – von der erneuten Verlesung der Anklage bis zur erneuten Anhörung der Polizisten als Zeugen, die an der Fahndung beteiligt waren.
Die Opfer, die beiden Rumänen, sind nicht auffindbar.